Marion Sellier zu TOP 30 + 62: Weichen stellen für die Mobilität von morgen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 18. November 2011TOP 30 + 62, Personenbeförderungsgesetz nachhaltig gestalten / Barrierefreiheit im Nah- und Fernverkehr (Drucksache 17/1883, 17/1949, 17/1925)Marion Sellier:Weichen stellen für die Mobilität von morgenÜber den Bericht der Landesregierung habe ich mich richtig gefreut. Er zeigt nämlich, dass es Früchte trägt, ein Thema zu „mainstreamen“, also als Querschnittsaufgabe zu betrachten. Barrierefreiheit ist so ein Thema. „Menschen sind nicht behindert, sondern sie werden behindert“, ist ein Slogan, der es in sich hat. Und tatsächlich kann eine Gesellschaft viel dazu beitragen, Teilhabe zur Lebensrealität zu machen. Das gilt für jedes Politikfeld.Heute haben wir das Privileg, darüber zu sprechen, welche Möglichkeiten die Verkehrspolitik hat, Behinderungen zu beseitigen und Mobilität möglich zu machen. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nennt ausdrücklich Infrastrukturmaßnahmen als eines von drei Maßnahmebündeln zur Durchsetzung der Rechte von behinderten Menschen. Ein gut gemachtes Personenbeförderungsgesetz kann hierfür Maßstäbe setzen.Ich möchte nicht wiederholen, was die Landesregierung in ihrem Bericht bereits vorgetragen hat. Die Beseitigung von Behinderungen ist seit vielen Jahren Teil der Verkehrspolitik in Schleswig-Holstein und das muss so bleiben. Mehr als bisher muss der Fokus auf Behinderungen gerichtet werden, die über reine Berollbarkeit von Flächen hinaus gehen:Zügige Vereinfachung von Fahrkartenautomaten, auch mit Sprachausgabe, standardisierte Sprach-Ansagen, groß lesbare Hinweise nicht nur auf dem Bahnsteig, sondern auch in Zügen und echtes menschliches Personal an den Bahnhöfen wären Stichwörter, die wir als SPD gern 2in die Diskussion einbringen würden. Einige dieser Entwicklungen sind bereits angedacht und das begrüßen wir ausdrücklich.Bei der Barrierefreiheit geht es nicht um eine Sozialmaßnahme. Die Vermeidung von Barrieren ist deshalb eine Querschnittsaufgabe, weil behinderte Menschen in allen gesellschaftlichen Belangen eine wichtige Rolle spielen. Gerade in verkehrs- und wirtschaftspolitischen Zusammenhängen wird es vom Zugang zu Infrastruktur abhängen, ob und wie wir alle gesellschaftlichen Gruppen erreichen und alle gesellschaftlichen Ressourcen nutzen können:Die Fähigkeiten und Qualifikationen von Älteren werden ebenso an Bedeutung gewinnen wie die weitere Integration von behinderten Menschen und die Mobilität von Männern und Frauen, die in sehr ländlichen Räumen wohnen.Und damit wir eine Gesellschaft von morgen schaffen können, in der es gerechter, offener, gleichberechtigter und fairer zugeht als heute, brauchen wir Rahmenbedingungen, die dies gewährleisten. Von daher stimmen wir der Forderung des SSW, Umwelt- und Sozialstandards im Nahverkehrsplan zu berücksichtigen, ausdrücklich zu. Ebenso unterstützen wir klare, transparente und verbindliche Regelungen zu Barrierefreiheit und Fahrgastrechten. Beides sind Forderungen, die von den rot-grün regierten Ländern Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bremen zum Personenbeförderungsgesetz in den Bundesrat eingebracht und vom Verkehrsausschuss bereits beschlossen wurden.Schleswig-Holstein ist ein Flächenland. Wir brauchen mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung von Mobilität, damit wir in den Regionen, in denen die Bevölkerung weiter zurückgehen wird, ein hochwertiges, bedarfsgerechtes Angebot aufrecht erhalten können. Wir brauchen Transparenz in jeder Hinsicht.Wir brauchen gleiche Chancen – auch für die Wettbewerber: Nur wenn Fernbusverkehre die gleichen Voraussetzungen erfüllen müssen wie die Bahn und sich darüber hinaus ebenfalls an den Infrastrukturkosten beteiligen müssen, ist eine Zulassung akzeptabel – so lange sie die Versorgung in der Fläche nicht konterkariert. Hierfür sind klare Regeln notwendig. Nicht eine ungesteuerten Liberalisierung, wie sie CDU und FDP im Bund vorsehen und wie sie von unserer Landesregierung schon vorauseilend abgenickt wurde.Der uns jetzt vorliegende Antrag von CDU/FDP ist in meinen Augen nur ein unglücklicher Versuch, den Antrag des SSW so umzuformulieren, das inhaltlich eigentlich nichts mehr übrig bleibt. Der Antrag der Linken gleicht eher einem Wunschzettel, obwohl der eine oder andere 3Punkt zu diskutieren wäre. Wir möchten diese und weitere Themen mit Ihnen im Wirtschaftsausschuss erörtern und beantragen die Überweisung der Drucksachen in den Wirtschaftsausschuss.