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24.02.12
15:02 Uhr
Linke

Antje Jansen zu TOP 32: Einheitliche Standards für einen besseren Schutz von Pflegekindern

Rede von Antje Jansen zu TOP 32: Einheitli- Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin che Standards/Schutz von Pflegekindern DIE LINKE Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag Düsternbrooker Weg 70 56/2012 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 Kiel, 24. Februar 2012 presse@linke.ltsh.de
www. linksfraktion-sh.de


Antje Jansen zu TOP 32: Einheitliche Standards für einen besseren Schutz von Pflegekindern
„Frau Präsidentin, meine Damen und Herren.
Über eines brauchen wir hier ganz gewiss nicht streiten: Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um einen neuen Fall Chantal zu verhindern. Und trotzdem müssen wir uns darüber im Klaren sein: Wir kön- nen die Maßstäbe an die Auswahl von Pflegeeltern, an ihre Betreuung und auch Kontrolle noch so hoch setzen – eine völlige Sicherheit werden wir damit nicht erreichen.
Solange Pflegeeltern notwendigerweise Menschen sein werden, kann an jedem Tag irgendwo in unserem Land ein mit dem Fall Chantal vergleichbares Ereignis eintreten. Trotzdem dürfen wir das nicht als natürli- ches Restrisiko betrachten und die Hände in den Schoß legen.
Wenn ein Pflegekind zu Tode kommt, dann haben wir allen Anlass, zu prüfen, ob unser Auswahl- und Be- treuungssystem Lücken hat. Aber wir müssen nicht nur die vorhandenen Standards und Maßstäbe hinter- fragen. Die sind erst einmal nur Papier. Wir müssen auch klären, ob die Wirklichkeit unseres Pflegekinder- wesens mit den gesetzten Standards mithalten kann.
Die Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein haben ‚Empfehlungen für fachliche Standards für das Pflegekinderwesen in Schleswig-Holstein‘ erarbeitet. Wie gesagt handelt es sich um Empfehlungen. Aber die kommen nicht aus dem luftleeren Raum, sondern gehen zurück auf die Vorarbeit des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Und die damit vorliegenden Standards sind umfassend. Sie sind fachlich, sorgfältig und differenziert.
Das gilt auch für den Teil der Empfehlungen, der sich mit der Auswahl, Qualifizierung und Betreuung von Pflegeltern beschäftigt. Auf dem Papier ist schwer zu sehen, was man mehr tun könnte.
Das befreit diese Standards nicht von der Notwendigkeit, sie regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und weiter zu entwickeln.
Aber die erste Hauptfrage ist doch: Können wir verbindlich einheitliche Standards in Schleswig-Holstein festlegen? Und schon die zweite Hauptfrage ist dann: Wie kriegen wir zuverlässig die Umsetzung und An- Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de wendung dieser Standards hin? Und das führt uns zu den Beschäftigten in den Jugendämtern oder bei den beauftragten freien Trägern. Wir müssen eben nicht nur die Standards setzen, sondern wir müssen auch sicherstellen, dass die Betreuungsschlüssel deren Umsetzung auch zulassen. Notwendig ist die Ausstattung der Pflegekinderdienste mit genügend Personal.
Nach unserer Kenntnis sind die Kolleginnen und Kollegen, die diese Arbeit machen, gut qualifiziert und hoch motiviert. Aber viele von ihnen sind bis an die äußerste Belastungsgrenze und darüber hinaus beans- prucht. Wenn ein Mitarbeiter im Pflegekinderdienst sich faktisch um 82 Kinder kümmern muss, dann ist es kein Wunder, dass es zu Aussagen kommt wie dieser: ‚Dieser Betreuungsschlüssel liegt jenseits aller fachli- chen Gebote. Die gesetzlichen Rechtsansprüche sind nur bedingt zu erfüllen. Insbesondere ergeben sich daraus auch Risiken in der Wahrnehmung des Kinderschutzes‘. Und das muss ganz klar gesagt werden: Das ist dann eine Frage des Geldes. Ob Sie das hören wollen oder nicht. Ob Sie sich zuständig fühlen oder nicht. Das ist eine Frage der kommunalen Finanzen.
Wenn heute finanzklamme Kommunen die sogenannte Aufgabenreduzierung auf die Tagesordnung setzen, dann bedeutet das eine Reduzierung von gesetzlichen Aufgabenerfüllungen auf das äußerste Minimum. Das heißt aber nichts anderes als eine faktische Standardabsenkung – denn hier wird in der Not das letzte Quentchen Luft aus den Personalschlüsseln herausgequetscht.
Die notwendige Folge ist die Überlastung der Beschäftigten. Die Einhaltung von Standards wird über die Knochen der Beschäftigten ausgetragen. Im System fehlen zunehmend die Reserven. Wenn überlastete Kol- legen durch Krankheit ausfallen, dann müssen andere, die ja nicht weniger überlastet sind, ihre Arbeit mit erledigen. Da muss man sich nicht wundern, wenn Hausbesuche auf die lange Bank geschoben werden. Da passiert es dann eben, dass Elterngespräche im Fließbandverfahren abgewickelt werden. Und das nicht aufgrund mangelnder Motivation von Mitarbeiter_innen – sondern aus schierer Zeitnot. Dieser Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht. Und bis sich dann ein großes Geschrei erhebt. Hier liegt das eigentliche Problem. Und nicht in der bloß noch rechnerischen Einhaltung von Betreuungsschlüsseln, die nicht mehr sind als ein statistischer Durchschnitt.
Auch das gehört zu unserer Verantwortung. Wer gute Arbeit leisten soll – und das wollen die Beschäftigten – der braucht Arbeitsbedingungen, die die Luft zum Arbeiten lassen. Hier müssen mehr Geld und mehr Per- sonal ins System. Das ist wichtiger als die Formulierung theoretischer Standards.
Wir LINKE unterstützen den von der SPD gestellten Antrag für die Entwicklung und Weiterentwicklung von einheitlichen Standards. Aber wir wollen auch, dass die Bedingungen der Umsetzung dieser Standards zum Thema dieser Debatte werden. Kinder und Pflegekinder müssen in der Wirklichkeit geschützt werden. Vie- len Dank.“



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