Lothar Hay zu TOP 33: Die ich rief, die Geister...
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 26. August 2011TOP 33, Schleswig-Holstein ohne Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen / Sicherung der Gentechnikfreiheit im Anbau sowie in der Nahrungsmittelkette (Drucksachen 17/294neu, 17/390, 17/420, 17/1443neu)Lothar Hay: Die ich rief, die Geister…Schon mehr als 30.000 Bäuerinnen und Bauern haben in mehr als 190 gentechnikfreien Regionen in Deutschland, in Initiativen und Selbstverpflichtungen freiwillig erklärt, dass sie keine Gentechnik auf ihren Äckern und Wiesen einsetzen wollen. In Bayern hat sich 2009 der CSU- Umweltminister klar für ein Selbstbestimmungsrecht bei der Gentechnik ausgesprochen. Die Hamburger Bürgerschaft hat im Februar 2010 fraktionsübergreifend beschlossen, auf Gentechnik zu verzichten, und möchte dieses auf die gesamte Metropolregion ausdehnen. Weitere Bundesländer sind gefolgt - Thüringen im Juni 2010, inzwischen auch Nordrhein- Westfalen.Portugal hat Madeira zur gentechnikfreien Region erklärt. Am 5. Juli 2011 hat das Europäische Parlament mit großer Mehrheit eine Regelung für ein Verbot von gentechnisch veränderten Organismen durch einzelne Mitgliedsstaaten der EU verabschiedet. Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, müssen sich allerdings das EU-Parlament und der Ministerrat der Regierungen darüber einigen.Und wir in Schleswig-Holstein? Seit Mai 2010 gibt es entsprechende Anträge dazu im Landtag. Im August 2010 gab es eine Anhörung. Im April 2011 hat der Umwelt- und Agrarausschuss mit der Mehrheit von CDU und FDP sich gegen ein gentechnikfreies Schleswig-Holstein entschieden, stattdessen für die Koexistenz landwirtschaftlicher Anbauformen.Ist eine Koexistenz von herkömmlichen und gentechnisch veränderten Pflanzen möglich? Die Antwort lautet: nein! Das Bundesverfassungsgericht hat am 29.11.2010 in einer Entscheidung die Rechtmäßigkeit 2und die Zweckmäßigkeit der Regelungen des derzeit geltenden Gentechnikgesetzes bestätigt. Es hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Ausbreitung von gentechnisch verändertem Material, einmal in die Umwelt ausgebracht, schwer oder gar nicht begrenzbar sei. Zudem seien die langfristigen Folgen des Einsatzes der Gentechnik wissenschaftlich noch nicht geklärt.Von den Befürwortern der grünen Gentechnik wird immer wieder behauptet, dass durch GVOs (gentechnisch veränderte Organismen) die Erträge gesteigert werden könnten und damit Ernährungssicherheit für die zunehmende Weltbevölkerung gewährleistet werden könnte. Dem entgegne ich: Der Welthunger ist kein Produktions-, sondern ein Verteilungsproblem.Von den Befürwortern wird behauptet, durch GVOs sei ein effizientes Unkrautmanagement möglich aufgrund von mehr Widerstandskraft durch herbizidresistente Pflanzen und die Umwelt werde geschont aufgrund eines geringeren Pestizideinsatzes. Dem entgegne ich, dass gezüchtete Resistenzen nach einiger Zeit wieder herauswachsen. Genmanipulierte Kulturpflanzen haben in den USA zur Erhöhung des Pestizideinsatzes geführt. Ursache sind zunehmende Resistenzbildungen der Ackerunkräuter, sogar Mehrfachresistenzen.Gentech-Weizen, der unter Glas Vorteile bietet, ist auf freiem Feld den Ursprungssorten unterlegen und häufiger mit Mutterkorn verseucht, wie Versuche der Universität Zürich zeigen.GVOs vermischen sich z. B. in Kanada seit Jahren mit herkömmlichen Pflanzen. In Kanada kann kein gentechnikfreier Raps mehr angebaut werden - Koexistenz ist unmöglich. Durch Koexistenz geht die Wahlfreiheit verloren; Koexistenz ist eine Markteinführungsstrategie!Wer sich für GVOs einsetzt, erhöht die Abhängigkeit der Landwirte von weltweit wenigen Konzernen, die entsprechendes Saatgut herstellen. Zu 90 % ist das Monsanto (USA).Es gibt keine langfristigen Folgeabschätzungen der gesundheitlichen Auswirkungen von GVOs auf Mensch und Tier.Eine im Oktober 2010 vom Bundesamt für Naturschutz (BAN) durchgeführte Umfrage ergab, dass 87 % der Befragten den Einsatz der grünen Gentechnik ablehnen. Eine im März 2011 gestartete öffentliche Petition für ein Zulassungsverbot von gentechnisch veränderten Pflanzen haben innerhalb von 3 Wochen über 60.000 Bürgerinnen und Bürger unterzeichnet. Mit inzwischen weit mehr als 100.000 Unterschriften ist sie die erfolgreichste Petition in der Geschichte der Bundesrepublik. 3Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24.11.2010 auf die besondere Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers (nach Artikel 20 a GG) hingewiesen. Der Auftrag lautet, „in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen“.„Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“ (Der Zauberlehrling - Goethe)