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15.09.11
16:08 Uhr
B 90/Grüne

Luise Amtsberg zum Verfassungsschutzbericht 2010

Presseinformation

Landtagsfraktion Es gilt das gesprochene Wort! Schleswig-Holstein Pressesprecherin TOP 38 – Verfassungsschutzbericht 2010 Claudia Jacob Landeshaus Dazu sagt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Düsternbrooker Weg 70 Luise Amtsberg: 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53
presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Verfassungsschutzbericht ist Nr. 504.11 / 15.09.2011 ein politischer Arbeitsauftrag
der Verfassungsschutzbericht liefert uns PolitikerInnen eine massiv wichtige Datenquel- le. Er hilft uns dabei, Auskunft über extremistische Gruppen zu erhalten, anhand von beobachteten Internet-Aktivitäten thematische Schwerpunkte in dieser Szene festzustel- len, er liefert einen Bezug zur Gesamtsituation in Deutschland und macht es uns mög- lich, anhand von Übergriffen und Gewaltzahlen Vergleiche zu ziehen und eine Idee von regionalen Schwerpunkten zu bekommen.
Aber, sehr verehrte Damen und Herren, der Verfassungsschutzbericht ist lediglich eine Analyse dessen, was beobachtet wurde. Was dieser Verfassungsschutzbericht nicht lie- fert und liefern kann, das sind Ideen, wie man extremistischer Gewalt in Schleswig- Holstein begegnen kann – und dazu, was ich enttäuschend finde, habe ich leider bisher nur wenig gehört.
Warum befassen wir uns hier mit diesem Bericht? Wir sind weder Polizei, noch beo- bachtende Behörde, noch Innenministerium. Wir sind das Parlament und wir haben die Verpflichtung aus all diesem, was in dem Bericht steht, politische Handlung folgen zu lassen. Deshalb begreift die Grüne Fraktion den Verfassungsschutzbericht als politi- schen Arbeitsauftrag. Als Arbeitsauftrag, und ich würde mir wünschen, dass die ande- ren Fraktionen dieses auch täten.
Ich weiß, Sie machen sich besonders Sorgen um den gewaltbereiten Linksextremismus und da sage ich Ihnen: natürlich: Es MUSS uns zur Sorge veranlassen wenn vermehrt Jugendliche und junge Menschen ihren Ärger über die Politik und die Gesellschaft, ih- ren PROTEST in Gewalt ausdrücken. Das ist in Form und Ausdruck absolut nicht hin- nehmbar. Aber wir müssen uns doch die Frage stellen, warum das so ist? Warum ist der Unmut über unsere Gesellschaft, über unser Wirtschaftssystem, über das politische System, über uns - die PolitikerInnen - eigentlich so groß?
Ganz ehrlich: Unser Wirtschaftssystem zu kritisieren, gegen den Sozialabbau oder ge- gen beschlossene Auslandseinsätze zu protestieren, ist erst einmal nichts Verfassungs- Seite 1 von 2 feindliches, und gegen Rechts auf die Straße zu gehen schon mal gar nicht. Es ist ein Recht, das unsere Verfassung jeder Bürgerin und jedem Bürger zugesteht.
Aber es hört auf, wenn der Verfassungsstaat, die Demokratie zur Disposition steht oder Gewalt das Mittel wird, diese Kritik zum Ausdruck zu bringen. Herr Kollege Koch, Sie können also aufhören in den Zeitungen zu verbreiten, ich würde Linksextremismus ver- harmlosen: Für uns Grüne steht es nicht zur Diskussion, dass der Kampf gegen Nazis nur auf demokratischen Boden und gewaltfrei gelingen kann. Wir Grünen lehnen jede Form der Gewaltanwendung ab und wir nehmen besorgt zur Kenntnis, dass es Extre- mismus auf allen Seiten gibt.
So sagt der Bericht, dass es bezogen auf den Islamismus zwar keine festen Strukturen gibt, aber durchaus Einzelpersonen, von denen ein gewisses Bedrohungspotenzial ausgeht. Im Bericht steht, bezogen auf die Salafiyya, das besonders junge Muslime aus schwierigen Lebenssituationen und in schwierigen Lebensverhältnissen steckend, emp- fänglich werden können.
Für mich leitet sich daraus direkt etwas für die Politik ab: Wir haben die Aufgabe die gemäßigten jungen Muslime in Deutschland, die in ihrem Glauben keinen Widerspruch zu unserer Verfassung sehen, die überzeugte und sehr häufig auch politisch aktive DemokratInnen sind, zu stärken, sie aktiver am politischen Prozess zu beteiligen, deut- lich zu machen, dass Islam und Islamismus eben nicht das Gleiche sind. Und das Ge- walt auch an dieser Stelle für junge Menschen keine Lösung sein darf.
An anderer Stelle haben Sie auch nicht gezögert: Mit der Extremismusklausel, und wir Grünen halten dieses Mittel für falsch, hat sich die konservativ-liberale Regierung in Bund und Land daran gemacht, Demokratieinitiativen das Bekenntnis zur Demokratie sogar schriftlich geben zu lassen.
Auf der anderen Seite aber und daher meine Wut über den, wie ich finde, fahrlässigen Umgang mit dem Thema Rechtsextremismus, war es aber möglich, dass eine Lehrerin, also eine Staatsbedienstete, es vermocht hat jahrelang in Bredstedt SchülerInnen für die NPD zu mobilisieren. Und niemanden im Kollegium hat das interessiert – auch heu- te noch darf darüber in dieser Schule nicht gesprochen werden. Erst der Einsatz einer unglaublich mutigen Mutter hat diesen Fall aufgedeckt.
DAS, liebe Kolleginnen und Kollegen, DAS ist die Bedrohung, die auf unsere Demokra- tie wirkt. Dieses Beispiel zeigt doch, dass wir zu wenig tun und getan haben.
Nazis bedrohen unser System in akutem Maße, weil wir kaum Strukturen gegen Rechtsextremismus haben, weil die dahinter stehende Ideologie unsere Demokratie kontinuierlich unterminiert. Sie bedrohen uns, weil sie Menschen das Existenzrecht ab- sprechen, weil sie Menschen erster und zweiter Klasse erschaffen, weil sich ihr Hass und ihr Aktionsfeld gegen behinderte Menschen, Obdachlose, Homosexuelle, Migran- tInnen, DemokratInnen richtet.
Am Ende steht eine Zahl: 1340! 1340 Nazis in Schleswig-Holstein. Diese regen einem nicht zum Handeln an, sie zwingen einen dazu.
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