Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 11a: Wir brauchen echte Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 14. September 2011TOP 11 a) Einführung von Gender Budgeting in Schleswig-Holstein / b) Neue Wege – neue Chancen: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf (Drucksachen 17/1705 17/1555, 17/1695)Siegrid Tenor-Alschausky: Wir brauchen echte Gleichstellung auf dem ArbeitsmarktBerichtsanträge der regierungstragenden Fraktionen erfreuen die Landesregierung ja meist, bieten sie doch Gelegenheit, das Regierungshandeln möglichst positiv darzustellen. Was liegt uns nun heute vor? Ein Protokoll der 21. GFMK (Gleichstellungs- und FrauenministerInnen-Konferenz), das uns unter anderem darüber informiert, dass die GFMK das Gutachten der Sachverständigenkommission für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat. Man hat auch einstimmig einen Leitantrag angenommen. Das Gutachten stellt fest, dass echte Gleichstellung nur erreicht wird, wenn Männer und Frauen eigenständig für ihre Existenz sorgen und erwerbstätig sind.Wir haben hier wiederholt darüber debattiert, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt sich für Frauen eher verschlechtert hat. Minijobs, häufig unfreiwillige Teilzeitarbeitsplätze, niedrigerer Lohn für gleichwertige Arbeit, kaum Frauen in Führungspositionen - das sind nur einige Stichworte, die zeigen, dass wir von echter Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt weit entfernt sind.Die GFMK fordert die Bundesregierung zwar auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie Minijobs da beseitigt werden können, wo sie reguläre sozialversichtungspflichtige Beschäftigung verhindern, aber das reicht nicht aus! Erstaunlich fand ich, dass man sich vereinbarte, über rechtliche Folgen einer Ehescheidung aufzuklären! Mit welchem Ziel? Haben die Regierung und die sie tragenden Fraktionen vor, über das Anfertigen von Broschüren hinaus initiativ zu werden?Die Sachverständigenkommission hat das deutsche Recht näher unter die Lupe genommen. Denn gerade unser Rechtssystem prägt überholte Rollenbilder bzw. überholte Rollenbilder 2prägen unser Rechtssystem und blockieren fortschrittliche Veränderungen. Sowohl das Steuersystem mit dem Ehegattensplitting und der Steuerklasse III/V als auch die Mitversicherung in der Krankenkasse und die Hinterbliebenenversorgung gehen vom Bild der Versorgerehe aus. Diese Systeme verfestigen mit ihrer Struktur die überholten Rollenmuster.Hier besteht Handlungsbedarf und wir sind gespannt, welche Bundesratsinitiativen von CDU und FDP ergriffen werden, um konkret dazu beizutragen, dass nicht weiterhin für Frauen und Kinder das Scheitern einer Ehe mit einem hohen Armutsrisiko verbunden ist.„Neue Wege – neue Chancen: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf“, so lautet der Titel des Berichts der Landesregierung. Ein viel versprechender Titel, allein der Inhalt ist maßlos enttäuschend. Der einzig erwähnenswerte Beschluss beinhaltet einen Prüfauftrag zur Kostenerstattung für Frauenhausaufenthalte ortsfremder Frauen. Aber auch das hilft den von Schließung bedrohten Frauenhäusern hier derzeit nicht weiter. Eine Einrichtung einer bundesweiten Frauen-Helpline, über deren Notwendigkeit man auch trefflich streiten kann, hilft nur dann, wenn die Frauen auch an Einrichtungen vor Ort vermittelt werden können!Und nun zum Thema „Gender Budgeting“. Wie Männer und Frauen – in unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebenskontexten – von politischen Maßnahmen betroffen sind, hängt entscheidend davon ab, wie Ausgaben geplant bzw. wie öffentliche Finanzen verwendet werden. Je genauer man darauf schaut, welches Ziel man mit welchen Mitteln erreichen will, desto wahrscheinlicher ist das Erreichen dieses Ziels.Eigentlich eine Binsenweisheit und es wird auch kaum ernsthaft bestritten, dass eine solche Wirkungsanalyse zu mehr Ziel- und Passgenauigkeit führt. Es geht um geschlechtergerechtes Management öffentlicher Finanzen. Die Methoden hierfür sind Soll- Ist-Vergleiche, Zielerreichungsgradmessung und Wirkungsforschung – Methoden, die auch bei anderen finanzpolitischen Zielen zum Einsatz kommen.Öffentliche Mittel müssen zielgenau und effektiv eingesetzt werden. Etwas anderes können wir uns auch gar nicht leisten. Gerade deshalb ist Gender Budgeting ein vernünftiges und finanzpolitisch gebotenes Instrument, um die knappen öffentlichen Gelder so zu steuern, dass sie das gewünschte Ziel erreichen.Dabei möchte ich ausdrücklich davor warnen, Gender Budgeting als Mittel der Frauenförderung misszuverstehen. Das politische Ziel des Gender Mainstreaming, das hier 3im Landtag schon vor Jahren breite Zustimmung gefunden hat, ist die Gleichstellung der Geschlechter. Dazu gehört auch eine gerechte Ausgestaltung öffentlicher Haushalte.Gender Budgeting kann gewährleisten, dass wir mit den öffentlichen Finanzen verantwortungsvoll und zielgerichtet Gleichstellungsziele unterstützen und nicht unterlaufen. Beim Gender Budgeting befinden wir uns auch in Schleswig-Holstein nicht mehr in der Stunde Null, wie der Antrag des Linken vermuten lässt.Ich bitte sie um Zustimmung zum Antrag von Grünen, SPD und SSW.