Lothar Hay zu TOP 20 + 65: Eine bäuerliche Landwirtschaft erhalten und stärken!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 22. März 2012TOP 20 + 65, Anträge und Bericht zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (Drucksachen 17/1939; 17/2153; 17/2327)Lothar Hay:Eine bäuerliche Landwirtschaft erhalten und stärken!Die Intensivhaltung führt in vielen Bundesländern zunehmend zu Problemen. Intensivtierhaltungsanlagen mit industriellen Produktionsweisen verdrängen die bäuerliche Landwirtschaft und die regionalen Wirtschaftskreisläufe. Diese Anlagen führen zu einem Strukturwandel im ländlichen Raum; neue Transportwege werden benötigt, Staub- und Keimimmissionen treten verstärkt auf.Viele Kommunen fürchten um die Attraktivität ihrer ländlichen Räume für andere Ansiedlungen oder als Erholungsgebiet. Bürgerinnen und Bürger vor Ort engagieren sich gegen diese Entwicklung, nicht nur in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, sondern zunehmend auch in Schleswig-Holstein. Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, für den ich mich bedanke, zeigt deutlich die Handlungsfelder für die Landespolitik auf.Auf viele Bereiche des Berichtes werde ich nicht eingehen, z. B. Antibiotikaeinsatz / Tiergesundheit.In dem Ursprungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen, der zu diesem Bericht geführt hat, geht es um die negativen Auswirkungen der Privilegierung landwirtschaftlicher Gebäude nach § 35 Bundesbaugesetzbuch. Und hier muss man ansetzen, wenn man die Entwicklung stoppen 2will. Es reicht nicht aus, künftig die Privilegierung großer gewerblicher Tierhaltungsanlagen im Außenbereich zu begrenzen und sie an die Aufstellung eines Bebauungsplanes zu knüpfen.Derzeit sind Intensivtierhaltungsanlagen nicht nur durch den § 35 privilegiert, sondern auch durch unzureichende immissionsschutzrechtliche Vorschriften. Die in der 4. Bundesimmissionsschutzverordnung genannten Bestandsobergrenzen sind zu überprüfen und aus meiner Sicht nach unten zu verändern. Konkret heißt das: Genehmigungsverfahren mit und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung schon bei weniger Tieren.Generell gilt nach dem BIMSchG, dass der „Stand der Technik“ immer eingehalten werden muss, unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die TA-Luft ist zu überarbeiten und so zu verändern, dass Tierhaltungsanlagen mit wirksamen und geeigneten Abluftreinigungsanlagen ausgestattet sind. Ziel muss es sein, neben Staub und Gerüchen gleichzeitig die Emission von Bioaerosolen zu mindern. Das muss auch mit einer Nachrüstungspflicht verbunden werden. Wichtig ist auch, dass bei den Genehmigungsverfahren für den Bau von Intensivtierhaltungsanlagen ein schlagspezifischer Flächennachweis für eine ordnungsgemäße Verwertung von Wirtschaftsdünger (wie z. B. Gülle und Mist) erbracht werden muss.Die Probleme, die es jetzt schon in Niedersachsen mit dem Geflügelmist gibt, müssen uns Warnung genug sein. Der Druck auf Schleswig-Holstein, zusätzlich Flächen für Intensivtierhaltungsanlagen zur Verfügung zu stellen, wird zunehmen.Ursprünglich wollte der Gesetzgeber durch die Ausnahmeregelung im Baugesetzbuch die Entwicklungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Betriebe unterstützen. Das muss auch in Zukunft möglich sein, dafür brauchen wir aber eine Präzisierung der Definition des Begriffs der Landwirtschaft in § 201 Baugesetzbuch. Die bisherige Definition, dass das für den Betrieb benötigte Futter zu mehr als 50% auf betrieblichen Flächen erzeugt werden kann, hat die von mir kritisierte Entwicklung nicht verhindern können.An der Privilegierung unabhängig von der Tierzahl festzuhalten, halte ich für problematisch. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen bei der Neufassung des § 201 BauGB auch tierschutzrechtliche Fragen und die artgerechte Tierhaltung. Bei Intensivtierhaltungsanlagen sind durch eine Neufassung des § 35 BauGB den Kommunen praktisch wirksame, effektiv 3handhabbare planungsrechtliche Möglichkeiten zur Steuerung und auch zum Ausschluss solcher Anlagen zu geben.Wir wollen in Schleswig-Holstein auch in Zukunft eine bäuerliche Landwirtschaft erhalten und stärken und ihr Möglichkeiten zur Weiterentwicklung geben. Gerade weil die Landwirtschaft staatliche Transferleistungen erhält, müssen die Ansprüche an eine tier- und umweltgerechte Landwirtschaft steigen. Subventionen können so als gesamtgesellschaftlich gewünschte Leistungen besser legitimiert werden.