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24.02.12
11:00 Uhr
B 90/Grüne

Robert Habeck zur Bildungsdebatte im Landtag

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort! Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 25, 28, 31,33,34,36,37 – Bildung Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der Vorsitzende Telefon: 0431 / 988 - 1503 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fax: 0431 / 988 - 1501 Robert Habeck: Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 116.12 / 24.02.2012

Doppelter Defizitabbau: im Haushalt und in der Bildung
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
die heutige Debatte steht spiegelbildlich zu der Finanzdebatte von Mittwochnachmittag. Diese war umkämpft und heftig und während und nach der Debatte hat mancher, ich auch, sich hinreißen lassen, seinen Zorn in Worte zu fassen. Das ist selten hilfreich. Ich will versuchen, zum sachlichen Kern der Auseinandersetzung zurückzukommen.
Meine Damen und Herren, weil beide Debatten zueinander gehören, lassen Sie mich nochmals feststellen, dass wir uns streng an die Schuldenbremse halten, aber uns die Spielräume für Debatten und Beschlüsse wie heute erhalten wollen – die innerhalb der Schuldenbremse stattfin- det, ich komme darauf zurück.
Wir tun das vor dem Hintergrund, dass wir ein doppeltes Defizit erkennen – das haus- halterische und das der öffentlichen Güter, zu denen als erstes die Bildung zählt.
Der Bildungsminister hat gesagt, dass Familienförderung für ihn die Förderung der ma- teriellen Ressourcen einer Familie sei. Als Vater sage ich Ihnen, die Förderung meiner Familie ist für mich eher eine gute Kita, eine gute Schule, LehrerInnen, die Lust auf Un- terricht haben, als der Besitz von materiellen Ressourcen.
Die Kernfrage für die politische Herausforderung ist kein Gegensatz. Die Kernfrage lau- tet nicht "charakterloses Schuldenmachen" oder "kurzsichtiges Kaputtsparen"? Sondern die Kernfrage lautet, wie beides, Abbau der Neuverschuldung und Investitionen in Bil- dung und öffentliche Güter auszutarieren sind.
Seite 1 von 4 Und das ist eine große Herausforderung. Und da gibt es auch keine einfachen Antwor- ten. Und der Wettstreit über die Ideen zur Haushaltsfinanzierung und die Alternativen für kluge Investitionen sind Salz und Pfeffer der politischen Auseinandersetzung.
Die Schuldenbremse war für mich immer Ausdruck dieser Logik. Sie beschreibt einen Pfad, den einzuhalten schwierig genug ist, aber den einzuhalten beide Seiten des Hau- ses zwingt, die eigene Programmatik zu überprüfen.
Die, die es gern wollen, können nicht mehr so viel Geld ausgeben, die, die gern weniger Steuern hätten, können das auch nicht mehr wollen. Und so waren die letzten zwei Jah- re und sie waren ein Lernprozess. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist deshalb die Geschäftsgrundlage jeder seriösen Politik und jeder Landesregierung in den nächsten Jahren.
Und wenn wir für die nächsten Jahre aufgrund der geringeren Kreditaufnahme und des geringeren Zinssatzes mehr Luft haben, dann heißt das nicht, dass wir sie vollständig verbrauchen. Ich sage das ausdrücklich an die Adresse der SPD gerichtet, deren teure Wahlversprechen ja nicht seit vorgestern weg sind.
Wir Grüne haben bei unserer Programmaufstellung mit uns gerungen und mit einander gerungen, wo wir überall keine finanzwirksamen Versprechen machen können. Letztlich ist als größerer Block nur der Bildungsbereich übrig geblieben und selbst da haben wir nur die Zusage bis 2015 gemacht, die demographische Rendite im System zu halten. Und ich werde im Wahlkampf nichts anderes versprechen.
Wenn wir schneller von der Neuverschuldung runter kommen, dann, umso besser. Ein doppeltes Defizit – Haushalt und Bildung – auszugleichen – ist ein Balanceakt.
Nun haben ein schnellerer und ein etwas langsamerer Konsolidierungspfad jeweils be- stimmte Konsequenzen, bestimmte Vor- und Nachteile, aber beide sind grundsätzlich legitime Politikangebote, zwischen denen die WählerInnen die Wahl haben.
Eine Konsequenz der Debatte von Mittwoch ist, dass Sie die Lehrerstellen nicht als zu- rück dem Bildungssystem zur Verfügung stellen wollen, sondern nur als Vertretungs- stellen. Sie streichen also feste Stellen und geben sie dann als Vertretung. Uns er- scheint das nicht richtig und nicht nachhaltig. Für Sie muss das so sein, weil Sie nicht wissen, wie Sie die Debatte von Mittwoch in die Tat umsetzen sollen.
Eine zweite Konsequenz ist, dass Sie nur die Hälfte der Mittel zurückgeben wollen, die Sie insgesamt einkassieren. Sie haben ja schon zu dem Schuljahr 2011/12 300 Stellen gestrichen und ab 2012/13 sollen nochmals 300 dazu kommen. Ihr 14 Mio. Euro Vertre- tungsfonds umfasst aber ab 2013 nur eine der beiden Tranchen.
Sie stellen also nicht „mehr LehrerInnen“ zur Verfügung, sondern Ihr Verband ist nur halb so groß, wie die Wunde, die Sie gerissen haben.
Und dass wir an anderer Stelle im Bildungssystem auch große Bedarfe haben, muss ich wohl nicht erwähnen.
Drittens sind die Äußerungen, was denn für ein gutes Bildungssystem notwendig wäre, auf Ihrer Seite durchaus changierend. Da sind die diversen FDP-Äußerungen. Aber auch Jost de Jager sprach vor zwei Monaten im Hamburger Abendblatt noch davon, dass es „Probleme bei der Unterrichtsversorgung“ gibt. Aber natürlich gibt es auch el-
2 lenlange Ausführungen vor allen Dingen von Frau Franzen, wie toll das Bildungssystem ausgestattet ist.
Wir haben seit Beginn der Debatte gefordert, über einen Nachtragshaushalt die 300 ge- strichenen LehrerInnen vor allen Dingen für Differenzierungsstunden und Fortbildung wieder einzustellen. Das war auch die Forderung des FDP-Parteitags. Das, was Sie als Schuldenmacherei bezeichnen, war genau die Forderung.
Und wir haben diese Forderung mit der nach einem Nachtragshaushalt verknüpft, damit die jungen LehrerInnen in Schleswig-Holstein eine Perspektive bekommen und die Schulen Planungssicherheit.
Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses von FDP und CDU sind hingegen völlig un- verbindlich. Ein Koalitionsausschuss am Ende der Legislatur, der für die nächste ent- scheidet, ist ungefähr so relevant, als hätten sich SSW und Linke zusammengesetzt und sich etwas versprochen. Er hat allein deklamatorischen Charakter.
Während wir also seit dem Beginn der Debatte sowohl im Bildungsbereich wie im Fi- nanzbereich mit einer Stimme gesprochen und entlang einer Argumentationslinie ver- fahren sind, hat sich mindestens die FDP mehrfach verwandelt, sich letztlich aber der CDU-Politik unterworfen. Das ist schade. Und es zeigt, liebe FDP, dass man innerhalb der Schuldenbremse sehr wohl so oder so mit veränderten Rahmenbedingungen um- gehen kann.
Wir sollten also aufhören, uns innerhalb des Rahmens "Schuldenbremse" gegenseitig Unredlichkeit oder Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen. Denn auch die Regierung weicht ja ihrerseits den Konsolidierungspfad auf und schaffte mit zusätzlichen Ausga- ben zusätzliche Schulden und Zinsen, in diesem Fall für Straßenbau.
Die Debatte über die Schuldenbremse ist eine über das richtige Lot zwischen Ausgaben und Einsparen, eine Debatte über das richtige Austarieren.
Da unterscheiden wir uns in der Tat. Aber seit der Einbringung des Doppelhaushalts sind wir unserer Linie treu geblieben.
Sie haben sich seit vorgestern entschieden, diese Linie, die uns ja eigentlich gar nicht trennt, zu diskreditieren. Und wir wollten uns nicht diskreditieren lassen, weil uns diese Linie viel innerparteiliche und gesellschaftliche Mühe gekostet hat.
Wir haben sie gegen rote Wünsche und ungedeckte Versprechen verteidigt, wir werden sie auch gegen schwarze Unterbietungen und Verbalradikalismen verteidigen.
In Wahrheit geht es im Wahlkampf um eine Abwägung, um ein Austarieren, nicht um die Vereinseitigung. Deshalb ist der behutsamere Konsolidierungspfad der seriösere Weg: Er ist haushalterisch vorsichtiger, heißt konservativer, falls sich die Ausgabenbe- grenzung schwieriger und die Einnahmenentwicklung geringer entwickelt als heute an- genommen, was angesichts der anhaltend unsicheren politischen Großwetterlage ja durchaus passieren kann.
Der Regierungsentwurf ist letztlich auch nur ein unsicherer Wechsel auf die Zukunft; dass dieser Wechsel platzt, ist wahrscheinlicher als der Wechsel, den der Oppositions- entwurf ausstellt. Sollten sich die Einnahmen und Ausgaben dennoch positiver als ge- dacht entwickeln, kann man immer noch politisch verhandeln, ob dies zur schnelleren
3 Schuldenreduktion oder für Zukunftsinvestitionen genutzt wird. Und vermutlich wird auch das dann ein Austarieren sein. Wir meinen, mit dem Nachtragshaushalt für 300 Lehrerstellen haben wir das doppelte Defizit einigermaßen austariert. Und unser Antrag ist für 2012 die vertretbare und politisch sinnhafteste Antwort, weil die Stellen im Unter- schied zu Ihnen im System bleiben.
Ich weiß, dass Sie dem nicht zustimmen können. Können Sie nämlich in der Tat nicht, weil Sie sonst am Mittwoch falsch argumentiert haben. Und deshalb waren wir am Mitt- woch so sauer, weil wir nämlich am Freitag der Bildung in Schleswig-Holstein helfen wollten. Sie müssen nun ablehnen, weil Sie sich die Spielräume für politische Entschei- dungen genommen haben. Ich bedaure das, nehme es als Streit um die klügere Politik an und werde mich bemühen, es in Zukunft mit gebremstem Schaum zu kommentieren.
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