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23.02.12
18:09 Uhr
SPD

Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 19: Vollzugsziel Resozialisierung muss Priorität haben

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 23. Februar 2012



TOP 19: Große Anfrage „Mädchen und Frauen im Strafvollzug des Landes Schleswig-Holstein“ (Drucksache 17/2139)



Siegrid Tenor-Alschausky:
Vollzugsziel Resozialisierung muss Priorität haben


Aus der Fülle der Einzelthemen lassen sich im Rahmen der Redezeit nur einige Aspekte näher betrachten. Zunächst das Positive: Frauen werden signifikant weniger straffällig als Männer, der Anteil der weiblichen Strafgefangenen beträgt in den letzten Jahren nur rund 4 Prozent an der Gesamtzahl; die absoluten Zahlen für 2011: 1.069 männliche Strafgefangene, nur 44 weibliche! Auch die Strafdauer ist bemerkenswert: 2011 verbüßen nur zwei Frauen eine Strafe über fünf Jahre. Insgesamt begehen Frauen jedoch weniger schwere Delikte.
Welche Delikte wurden begangen? Auf die Deliktgruppe gewaltfreier Eigentums- und Vermögensdelikte entfallen 50 Prozent, wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz waren 20 Prozent, wegen Raubes ca. 10 Prozent inhaftiert. Eine Frau verbüßt eine Haftstrafe wegen Totschlags.
Die Antworten der Landesregierung auf entsprechende Fragen lassen den Schluss zu, alles sei bestens. Die Hafträume gut, Personal ausreichend vorhanden, das Konzept des Abteilungssystems habe sich bewährt. Aber was heißt die Aussage, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten daran, „den Anliegen der Gefangenen mit den Möglichkeiten der Anstalt und der externen Fachdienste gerecht zu werden“? Für die Betreuung steht eine Betreuungszeit von ca. 3,7 Stunden pro Frau im Monat zur Verfügung. Ist das ausreichend? Wie wird evaluiert? 2



Denn gleichrangig neben der Sicherung der Allgemeinheit steht das Vollzugsziel Resozialisierung.
Etwa die Hälfte der Frauen ist suchtmittelabhängig. Vielfach ist Beschaffungskriminalität ursächlich für die Inhaftierung. Eine Therapie ist unter den Bedingungen des Vollzuges nicht möglich. Reicht die Perspektive einer Therapie im Anschluss an die Haft aus oder müssen hier nicht andere Wege zur Resozialisierung beschritten werden? Ist eine drogenfreie Anstalt realistisch - wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Der Strafvollzug ist also so auszugestalten, dass persönliche Defizite erkannt und aufgearbeitet werden können, Bildungs- und Berufsabschlüsse erworben werden und soziale Kompetenzen erlernt werden.
Wie sieht es mit dem Erwerb beruflicher Qualifikationen aus? 8 Plätze in EDV-Kursen, die in einzelne Module unterteilt sind, scheinen ein Angebot zu sein, das den Frauen nach Ende ihrer Haft einen Einstieg in ein eigenständiges Berufsleben erleichtert. Aber gilt das auch für die Plätze der „Teilqualifizierung Textil“?
Nun ist es ja so, dass die Landesregierung nur die Fragen zu beantworten hat, die ihr auch gestellt wurden. Im Zusammenhang mit einer beruflichen Qualifizierung fehlt mir hier die Frage nach dem Erfolg der Maßnahmen. Im Klartext: Ermöglichen die im Strafvollzug erworbenen Teilqualifikationen den Frauen eine Erwerbsaufnahme in diesen Berufsfeldern? Werden sie vor ihrer Entlassung entsprechend begleitet und ihnen gegebenenfalls Möglichkeiten eröffnet, auch nach ihrer Haftentlassung ihre berufliche Qualifizierung fortzusetzen? Gibt es ein auf die Bedürfnisse von Frauen abgestimmtes Entlassungsmanagement?
Auf eine entsprechende Frage antwortet die Landesregierung: „Der Behandlungsvollzug ist darauf ausgerichtet, die Reintegration der betroffenen Frauen in die Gesellschaft nach der Haftentlassung zu ermöglichen. Dazu gehört das ganze Spektrum der Maßnahmen, welches auch durch Externe innerhalb des Vollzugs angeboten wird, wie z.B. Therapieanbahnung, Sucht- , Schuldnerberatung, Arbeit und Qualifizierung und, spezifisch für Frauen, das Angebot der Frauenberatungsstelle, die sich hauptsächlich für Missbrauchsopfer engagiert.“ Hier stellt sich uns die Frage, ob diese wichtigen Angebote noch hinreichend finanziell ausgestattet sind. Die 3



Landeszuschüsse an freie Träger wurden seit 2010 drastisch gekürzt, die Kommunen können dieses durch so genannte freiwillige Leistungen nicht mehr auffangen.
Gleiches gilt für Maßnahmen der Kriminalprävention. Einschränkungen z.B. in der offenen Jugendarbeit, lange Wartelisten bei Schuldnerberatungsstellen - all dies kann dazu führen, dass Menschen straffällig werden, was hätte verhindert werden können, wenn ausreichende Präventionsangebote vorhanden gewesen wären.
Einen weiteren Aspekt möchte ich noch aufgreifen: Die Beziehung inhaftierter Mütter zu ihren Kindern. Die Landesregierung verweist auf Besuchsregelungen und darauf, dass bei besonderen Problemlagen der Kinder auf Antrag der Gefangenen außerhalb der üblichen Besuchszeit Sonderbesuch gewährt werden könne. Auch könne es geeigneten Frauen im Rahmen des Freigangs ermöglicht werden, die Betreuung ihrer Kinder tagsüber wahrzunehmen. Diese Antwort klingt gut, doch wie realistisch ist ein solches Angebot für Frauen, die ebenso wie ihre Kinder ihren Wohnsitz nicht in Lübeck haben? In wie vielen Fällen sind den Frauen „geeignet“?
Noch einige Worte zum Gender-Mainstreaming-Ansatz der Behandlung von Frauen im Strafvollzug. Hier greift man auf Maßnahmen und Ansätze zurück, die noch zu Zeiten rot-grüner oder schwarz-roter Mehrheiten initiiert wurden. Und so kann man froh sein, dass hier inhaltlich keine Rolle rückwärts vollzogen wurde.
Es bleibt die Forderung, Maßnahmen zu evaluieren und auch die Bewährungs- und Straffälligenhilfe finanziell so auszustatten, dass die dort Tätigen ihre Aufgaben auch nachkommen können.