Dr. Kai Dolgner zu TOP 5: Viele Aufgaben der Kommunen sind nicht ausfinanziert
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 5. Oktober 2011TOP 5, Gesetzentwurf zur Konsolidierung kommunaler Haushalte (Drucksache 17/1868)Dr. Kai Dolgner:Viele Aufgaben der Kommunen sind nicht ausfinanziertVielen Kommunen in Schleswig-Holstein geht es schlecht. Einigen ist der Karren im sprichwörtlichen Dreck und die kommunalen Zugpferde bemühen sich vergebens. Da kommt zur Rettung als strahlender Held unser Innenminister angeritten und bietet sein 95 Mio. Euro starkes Zugpferd an. Zudem hat er gleich goldene Zügel mitgebracht, damit die widerspenstigen kommunalen Pferde in die richtige Richtung gezerrt werden können. Der Jubel beim Publikum ist zunächst groß. Nur einige, anscheinend die üblichen notorischen Nörgler aus den Städten, wollen nicht so recht mitjubeln, ihnen kommt das Pferd irgendwie bekannt vor.Zuhause angekommen, bestätigt sich ihr Verdacht: Der ach so holde Retter hat das Pferd aus ihrem Stall entwendet, umgefärbt und als sein eigenes ausgegeben: Von den besagten 95 Mio. Euro sind 80 Mio. Euro, mehr als 5/6(!), kommunales Geld.Für „sein" Sechstel möchte der Innenminister nun weitgehende Rechte eingeräumt bekommen, um in die kommunale Selbstverwaltung einzugreifen, ohne sich aber selbst festlegen zu müssen. So finden sich in Artikel 1 Ziffer 5 zu § 16a nur Kann-Bestimmungen, d. h. wenn eine Kommune die im Gesetzentwurf vorgesehenen weitreichenden Einschränkungen ihrer Selbstverwaltung akzeptiert und einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abgeschlossen hat, entsteht immer noch kein Rechtsanspruch auf die Konsolidierungshilfe.Verwundert zur Kenntnis genommen haben wir, dass die Betroffenen auch nochmals alle bisherigen Konsolidierungsanstrengungen darstellen sollen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben. Herr Minister Schlie, Sie müssten eigentlich aus Ihrer Tätigkeit als Innenminister wissen, dass dies sowieso regelmäßig Teil der Anträge auf Genehmigung der Haushaltssatzung 2an den Innenminster ist. Die von Ihnen abgeforderten Daten müssen also in Ihrem Hause längst vorliegen. Ich bitte Sie, den ehemaligen Entbürokratisierungstaatssekretär, ersparen Sie den Kommunen, bitte, zumindest diesen unnötigen bürokratischen Mehraufwand!Unbestimmtheit zieht sich durch den ganzen Antrag. Was sind denn strukturelle Besonderheiten? Einige Gemeindevertreter in finanziell gut dastehenden Kommunen tun ja gerne so, als ob es ausschließlich ihr Verdienst sei und dass die armen Kommunen nur nicht mit Geld umgehen könnten. Aber ist das wirklich so? In meiner Heimat liegen die benachbarten Städte Büdelsdorf und Rendsburg. Die Stadt Büdelsdorf hat ein Pro-Kopf-Guthaben von 1.200 Euro und die Stadt Rendsburg eine pro-Kopf-Verschuldung von über 10.000 Euro. Ich kann Ihnen versichern, dass die Hauptursache nicht in der unterschiedlichen Qualität der Ratsarbeit liegt; in beiden Städten stellt übrigens die SPD die größte Fraktion. Nach der Hauptursache muss man aber trotzdem nicht lange suchen. Während Rendsburg 15% seiner Einnahmen für soziale Leistungen aufwenden muss, sind es in Büdelsdorf nur 1%.Der Begriff der strukturellen Besonderheiten, in der Begründung auch noch mit „strukturellen Rahmenbedingungen vor Ort", suggeriert, dass die Kommunen diese zumindest mittelfristig selbst ändern können. Soll der Rendsburger Stadtrat beschließen, dass 1.000 KdU-Empfänger (Kosten der Unterkunft) bitte nach Büdelsdorf umziehen sollen? Und selbst wenn das ginge, würde das das Problem auch nur innerhalb der kommunalen Familie verschieben.Der Kern des Problems bleibt, dass die Kommunen vom Landes- und vor allem vom Bundesgesetzgeber vielfältige Aufgaben zugewiesenen bekommen haben, die nicht ausfinanziert sind. Wer besonders umfangreich diese Aufgaben wahrnehmen muss, weil er zum Beispiel einen überdurchschnittlichen Anteil von Leistungsempfängern in seiner Wohnbevölkerung hat, muss sich dann auch noch den Vorwurf der Verschwendung gefallen lassen. Deshalb müssten bei einer kommunalen Entschuldung die von der Selbstverwaltung nicht beeinflussbaren Kostensteigerungen herausgerechnet werden.Zusammenfassend bleibt zu sagen: Ein goldener Zügel, hier ist es aber eher ein vergoldeter, kann durchaus ein vernünftiges Steuerungsinstrument sein, nur darf er die kommunalen Zugpferde nicht strangulieren. Auch muss den umfangreichen Vorgaben, welche den Antrag stellenden Kommunen abverlangt werden, zumindest ein Rechtsanspruch und Planungssicherheit gegenüber gestellt werden. Beides enthält dieser Gesetzentwurf nicht. 3Eine kommunale Entschuldung ist richtig, aber wenn man das zum übergrößten Teil mit dem eigenen Geld der Kommunen machen will, muss man sich zumindest Mogelei oder, um im Bild zu bleiben, Rosstäuscherei vorhalten lassen.