Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 57: Von Gewalt betroffene Frauen brauchen eine Lobby!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 23. Februar 2012TOP 57: Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt (Drucksache 17/2059 und 17/2139)Siegrid Tenor-Alschausky:Von Gewalt betroffene Frauen brauchen eine Lobby!Viereinhalb Seiten Text umfasst der Bericht der Landesregierung zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt. Auch das zeigt die Wertigkeit, die die Landesregierung dem Thema beimisst!553.000 Euro weniger als im Vorjahr werden für die Finanzierung der Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen zur Verfügung gestellt; 48 Frauenhausplätze abgebaut. Das AWO- Frauenhaus in Lübeck ist geschlossen, das Frauenhaus Wedel hat es durch ein beispielloses Engagement geschafft, die Existenz für das Jahr 2012 durch Spenden zu sichern. Ein Zeichen nicht nur für das Engagement der Frauenhausfrauen sondern auch für die Bereitschaft gesellschaftlicher Gruppen, Unternehmen und vieler, vieler Einzelpersonen sich für die Rettung des Frauenhauses in Wedel einzusetzen.Und was können wir dem Bericht der Landesregierung entnehmen? Man habe ein Förderkonzept erarbeitet, das die Sicherstellung der flächendeckenden ambulanten und stationären Hilfsangebote für Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen sind, und deren Kinder zum Gegenstand habe. Und, ich zitiere wörtlich: „Die neu verfassten Richtlinien treten nach einem umfassenden Beratungs- und Beteiligungsprozess zum 1. Januar 2012 in Kraft.“Dieser hier so genannte „umfassende Beratungs- und Beteiligungsprozess“ muss den Betroffenen als Hohn erscheinen. Die Verkündung, dass zwei Häuser geschlossen werden, weil man über eine halbe 2Million Euro einsparen wolle, kann doch wohl nicht ernsthaft als fachlicher Diskurs und ergebnisoffener Dialog betrachtet werden!Das Autonome Frauenhaus Lübeck hat ausweislich des Berichts der Landesregierung seit Oktober 44 Frauen mit 52 Kindern abgewiesen, da die Grenze der Aufnahmefähigkeit erreicht war. Die „Lösung“ der Landesregierung: Man müsse die Frauenhausplätze landesweit im Fokus haben und eine gleichmäßige Auslastung gewährleisten. Was heißt das für die Betroffenen: Flucht weit weg aus Lübeck, auch wenn dort die Kinder verwurzelt sind, wenn es für die Frauen noch ein familiäres oder soziales Netzwerk gibt, das ihnen in der schwierigen Situation zur Seite stehen könnte. Wer Kinder hat, weiß, welche Auswirkungen Kitawechsel, Schulwechsel, Verlust des Freundeskreises für sie schon durch einen einfachen Umzug haben. Um wie viel mehr leiden Kinder aus einer derart belasteten Familiensituation, aus der Frauen nur noch die Flucht ins Frauenhaus sehen!Wir haben das Thema hier ja schon mehrfach diskutiert, aber nach wie vor wird von der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen nicht anerkannt, dass landesweit Angebote zwar notwendig sind, in besonders belasteten Ballungsräumen mit entsprechender Sozialstruktur aber wesentlich häufiger nachgefragt und aufgesucht werden.Ist den einen von Gewalt betroffenen Frauen die Nähe zum alten Wohnort wichtig, müssen andere wegen der besonderen Gefährdung ihren Wohnort verlassen und ein Frauenhaus in einem anderen Bundesland aufsuchen. Das führt dazu, dass Hamburgerinnen Frauenhäuser im Hamburger Randgebiet aufsuchen, ebenso wie Schleswig-Holsteinerinnen die größere Anonymität Hamburgs als notwendig für ihren Schutz erachten. Fachlich besteht eigentlich kein Dissens, dass in etlichen Fällen häuslicher Gewalt die Unterbringung in einem anderen Bundesland erforderlich ist.Sind die Frauenhäuserplätze wie in Schleswig-Holstein und Hamburg zuwendungsfinanziert, ist eine Kostenerstattung für ortsfremde Frauen nach §36 a SGB II bisher nicht möglich. Das Problem ist altbekannt, man sollte an einer Lösung im beiderseitigen Interesse arbeiten.Aber wie lautet die Antwort der Landesregierung? „Verhandlungen von Schleswig-Holstein mit Hamburg über Ausgleichszahlungen für die Aufnahme von Frauen und ihren Kindern aus Hamburg in schleswig-holsteinischen Frauenhäusern hat es im Sinne der Fragestellung nicht gegeben.“ Hamburg habe am 26. November 2010 zum Ausdruck gebracht, das es keine Leistungen erbringen werde. 3Wie soll man diese Aussage bewerten? Als Desinteresse, das Problem zu lösen, sich für die Frauenhäuser am Hamburger Rand einzusetzen oder als Ignoranz, wenn man seitens der schleswig- holsteinischen Regierung nach dem erfolgten Regierungswechsel in Hamburg nicht schnellstmöglich erneut das Gespräch sucht.Die Menschen erwarten von Politikerinnen und Politikern, dass sie reale Probleme lösen und nicht hier wie in vielen anderen Bereichen nicht einmal gesprächsbereit sind. Ich erinnere nur an die Ablehnung von CDU und FDP, dss Gesprächsangebot der Hamburger Bürgerschaftspräsidentin zur Vorbereitung eines gemeinsamen Ausschusses überhaupt anzunehmen.Stattdessen wartet man auf das Ergebnis einer Prüfbitte der 21. GFMK, wie eine bundesweite Kostenerstattungsregelung auch für zuwendungsfinanzierte Frauenhäuser ermöglicht werden könne. Das hilft nicht bei den akuten Problemen in Lübeck und in Wedel. Von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder haben in der derzeitigen Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen keine durchsetzungsfähige Lobby!Aber zum Glück kommt der Mai bald!