Wolfgang Baasch zu TOP 21: Unsoziale Sparpolitik zementiert die Arbeitslosigkeit
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 16. September 2011TOP 21, Soziale Ausrichtung und finanzielle Grundlagen der Arbeitsförderung sichern (Drucksache 17/1771, 17/1821neu 2.Fassung, 17/1883)Wolfgang Baasch:Unsoziale Sparpolitik zementiert die ArbeitslosigkeitEine aktive Arbeitsmarktpolitik braucht eine gute Arbeitsvermittlung und effektive Fortbildungsprogramme für Menschen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind bzw. bereits arbeitslos sind. Aktive Arbeitsmarktpolitik muss auch dafür sorgen, dass junge Menschen den Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf schaffen. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik braucht aber auch ein ausgewiesenes Programm, um die Spaltung am Arbeitsmarkt in jene, die schon zwei Jahre und länger arbeitslos sind, und jene, die erst kurzfristig arbeitslos sind, zu überwinden. Und genau an dieser Stelle und vor allem an dieser Stelle versündigt sich die Bundesregierung mit ihrem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt an den Menschen, die längerfristig arbeitslos sind.Von dem erfreulichen konjunkturbedingten Abbau der Arbeitslosigkeit profitieren vor allem gut qualifizierte Arbeitslose, die in der Regel nicht länger als ein Jahr ohne Arbeit sind. Dieser Aufschwung geht an den langzeitarbeitslosen Menschen und an anderen Gruppen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind, nahezu vorbei.Die vorgelegte Arbeitsmarktreform der Bundesregierung wird den aktuellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt nicht gerecht. Durch das unverantwortliche Zusammenstreichen von Förderinstrumenten spart die Bundesarbeitsministerin kurzsichtig auf Kosten von Langzeitarbeitslosen, Jugendlichen und Älteren - eine Bewertung, die von vielen geteilt wird. 2„Einsparungen in der Arbeitsmarktpolitik kontraproduktiv“, lautet die Bewertung der Bischöfe der evangelischen und katholischen Kirche im Norden und des Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Gemeinsam fordern diese drei Organisationen, „die so genannte Instrumentenreform müsse deshalb grundlegend korrigiert werden. Ziel müsse eine langfristig ausgerichtete nachhaltige Arbeitsmarktpolitik sein“.Auch der deutsche Landkreistag kritisiert die Pläne der Bundesregierung: „Die Mittelkürzungen werden dafür sorgen, dass weniger Menschen aus diesem Hartz IV-Bezug herauskommen.“ Aber auch aus Schleswig-Holstein kommt prominente Kritik an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Arbeitsminister des Landes Schleswig-Holstein hat im Bundesrat die nach wie vor nicht geregelte Finanzierung eines 3. Ausbildungsjahres in der Altenpflege durch die Bundesagentur bemängelt. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, warum Sie unseren Antrag noch vor zwei Monaten, nämlich im Juli 2011, abgelehnt haben, der genau dies gefordert hat! Des Weiteren kritisiert der Minister die Einschränkungen bei den Förderkonditionen für Existenzgründungen. Richtige und auch wichtige Themen, die sich ja auch in dem Antrag von CDU und FDP wiederfinden.Herr Minister, es ist gut, dass Sie diese Punkte aufgegriffen haben. Aber das Hauptproblem, das in der strukturellen Arbeitslosigkeit liegt, von der vor allem Langzeitarbeitslose, Menschen über 58 Jahre, alleinerziehende Frauen, Jugendliche, Menschen mit Handicap, Migrantinnen und Migranten betroffen sind und denen die Bundesregierung die Fördermittel viel stärker reduzieren will, als es dem Rückgang der Leistungsempfänger entspricht, sprechen Sie nicht an. Diese überproportionalen Kürzungen werden unweigerlich dazu führen, dass weniger Menschen aus dem Grundsicherungsbezug herauskommen werden. So wird wieder Arbeitslosigkeit statt Arbeit finanziert.Um die Dimension dieser unsozialen Sparpolitik noch einmal zu verdeutlichen, ein paar Zahlen: Bis 2015 will die Bundesregierung 19 Mrd. Euro, 11,5 Mrd. Euro bei Menschen im Bezug des Arbeitslosengeldes I und 7,5 Mrd. Euro bei Menschen im Bezug des Arbeitslosengeldes II, einsparen. Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die aktive Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Holstein. So haben die aktuellen Kürzungen für das Jahr 2011 die Mittel für die Arbeitsförderung in der Hansestadt Lübeck um über 15 Millionen Euro verringert und diese sind damit um mehr als ein Viertel gekürzt worden. Und das alles vor dem Hintergrund von 11.596 arbeitslosen Menschen im August dieses Jahres in Lübeck, von denen 9.614 als Langzeitarbeitslose im Bereich des SGB II eigentlich dringend auf Unterstützung und Förderung warten. 3Herr Minister Garg, es geht nicht allein um die von Ihnen angemahnten Mängel. Die schmerzlichen Schönheitsfehler im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu beseitigen heißt, deutlich aus schleswig- holsteinischer Sicht auszusprechen, dass die vorgelegte Arbeitsmarktreform der Bundesregierung nicht für eine aktive Arbeitsmarktpolitik taugt.Verantwortliche schleswig-holsteinische Politik muss eine Rücknahme dieser unsozialen Sparbeschlüsse fordern, um die weitere Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Langzeitarbeitslose brauchen echte Chancen auf Qualifizierung und Beschäftigung. Aktive Arbeitsmarktpolitik muss gegen prekäre Beschäftigung vorgehen und für Fairness auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Deshalb brauchen wir gute Arbeit und auch endlich einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn.