Nobert Walter-Borjans und Ralf Stegner: Kein Persilschein für deutsche Steuerhinterzieher in der Schweiz!
Kiel, 24. April 2012 Nr. 128/2012Norbert Walter-Borjans und Ralf Stegner:Kein Persilschein für deutsche Steuerhinterzieher in der Schweiz!Der nordrhein-westfälische Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans und der Vor- sitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner haben heute die Kritik der SPD an dem ausgehandelten Steuerabkommen mit der Schweiz erläutert:Wenn das Steuerabkommen mit der Schweiz in der jetzt vorliegenden Fassung in Kraft träte, wäre dies ein Persilschein für Steuerhinterzieher.Das im September des vergangenen Jahres von der Schweizer Finanzministerin und dem deutschen Bundesfinanzminister unterzeichnete Besteuerungsabkommen wurde zwar auf Drängen von SPD- und Grün-regierten Ländern nachgebessert. Doch auch mit dem Zusatzprotokoll vom 4. April 2012 wird die Sicherstellung einer effektiven Besteuerung von Vermögenswerten deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz nicht erreicht. Es existieren weiterhin Schlupflöcher und die Taten der Vergangenheit werden „zu Dumpingpreisen“ amnestiert: Ein Steuerbetrüger zahlt ein Drittel bis die Hälfte dessen, was ein Steuerehrlicher entrichtet hat. Noch dazu wird Zeit für den Abzug des Kapitals in andere Länder gewährt. Und wir sollen künftig nicht mehr kontrollieren.Die Steuerhinterzieher und die Schweizer Banken, die die Steuerhinterziehung unterstützen, werden durch das Abkommen geschützt. Dabei wird nicht nur nachträglich die Hilfe zur Steuerhinterziehung von jeglicher Strafverfolgung ausgenommen, nein, auch die zukünftige Verfolgung wird massiv erschwert. Im Zeitraum von zwei Jahren sind maximal 1.300 Anfragen zulässig, d.h. konkret: Jedes Finanzamt in Deutschland könnte gerade einmal eine Anfrage stellen. Das lädt doch gerade zu ein, mit der skandalösen 2Praxis auf Kosten der deutschen Allgemeinheit weiter zu machen. Die Schweiz wird als sichere Fluchtburg für deutsche Steuerhinterzieher zementiert und erhält dafür auch noch ein seriöses Deckmäntelchen.Schätzungen zufolge haben deutsche Residenten in der Schweiz 120 bis 180 Milliarden Euro aus vornehmlich unversteuerten Erträgen deponiert. Weit über 50 Milliarden davon dürften entgangene Steuereinnahmen sein. Dazu kommen über Jahre unversteuerte Zinseinkünfte. Der Ausfall der Umsatzsteuer muss ebenfalls eingerechnet werden. In der Regel sind Schwarzgeldanlagen nicht umsatzversteuert, weil die Einkünfte dann aktenkundig geworden wären. Deshalb bestehen angelegte Schwarzgeldbeträge in der Regel zu deutlich mehr als 50 Prozent aus hinterzogenen Steuern. Der Bundesfinanzminister rechnet mit Nachzahlungen von bundesweit 10 Milliarden Euro. Aber das wird von Schweizer und deutschen Experten stark bezweifelt. Sicher ist bisher lediglich, dass im Jahr 2013 vorab 2 Milliarden CHF (ca. 1,6 Mrd. Euro) überwiesen würden.Nur die Erträge, nicht die Einkommen selber würden in der Schweiz künftig genau so besteuert wie in Deutschland. Aber was ist schon eine 26,4-prozentige Steuer auf relativ niedrige Zinserträge, die man in Deutschland ohnehin auch bezahlen müsste, wenn man die Einkommensteuer von 42 Prozent unerkannt und ohne Risiko, entdeckt zu werden, umgehen kann? Für die betroffene Klientel könnte die Erhöhung des Spitzensteuersatzes dann gern kommen. Mit Inkrafttreten des Abkommens würden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von Steuerhinterziehern und Helfershelfern „vom Zeitpunkt des Entstehens“ erlöschen und das Risiko der Aufdeckung gegen null sinken.Der deutsche Fiskus erhielte eine Nachversteuerung auf das am 31.12.2012 noch in der Schweiz liegende Kapital, sofern es auch vor dem 31.12.2010 schon dort deponiert war. In vier Fünftel aller Fälle würde nur der Mindestbetrag von 21 Prozent erhoben. Die Obergrenze von 41 Prozent ist reine Augenwischerei. 3Norbert Walter-Borjans: „Die deutsche Seite handelt so, wie wenn ein Bankräuber eine Million Euro klaut, dann zur Polizei geht und die Rückgabe von 500.000 Euro anbietet – unter der Bedingung, dafür straffrei zu bleiben. Die SPD-regierten Länder lehnen das Abkommen deshalb ab und werden die Zustimmung im Bundesrat verweigern. Dieses Abkommen würde auf lange Sicht einer risikolosen Umgehung deutscher Steuergesetze Tür und Tor öffnen - zum Schaden der Allgemeinheit. Und die Sicherung der Anonymität bei gleichzeitigem (weitestgehendem) Verbot von CD-gestützter Ermittlungstätigkeit ist geradezu eine Einladung, unversteuertes Geld in der Schweiz anzulegen.Bevor Deutschland durch ein schlechtes Verhandlungsmanagement bei internationalen Verträgen noch mehr Schaden nimmt, sollten wir gemeinsam für Regeln eintreten, die die im Abkommen erwähnte „effektive Besteuerung“ wirklich sicherstellen und die das Ermitteln von Tätern gewährleisten, die dem Gemeinwesen einen hohen Schaden zufügen.Die Länder, die als Mitgeschädigte bei Einkommen- und Umsatzsteuerbetrug und als Hauptgeschädigte bei Erbschaft- und Schenkungsteuerhinterziehung ein hohes Interesse an einer effektiven, also gerechten und in die Zukunft gerichtet wirksamen Bekämpfung der Steuerflucht haben, waren an den Verhandlungen trotz wiederholter Forderung nicht beteiligt.“Ralf Stegner: „Es ist bekannt, dass die Steuerehrlichkeit nicht zunimmt, wenn das Risiko, entdeckt zu werden, entfällt. Wenn CDU und FDP diesen Weg weitergehen, wird ihnen wenig übrig bleiben als die zur Kasse zu bitten, die sich nicht wehren können, und bei jenen zu kürzen, die bei ihnen keine große Lobby haben.Kürzungen an den Schulen, die Streichung des kostenlosen Kita-Jahres, die Kürzung des Blindengeldes sind angeblich alternativlos. Gleichzeitig schreibt Herr Wiegard für Schleswig-Holstein fast 1 Mrd. Euro (Schleswig-Holstein-Anteil an den 50 Mrd. €) in den Wind und rühmt sich, dadurch rund 200 Mio. € (bundesweit 10 Mrd. €) zu sichern, wobei die Expertenschätzung nur von 31 Mio. € (bundesweit 1,6 Mrd. €) ausgeht. CDU und 4FDP setzen sich wieder einmal als Schutzmacht für eine nicht unbedeutende wohlhabende Wählerklientel ein, nämlich für alle, die ihre Steuern nicht schon auf dem Lohn- und Gehaltszettel abgezogen bekommen, sondern ihr Einkommen nachträglich versteuern können und die Möglichkeit genutzt haben, unversteuertes Geld beiseite zu schaffen. Der Finanzminister verkauft dadurch schleswig-holsteinische Interessen für ein Linsengericht. Das ist keine verantwortliche Finanzpolitik – weder unter finanziellen Gesichtspunkten, noch unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit, insofern jedoch eine konsequente Fortführung der CDU-Politik. Steuergeschenke für Hoteliers, für die Fernhalteprämie auf der einen Seite und Kürzungen bei Vereinen und Verbänden auf der anderen Seite. Es ist gut, dass wir eine solche Politik in Kürze beenden können.“