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26.01.12
15:23 Uhr
SPD

Dr. Ralf Stegner zu TOP 60: Wir wollen wahre Wahlfreiheit und wahre Eigenverantwortung

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 26. Januar 2012



TOP 60: Bericht zur Eigenverantwortlichkeit von Schulen (Drucksache 17/2138)



Dr. Ralf Stegner:
Wir wollen wahre Wahlfreiheit und wahre Eigenverantwortung

Einen Berichtsantrag stellen Regierungsfraktionen üblicherweise dann, wenn sie der scheidenden Regierung kurz vor den Wahlen die Gelegenheit zum Schaulaufen mit mutmaßlichen Erfolgen geben wollen. Irgendwie funktioniert das bei Ihnen nicht so ganz. Ein Sprichwort sagt ja „Aus Schaden wird man klug“ – in Schleswig-Holstein gilt für die Bildungspolitik leider genau das Gegenteil: Aus Klug folgt Schaden – und das flächendeckend und landesweit.
Der Bildungsminister hat hier weder eine ehrliche Beichte seines prallen Sündenregisters abgelegt, noch einen irgendwie gehaltvollen Bericht über Stand und Perspektiven der schulischen Eigenverantwortung abgeliefert. Die Drucksache besteht aus der Kopie eines Faltblattes plus neun Seiten Paraphrase und Exegese, um es einmal höflich auszudrücken. Nun ist es ja schön, dass sich auch die Landesregierung 2012 schon zum Gedanken der Eigenverantwortung der Schule bekennt. Ich hatte aber gedacht, dass wir uns darüber im Grundsatz schon seit den neunziger Jahren im Wesentlichen einig seien.
Die Maßnahmen, die in diesem Bericht aufgezählt werden, haben keinerlei Neuigkeitswert. Das Instrument „Geld statt Stellen“ hatten wir schon in den neunziger Jahren. Dasselbe gilt für die Vergleichsarbeiten VERA, die interne Evaluation und vieles andere mehr. Andere bewährte Elemente zur Standardsicherung, wie die Evaluation im Team, den Schul-TÜV, haben Sie ja abgeschafft, Sie famoser Entbürokratisierungsminister! Was Sie in Ihrem Bericht aber 2



aussparen, ist die Karikatur schulischer Eigenverantwortung, die Sie mit ihrer unseligen Schulgesetznovelle und diversen Verordnungen und Erlassen geschaffen haben.
Erst nehmen Sie den Gemeinschaftsschulen die dringend notwendigen Differenzierungsstunden weg, also die unverzichtbare Voraussetzung für die Umsetzung des gemeinsamen Lernens. Dann gießen Sie über die Gemeinschaftsschulen das Füllhorn Ihrer ministeriellen Gnade aus und erlauben ihnen, die Außendifferenzierung wieder einzuführen. Wenn man die Lehrerschaft genug „geschulregelt“ hat und dann einige Schulen in ihrer Verzweiflung diesen Weg gehen, werten Sie das als Beweis dafür, dass das Modell „Längeres gemeinsames Lernen“ angeblich nicht funktioniert. Das hat doch mit echter Eigenverantwortung überhaupt nichts zu tun. Das ist die Freiheitslogik von Marie Antoinette, die beim Anblick hungernder Menschen ausgerufen haben soll „Sie schreien nach Brot, warum essen sie keinen Kuchen!“
Ähnlich verhält es sich mit Ihrer sogenannten Wahlfreiheit: Da behindern und beschneiden Sie jede mögliche Oberstufe an Gemeinschaftsschulen und Ihre Wahlfreiheit besteht in den G9- Gymnasien mit oder ohne Y-Quark. Das ist nicht Wahlfreiheit, sondern Bildungschaos pur. Statt flächendeckend G 8 an Gymnasien, G 9 an Gemeinschaftsschulen bzw. Abitur an beruflichen Schulen zu ermöglichen, schränken Sie die Freiheit der Schulwahl massiv ein, verhindern reibungslosen Ortswechsel nun schon im eigenen Land und verschwenden Ressourcen an Sackgassen und Sondermodelle.
Sie haben die Bildungschancen für viele heruntergeschraubt und dazu noch jede Menge Chaos geschaffen. Auf dieser Basis einen Schulfrieden zu fordern, wie Sie das tun, Herr de Jager, beleidigt gelinde gesagt die Intelligenz der Menschen. Ja, wir wollen einen richtigen Schulfrieden, der diesen Namen verdient und das Ende der Strukturdebatten. Aber wir werden nach dem 6. Mai mit Rücksicht auf die Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer und kommunalen Schulträger erst einmal Ihr Chaos beenden müssen. Wir werden wahre Wahlfreiheit und wahre Eigenverantwortung herstellen. Dazu brauchen wir klare Strukturen und auskömmliche Ressourcen. Bildungskosten senken soziale Reparaturkosten. Das steht übrigens nicht im Gegensatz zur Einhaltung der Schuldenbremse in unserer Verfassung, sondern es ist geradezu die Voraussetzung dafür, sie einhalten zu können. 3



Einer der wenigen positiven Aspekte des Bevölkerungsrückganges ist, dass der Druck auf die Sicherung der Unterrichtsversorgung etwas geringer geworden ist. Aber wir können es uns nicht leisten, alle Stellen, die rein arithmetisch durch die zurückgehenden Schülerzahlen entbehrlich werden, aus dem System herauszunehmen. Deshalb war der Kompromiss klug, den wir 2009 mit der Union geschlossen hatten: 50 % der durch den Schülerrückgang rechnerisch frei werdenden Stellen zur Steigerung der Bildungsqualität, 50 % zur Haushaltskonsolidierung.
Das ist seriöse Politik, von der sich erst die Union verabschiedet hat und dann ihr halbstarker Koalitionspartner, der die Zockermentalität vom Glücksspielgesetz auf die Bildungspolitik übertragen hat. Und Sie, Herr de Jager, trotten brav hinterher.
Aber was soll man auch von einem Bildungsminister erwarten, der es schon als tollen Erfolg wertete, als der Koalitionsausschuss von CDU und FDP kurz vor Weihnachten beschloss, er solle sich nach zwei Jahren im Amt doch mal ein genaues Lagebild von der Situation an den Schulen des Landes verschaffen. Das nenne ich wahre Bescheidenheit. Ihre mediale Retourkutsche gestern, Herr Minister Klug, galt entweder Ihrer Führung wegen der fulminanten Unterstützung für Sie beim Listenparteitag. Oder das Lehrerstellenbingo 1.000 – 300 – 453 ist die PR-Offensive einer hyperventilierenden 3 %-Partei drei Monate vor der Wahl.
Man kann diesen Bericht in den Bildungsausschuss überweisen, aber mangels Substanz ist das auch nicht unbedingt notwendig – und in drei Monaten wird es sowieso den Politikwechsel in Schleswig-Holstein geben.