Serpil Midyatli zu TOP 41: Präventions- und Interventionsmaßnahmen statt Einsperren
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 15. September 2011TOP 41, Bericht der Landesregierung Programm über das Programm „Jugend Task Force“ (Drucksache 17/1614)Serpil Midyatli:Präventions- und Interventionsmaßnahmen statt EinsperrenZunächst einmal möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion für den doch sehr ausführlichen Bericht bedanken, der für zwei Kollegen hier im Hause wohl ernüchternd sein sollte. Ich möchte gerne vorweg nehmen, dass es im Gesamtergebnis keinen Anstieg der Jugendkriminalität gibt. Dieses wird im Bericht mehrfach wiederholt und hervorgestellt. Die üblichen Verdächtigen zu diesem Thema sollten endlich aufhören, hier Populismus zu betreiben; damit sind Sie in Hessen bereits einmal böse auf die Nase gefallen.Auch wird noch mal darauf hingewiesen, dass es in Schleswig-Holstein keinen einheitlichen Kriterienkatalog für Jugendliche Intensivtäter gibt. Dieses hatte bereits mein Kollege Dr. Dolgner bei der Ausschussberatung des ersten Teils des Berichtes verdeutlicht. Es ist daher zwingend notwendig, hier eine klare und einheitliche Definition für Schleswig-Holstein zu erarbeiten.Ein weiterer sehr interessanter Aspekt im Bericht, der auch mehrmals erwähnt wird, ist die Stellungnahme zur geschlossenen Heimunterbringung: „Es besteht Konsens darin, dass eine Rückkehr zu herkömmlichen Modellen der geschlossenen Unterbringung abgelehnt wird. Intensive pädagogische Betreuungsmaßnahmen, die gerade für die Mehrfach- und Intensivtäter zu entwickeln sind, haben in jedem Fall Vorrang.“(S.37) 2Das Modell, welches uns im Ausschuss von der Landesregierung Niedersachsen vorgesellt wurde, wonach eine Unterbringung von Kinder und Jugendlichen im Alter von 10-14 Jahren in geschlossenen Heimen festgestellt wurde, lehnt meine Fraktion kategorisch ab. Auch Sie, verehrte CDU-Kollegen, sollten sich endlich von diesem Vorhaben ein für alle Mal verabschieden! Denn es zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Bericht, wie wichtig die präventiven und erzieherischen Maßnahmen sind.Und die gibt es bereits - was glauben Sie denn, wofür die Jugendämter da sind? Sie blenden völlig aus, dass man schon etwas tun kann und auch muss, bevor ein Kind so weit abgerutscht ist, dass man nur noch auf dessen Strafmündigkeit warten kann. Aber wer im Bereich der Jugendarbeit und Jugendhilfe kürzt, bekommt natürlich die Probleme, die dann durch Einsperren gelöst werden sollen.Wir setzen dagegen auf ein vielfältiges und bedarfsgerechtes Angebot an Präventiv- und Interventionsmaßnahmen, um der Jugendkriminalität entgegenzutreten. 1993 hat sich Schleswig-Holstein daher aus gutem Grund entschieden, die Landeseinrichtungen zu schließen. 2011 will die CDU diese wieder einrichten, obwohl bisher niemand ein tragfähiges sozialtherapeutisches Betreuungskonzept entwickeln konnte, welches offenbar selbst Sie zur Bedingung hierfür machen wollen. Und das nennen Sie dann Fortschritt. Tatsächlich empfiehlt der Bericht auf Seite 28 doch gerade das Gegenteil: Es bedarf für diese Altersgruppe gar keiner neuen spezialisierten Angebote oder Einrichtungen, vielmehr ist es notwendig, „den Jugendämtern das im Einzelfall passende Angebot auf der Grundlage zentraler Kenntnisse über die Angebotsstruktur und die Leistungsprofile im Land empfehlen zu können“. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.Aber auch im Bereich der Jugendlichen und Heranwachsenden gibt der Bericht wertvolle Hinweise. So wird auf den Seiten 43ff berichtet, dass die Jugendgerichtshilfe „in einem nicht unerheblichen Prozentsatz“ nicht mehr an den Hauptverhandlungen in Jugendstrafsachen teilnimmt. Weiter wird auf Seite 45 die zunehmende Abnahme der Fachlichkeit in den Bereichen der Jugendgerichtshilfe und der Jugendstrafjustiz beklagt. So erfüllten laut einer bundesweiten Befragung im 2003 38,8% der Jugendrichter und 25% der Jugendstaatsanwälte nicht die Voraussetzungen des § 37 JGG, welche eine erzieherische 3Befähigung und Erfahrung in der Jugenderziehung verlangen. (S.46) Ein Ansatz wäre hier, die Qualität der Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen der beteiligten Professionen zu verbessern und die Jugendgerichtshilfe wieder in die Lage zu versetzen, ihrer wichtigen Aufgabe nachzukommen, die übrigens in § 38 JGG auch gesetzlich vorgeschrieben ist.Ein Punkt in dem Antrag von CDU und FDP, der diesen Bericht eingefordert hat, war ja, ob denn die Präventionsmöglichkeiten ausreichen oder hier weitgehende Maßnahmen als erforderlich angesehen werden. Da haben Sie die Antworten!Ich hatte ja zu Beginn meiner Rede darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Bericht insbesondere zwei Kollegen die Augen geöffnet haben sollte. Gemeint sind die Kollegen von Boetticher und Kalinka, die im Juni 2011 mit großem Mediengetöse ihr Papier „10 Maßnahmen zu Prävention und Sanktionen bei jugendlichen Intensivtätern“ vorgestellt haben. Statt über Führerscheinentzug, Warnschussarrest und geschlossene Heime zu halluzinieren, sollten Sie den vorliegenden Bericht Ihres Innenministers erst einmal gründlich durcharbeiten und dann endlich Konsequenzen daraus ziehen!