Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

Pressefilter

Zurücksetzen
16.11.11
10:32 Uhr
B 90/Grüne

Robert Habeck zur Aktuellen Stunde zum Koalitionsrettungsschirm

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP Aktuelle Stunde – Koalitionsrettungsschirm im Claudia Jacob Bundesrat ablehnen Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Dazu sagt der Vorsitzende Telefon: 0431 / 988 - 1503 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 Robert Habeck: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 620.11 / 16.11.2011 Retropolitik zum Haare raufen
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,
die Aussage, die Anhebung des Freibetrags entlaste vor allen Dingen untere Einkom- men, ist höflich formuliert eine Zumutung. Nach den Berechnungen des Bundes der Steuerzahler profitiert einE EinkommensbezieherIn mit jährlich 10.000 Euro 2013 19 Euro – monatlich 1,58 Euro – und ein Mensch mit einem Einkommen von 50.000 Euro 105 Euro. Ab 2014 hat der mit 10.000 Euro dann 10.061 Euro, der mit 50.000 Euro dann 50.323 Euro – gut das Fünffache. Nur derjenige, der weniger als 8.000 Euro im Jahr verdient, also wirklich im unteren Einkommensbereich ist, profitiert Null Komma Null und zwar 2013 wie 2014. Und das schimpft sich Entlastung der unteren Einkom- men. Wenn Reiche mehr bekommen als Arme, dann nennt das die FDP Gerechtigkeit.
Ja, der Freibetrag muss an die Inflation angepasst werden. Aber eine gerechte Vertei- lungswirkung hat er nur, wenn das aufkommensneutral geschieht und gleichzeitig damit der Spitzensteuersatz steigt. So, wie das jetzt ausbaldowert wurde, ist es ein Klientel- geschenk für BesserverdienerInnen. Und das härteste ist, ein Geschenk, das diese gar nicht wollen. Längst schon ist nämlich die Einsicht verbreitet, dass die Vermögenssche- re nicht weiter auseinander gehen soll. Tatsächlich hat sich gesellschaftlich etwas ver- ändert in den letzten Jahren. Nur FDP und CSU haben es nicht verstanden und die CDU lässt es geschehen.
Die Steuersenkungen sind sozial unausgewogen – die Herdprämie ist unverzeihlich. Von den irrlichternden Ideen im Bereich der Familienpolitik ist sie die mit Abstand Dümmste.
"Mit dem Betreuungsgeld verstärken wir den Teufelskreis, in dem Kinder, die von zu Hause keine Chance auf frühe Bildung, gute Sprache, wenig Fernsehen, viel Bewegung haben, vom Kindergartenbesuch ausgeschlossen sind, weil ihre Eltern mit 150 Euro lie- ber ihre Haushaltskasse aufbessern." So redete Ursula von der Leyen, als sie noch Familienministerin war und sie versuchte, den Familienbegriff der Union in die Moderne Seite 1 von 2 zu führen.
Und dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen – nämlicher Ministerpräsident, der noch im letzten Jahr laut darüber nachdachte, das Kindergeld zu kürzen, bzw. zuguns- ten der Bildungsinfrastruktur umzuschichten und in einem Welt-Interview sagte: „Wir müssen unsere alte konservative Familienpolitik auch in diesem Bereich Stück für Stück zur Seite schieben. Wir müssen mit unserer Politik der Lebenswirklichkeit gerecht wer- den. Und diese Lebenswirklichkeit sieht nicht mehr so aus wie vor 25 Jahren.“
Lieber Herr Ministerpräsident, mit diesem Herdprämienbeschluss ist die Union wieder tief im letzten Jahrtausend. Das sollten sie wenigstens jetzt auch so zugeben.
Sie sagen von sich, dass Sie gern Klartext reden, dann sollten sie diesen Budenzauber um Seehofer zu zähmen, nicht mit Lob zukleistern. Und Sie, Herr de Jager, traten an, die CDU zu modernisieren. Dann tun sie das! Wenn nicht in Tat, dann mindestens in Wort. Dieser Beschluss ist Bockmist in Tüten.
Meine Kollegin Marret Bohn hat vorgeschlagen, dass die Länder selbst über die Ver- wendung der zusätzlichen Gelder entscheiden sollen. Dann kann die CSU in Bayern ihr zöpfisches Familienbild pflegen – und wir hätten 50 Mio. Euro mehr für den Kita- Ausbau. Das ist der geschätzte Geldwert. 50 Mio. Euro. Die sie verschwenden – und uns greifen sie an für Kleinstbeträge im Kultur- oder Sozialbereich.
Wenn das Land Schleswig-Holstein es nicht schafft, den Rechtsanspruch auf einen Ki- ta-Platz zu erfüllen, dann fügen Gelder, die der Bund für sinnwidrige Zuhausebleibe- Prämien ausschüttet, dem Land mittelbar Schaden zu.
Auch das Argument der Gleichbehandlung von Eltern, die ihre Kinder in Kitas schicken und Eltern, die das nicht tun, läuft ins Leere. Denn Angebote, die der Staat zur Verfü- gung stellt, werden ja gemeinhin nicht bei Nichtbenutzung kompensiert. Sonst könnten die, die nicht die Autobahnen benutzen ja eine Zuhausebleibe-Prämie fordern, diejeni- gen, die kein Schwimmbad benutzen, eine Nicht-Schwimmer-Prämie.
Herdprämie und Steuergeschenke sind die gleiche Retro-Politik. Ein schlimmer politi- scher Rückfall. Und dass die Merkel-Rösler-Regierung damit nicht durchkommen wird, hat viel mit einer gesellschaftlichen Veränderung zu tun, mit der Finanzkrise von 2008 und 2011, mit der Schuldenbremse und einer neuen Wachstumskritik.
Vor diesem Hintergrund ist der schlimmste Rückfall des Berliner Klüngelkompromisses die Leichtfertigkeit, mit der wieder über Milliardenbeträge geredet wird. Als wären zwei Milliarden oder sechs Milliarden Peanuts. Herr Wiegard ließ sich am nämlich am Sonn- tag, an dem das Paket geschnürt wurde, mit markigen Sprüchen in einer Sonntagszei- tung zitieren: „Zusätzliche Ausgaben von heute sind die Zinsbelastungen von morgen. Mit diesem Unsinn müssen wir aufhören.“
Herr Wiegard, das sagen Sie mal Ihren Parteifreunden in Berlin! Das gilt doch nicht nur für den Landeshaushalt, sondern auch für den Bundeshaushalt. Dieses Paket ist das Gegenteil von guter Kaufmannschaft. Die ganze Welt spricht über Schuldenabbau – Schwarz-Gelb macht neue. Es ist das Gegenteil von Verantwortung, es ist einfach nur zum Haare raufen. ***

2