Wolfgang Baasch zu TOP 27, 29 + 49: Inklusion muss Realität werden!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 6. Oktober 2011TOP 27, 29, 49: Barrierefreiheit im Nah- und Fernverkehr / Aktionsplan zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention in Schleswig-Holstein / Bericht des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung über seine Tätigkeit 2009 bis 2010 (Drucksachen 17/1883, 17/1885, 17/1799)Wolfgang Baasch:Inklusion muss Realität werden!Mit seinem vierten Tätigkeitsbericht für die Jahre 2009 und 2010 hat der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung Dr. Ulrich Hase, einen umfassenden Bericht über die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein vorgelegt. Sehr geehrter Herr Hase, Ihnen und Ihrem Team ein herzliches Dankeschön für die Arbeit und für das Engagement, das Sie als Interessensvertretung für die Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein aufbringen.Der Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten zeigt sehr deutlich die Schwächen und Unzulänglichkeiten der gegenwärtigen Landesregierung bei der Umsetzung einer fortschrittlichen, aktiven Politik für Menschen mit Behinderung auf. So kritisiert der Landesbeauftragte sehr deutlich die mangelhafte Umsetzung der Un- Behindertenrechtskonvention in Schleswig-Holstein. Dem kann ich mich nur anschließen.Das Fehlen jeglichen Engagements der Landesregierung zur Erarbeitung eines Aktionsplans für das Land Schleswig-Holstein wird nicht nur kritisiert, sondern es wird auch festgestellt, dass Schleswig-Holstein aus seiner Vorreiterrolle in der Integrations- und Inklusionspolitik weit hinter andere Bundesländer zurückgefallen ist. Seit dem 26. März 2009 gilt in Deutschland die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Mit der Konvention werden 2viele Rechte wie z. B. das Recht auf Bildung, das Recht auf Arbeit sowie das Recht auf Teilhabe am politischen Leben beschrieben, die selbstverständlich sein sollen.In der Broschüre „Was ist Politik?“ der Lebenshilfe Schleswig-Holstein wird in leichter Sprache erklärt, was die Idee der Inklusion bedeutet: „Inklusion bedeutet, dass alle Menschen immer selbstverständlich dazu gehören – in allen Bereichen der Gesellschaft. Jeder Mensch soll teilhaben können und jeder bekommt dabei die Unterstützung, die er braucht. Das gilt zum Beispiel für alte und junge Menschen, für Männer und Frauen, für Menschen mit einer anderen Hautfarbe, für Menschen mit Behinderung. An Menschen mit Behinderung und Barrierefreiheit soll in allen Bereichen des Lebens immer gedacht werden und Menschen mit Behinderung sind Experten in eigener Sache.“Und wie ist die Realität heute in Schleswig-Holstein? Zitat aus dem Bericht: „Der Landesbeauftragte wiederholt auch seine Auffassung, dass der Begriff der Inklusion nicht missbraucht werden darf. Zum Beispiel indem Inklusion gerade dann als erstrebenswert angesehen wird, wenn damit Sparmaßnahmen erwartet werden.“ Oder an anderer Stelle: „Der Landesbeauftragte wertet die Beibehaltung des § 5, Satz 2, im Schulgesetz, das im Februar 2011 in Kraft getreten ist, als nicht konform mit der Behindertenrechtskonvention und bedauert, dass seine Intervention erfolglos blieb.“Zur Realität heute in der Politik für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein gehört aber auch die Kündigung des Landesrahmenvertrages durch die Landkreise. „Die Kündigung des Landesrahmenvertrages wertet der Landesbeauftragte als überaus problematisch. Dies nicht nur, da sie sehr zur Verunsicherung der Menschen mit Behinderung beigetragen hat. Gerade im Hinblick auf Einheitlichkeit und Transparenz von Leistungen für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein ist ein Landesrahmenvertrag notwendig, der Standards bzw. Qualität in der Leistungsgewährung beinhaltet.“ Hinzu kommt die Aussage, dass in Schleswig-Holstein noch immer kein konstruktives Zusammenwirken der verantwortlichen Akteure zu spüren ist, um zu einem neuen Landesrahmenvertrag zu kommen. Auch hier stelle ich fest: der Sozialminister des Landes Schleswig-Holstein glänzt durch Untätigkeit. 3Tätig ist diese Landesregierung allerdings gewesen, als es darum ging, ihren Haushalt durch massive Kürzungen im Sozialbereich und bei der Behindertenhilfe durchzusetzen. So ist durch die Halbierung des Blindengeldes eine erhebliche Einsparung bei den Blinden bzw. sehbehinderten Menschen in diesem Land vorgenommen worden. Sie, die Blinden und Sehbehinderten, haben das größte Einsparvolumen erbracht, das einer Personengruppe in Schleswig-Holstein durch Gelb-Schwarz abgefordert worden ist.Der Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung geht noch auf viele weitere Punkte wie z. B. die unzureichende Umsetzung des persönlichen Budgets oder auch die Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt ein, die ich an dieser Stelle nicht alle ansprechen kann, die wir aber intensiv diskutieren müssen.Der Landesbeauftragte berichtet auch vom Protest und den Forderungen der Menschen mit Behinderungen nach Teilhabe. Die Gestaltung und Durchführung des ersten „Krach-Mach- Tach“ in Schleswig-Holstein war eine wunderbare Aktion, um den Inklusionsgedanken in die Öffentlichkeit zu tragen. An dieser Stelle ein Dankeschön an alle Beteiligten.Der Bericht des Landesbeauftragten fordert die Landesregierung, aber auch das Landesparlament als Gesetzgeber auf, sich verstärkt für die Umsetzung des Inklusionsgedankens und der UN-Behindertenrechtskonvention einzusetzen. Wir wollen es tun. Ich hoffe, die Landesregierung beherzigt das auch.Und damit wir uns mit dem Thema eingehender beschäftigen, bitte ich darum, die beiden Anträge und den Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten in den Sozialausschuss und auch in alle anderen Ausschüsse zu überweisen.