Bernd Heinemann zu TOP 45: Gemeinsam menschlichen Weg der Hilfe finden!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 24. Februar 2012TOP 45, Menschenrecht auf medizinische Versorgung für Menschen ohne Papiere (Drucksache 17/2282 und 17/2313)Bernd Heinemann:Gemeinsam menschlichen Weg der Hilfe finden!Die Würde des Menschen ist unantastbar und wie kaum in einem anderen Bereich kommt das bei unserem intimsten Befinden zur Bedeutung. Menschenrechte dieser Dimension sind unveräußerlich. Dies steht in einem besonderen Widerspruch zu einer in der mobilisierten, globalisierten Welt besonderen und in Europa einmaligen Praxis der Deutschen, nämlich dass illegale Einreise und Aufenthalt hier Straftaten sein können.Dementsprechend hoch sind hier die normativen Kontrollmechanismen auf den institutionellen Ebenen. Das darf uns als humane und menschliche Gesellschaft nicht davon abhalten, unserer besonderen Fürsorgepflicht gegenüber jedem Menschen, der sich bei uns aufhält, Geltung zu verschaffen.Im Ergebnis stecken wir in einem Dilemma. 1973 wurde in Deutschland die UN-Konvention über ökonomische, soziale und kulturelle Rechte unterschrieben. In Artikel 12 wurde das Recht des Menschen auf den höchsten erreichbaren Gesundheitszustand festgeschrieben. Medizinische Einrichtungen und ärztliche Betreuung müssen insbesondere für schutzbedürftige Gruppen der Bevölkerung zugänglich sein, so der Tenor.Zur Umsetzung dieses Rechtes gibt es das Asylbewerberleistungsgesetz, also alles klar für Menschen ohne Papiere, jedoch das schließt u. U. dann auch die Abschiebung mit ein, wenn 2die Sozialbehörden, zu denen auch Gesundheitsämter und öffentliche Krankenhäuser gehören, unverzüglich nach § 87 des Aufenthaltsgesetzes Meldung machen müssen.Bei der ethnischen Gruppe der Roma beispielsweise, von der allein auf dem Ostufer Kiels ca. 400 Menschen als EU-Staatsbürger unter z. T. erbärmlichen Umständen leben, bedeutet die Nichtbezahlung - oder juristisch ausgedrückt: die „Erschleichung“ - medizinischer Leistungen ggf. auch die Ausweisung.Soziale Leistungen dürfen von EU-Bürgern ohne selbst erworbenen Leistungsanspruch nicht ohne weiteres in Anspruch genommen werden. Trotzdem wissen wir, dass Roma in ihrem Heimatland durchaus verfolgt oder benachteiligt werden. Auch das ist ein Dilemma für uns. Und diese Situationen führen dann oft dazu, dass die Menschen, die sich so bedroht fühlen, Diagnosen und Behandlungen bis zur lebensbedrohlichen Notlage verschleppen.Auch die Gefahren für die öffentliche Gesundheit im Fall von ansteckenden Krankheiten wie Tbc, AIDS u. a. dürfen von uns nicht übersehen werden. Damit müssen wir uns befassen, und zwar angemessen und umfassend, das möchte ich betonen, und das ist uns Sozialdemokraten wichtig. Wir erwarten vom Gesundheitsminister hier eine klare Aussage.Der Antrag der LINKEN ist nach unserer Auffassung weder Ziel führend noch umfassend. Ziel führend ist er nicht, weil er ausschließlich auf einen anonymen Krankenschein fokussiert, mit ungeklärter Finanzierung. Denn der Staat darf den rechtswidrigen Zustand selbst nicht fördern, hat sich aber andererseits zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet. Umfassend ist der Antrag deshalb nicht, weil er beispielsweise die benannte EU-Problematik nicht erfasst.Wir Sozialdemokraten können uns auch andere Modelle einer qualifizierten medizinischen Versorgung oder deren Sicherstellung vorstellen. So zeigen Projekte und anonyme Sprechstunden wie schon in Bremen, Frankfurt, München und anderswo, dass es andere Wege gibt. Wir können uns auch einen Fonds vorstellen, der die Versorgung durch außerstaatliche Organisationen und Einrichtungen, die es z. T. schon in Schleswig- Holstein gibt, sicherstellt.Die Schaffung eines Fonds für Nichtversicherte in der Rechtsform einer Stiftung wäre als Instrument zur Finanzierung der Kosten der medizinischen Versorgung vielleicht sinnvoll, 3falls dafür wie z.B. in den Niederlanden auch öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt würden. Im Rahmen der Prävention von ansteckenden Krankheiten könnten sich dann sogar gesetzliche Krankenversicherungen beteiligen, um ihre Versichertengemeinschaft zu schützen. Wir brauchen neue gut durchdachte Lösungen; private Spenden allein reichen dafür nicht aus.Direkte Leistungen können diese Krankenkassen ohnehin auch dann nicht erbringen, wenn die Menschen ohne Papiere beschäftigt und krankenversichert sein wollten. Da die Kassen Anstalten des öffentlichen Rechts sind, landen die Daten sofort auch bei der Ausländerbehörde.Ein weiterer Weg könnte die Erweiterung des Gesundheitsdienstgesetzes sein, wodurch die Aufgaben der Gesundheitsämter auf weitere Infektionskrankheiten ausgeweitet werden würden und dann im Rahmen der ärztlichen Schweigepflicht eine geschützte Behandlung sorgenfrei durchgeführt werden könnte. Der Gesundheitsminister kann uns sicher auch dazu etwas sagen.Wir wollen uns jedenfalls nicht voreilig auf eine verengende Beschreibung einlassen, die wichtige Akteure schon im Antrag unerwähnt lässt. Warum Ärztekammern, warum nicht Leistungserbringer und Leistungsträger an den Tisch bringen und einen tragenden Rettungsschirm für das Dilemma suchen? Lassen Sie uns einen gemeinsamen menschlichen Weg der Hilfe finden.