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26.08.11
11:08 Uhr
SSW

Lars Harms zu TOP 35 - Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss HSH Nordbank

Presseinformation Kiel, den 26. August 2011 Es gilt das gesprochene Wort



Lars Harms
TOP 35 Erster Parlamentarischer Untersuchungsausschuss HSH Nordbank Drs. 17/1675, 1676
Viele Menschen fragen jetzt nach den Konsequenzen, die sich für die an der HSH-Nordbank-
Krise Beteiligten ergeben. Während das Handeln der Vorstandsmitglieder und Bank-
Mitarbeiter bei einem hinreichenden Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft untersucht
werden muss und teilweise ja auch untersucht wird, stellt sich die Frage aber eben auch für
diejenigen, die im Aufsichtsrat tätig waren. Man war zwar nicht im operativen Geschäft tätig,
aber man hatte eine Aufsichtspflicht und die politischen Vertreter hatten zudem eine
politische Verantwortung. Und hier wird dann auch gleich das Dilemma offensichtlich. Da ein
Untersuchungsausschuss eher ein politisches Kampfinstrument ist und weniger ein
Aufklärungsgremium, sind naturgemäß die politischen Einschätzungen in Bezug auf das
Verhalten Einzelner unterschiedlich. Letztendlich ist es auch hier die politische Mehrheit, deren
eigene Politiker betroffen sind, die nun auch entscheidet, ob diese Politiker Konsequenzen
tragen müssen oder nicht. Deshalb halten wir als SSW weiterhin an unserer Forderung fest,
dass anstelle von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Zukunft unabhängige 2
Untersuchungen treten müssen. Hier und jetzt, wird es aber keine Konsequenzen geben und
das ist vorweg gesagt schon das eigentlich Bittere an der Untersuchungsarbeit.


Bitter umso mehr, weil hier regelrecht Geld verbrannt wurde. In den Jahren 2008 und 2009
wurden insgesamt Jahresfehlbeträge in Höhe von fast 3,6 Milliarden Euro durch die HSH-
Nordbank eingefahren. Das heißt, unsere gemeinsame Finanzspritze mit Hamburg in Höhe von
3 Milliarden Euro reichte noch nicht einmal aus, um diese aufgelaufenen Verluste zu decken.
Aber auch der Wertverlust der Bank ist gigantisch. Die Hamburger haben festgestellt, dass der
Wertverlust ihrer Anteile von 2007 bis 2009 bei 1,9 Milliarden Euro liegt. Unser Verlust wird
ähnlich hoch sein, auch wenn die Landesregierung bisher nicht im Stande war, den Buchwert
unserer HSH-Nordbank-Anteile zu beziffern; was im Übrigen ebenfalls ein Armutszeugnis ist.
Alleine schon der Wertverlust der Bank stellt einen solchen Vermögensschaden für das Land
Schleswig-Holstein dar, so dass man hier nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann.


Auffällig war, dass sich durch alle Arbeiten und Aussagen im Untersuchungsausschuss immer
wieder ein Problem zog. Der Aufsichtsrat unterlag immer wieder einem Zielkonflikt. Er war
gemäß Aktienrecht ausschließlich dem Unternehmen gegenüber verpflichtet und somit
spielten ausschließlich ökonomische Parameter eine Rolle. Unsere Vertreter im Aufsichtsrat
waren aber als Landesminister natürlich auch dem Parlament gegenüber verpflichtet und
sollten auch politische Ziele umsetzen. Zum Beispiel war es erklärtes politisches Ziel, dass die
Bank die regionale Wirtschaft stützen sollte. Mehr und mehr geriet dieses Ziel ins Hintertreffen
und spielte am Ende überhaupt keine Rolle mehr. Die Bank verhielt sich wie eine normale
Geschäftsbank und orientierte ihr Handeln ausschließlich am Ziel der Gewinnmaximierung.
Die Bank war als Aktiengesellschaft nicht mehr ein Förderinstrument der Landespolitik,
sondern eine Bank wie jede andere auch. Daher gab und gibt es für das Land keinen Grund
mehr Anteile an dieser Bank zu halten. Dies ist zumindest schon einmal eine Feststellung, die
man nach der Untersuchungsausschussarbeit treffen kann. 3
Allerdings muss ich selbstkritisch sagen, dass es eine Fehlentscheidung war, diese Bank zu
privatisieren, ihre Börsenfähigkeit anzustreben und einen privaten Anteilseigner mit ins Boot
zu nehmen. Im Nachhinein können wir feststellen, dass die Bank dadurch für uns als Parlament
unkontrollierbar wurde; mit den entsprechend negativen Folgen. Die Schlussfolgerung lautet
deshalb für uns: Wenn man politische Ziele verfolgt, dann darf man die Zügel nicht aus der
Hand geben und dann verbietet sich eine Privatisierung von selbst.


Betrachtet man die handelnden Personen, so wird man feststellen, dass vor und während der
Krise nicht in der Mehrheit die so viel gescholtenen Politiker das Heft des Handelns in der Hand
hatten, sondern vielmehr auch andere beteiligt waren. Der Vorstand setzte sich ausschließlich
aus Wirtschaftsfachleuten zusammen und auch der Aufsichtsrat war in der Mehrheit nicht
politisch besetzt. Neben den vier politischen Vertretern aus Hamburg und Schleswig-Holstein
saßen dort Arbeitnehmervertreter, Vertreter des Investors Flowers, Vertreter der Sparkassen
und Wirtschaftsvertreter aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Wenn also festgestellt werden
kann, dass der Aufsichtsrat in bestimmten Fällen seiner Kontrollfunktion nicht ausreichend
nachgekommen ist, dann hat nicht hauptsächlich die Politik versagt, wenn es um
unternehmerische Entscheidungen zu bestimmten Zeitpunkten geht, sondern versagt haben
viele – auch die Vertreter der Wirtschaft.


Politischen Vertretern ist nach unserer Auffassung immer nur dann ein Vorwurf zu machen,
wenn politische Weichen falsch gestellt werden. Diese Weichen wurden aber erst wieder bei
der Krisenbewältigung gestellt. Hier war es die Aufgabe der Landesregierung, Schaden vom
Land Schleswig-Holstein fernzuhalten. Und das ist nach unserer Auffassung nicht passiert – im
Gegenteil: Der SSW stellt fest, dass die damalige Landesregierung in einem engen Zeitraum im
Krisenherbst 2008 mehrfach die Möglichkeit hatte, die Sanierung der HSH-Nordbank
gemeinsam mit dem Bund anzugehen. Wäre dies geschehen, hätte das finanzielle Risiko für
das Land Schleswig-Holstein, das heute immer noch besteht, stark verringert werden können.
Die Große Koalition hat sich unter dem Einfluss der HSH Nordbank dafür entschieden, diese 4
Option einer Bundesbeteiligung nicht zu nutzen und damit den Steuerzahlern im Land einen
ungleich größeren Teil der finanziellen Verantwortung für die Bank aufgebürdet.
Die Aufklärungsarbeit des Ausschusses hat gezeigt, dass die sehr risikoreiche Situation, in der
wir immer noch stecken, absehbar war. Deshalb ist es unter sachlichen Aspekten nicht
nachvollziehbar, warum die ausgestreckte Hand des Bundes nicht ergriffen wurde. Wir haben
im Rahmen der Untersuchung den Eindruck gewonnen, dass das damals SPD-geführte
Bundesfinanzministerium bewusst herausgehalten wurde, um dessen Einfluss und
entsprechende Einblicke in die Bank zu verhindern. Aus unserer Sicht war dies ein
schwerwiegender Fehler, der durch nichts zu entschuldigen ist.


Im Laufe der Untersuchungsausschussarbeit hat sich auch das Bild weiter verfestigt, dass die
Informationspolitik der Landesregierung nach Eintritt der HSH-Krise gelinde gesagt suboptimal
war – und dass dies sehr bewusst so betrieben wurde. Informationen wurden immer nur dann
gegeben, wenn Entscheidungen gefallen waren und diese nicht mehr vom Parlament
beeinflusst werden konnten. Damit war der Landtag, der keine Chance hatte, im Vorwege an
die Informationen zu kommen, völlig außen vor. Hier bestand eindeutig eine Bringschuld der
Landesregierung, der sie nicht oder allenfalls ungenügend nachgekommen ist. Sie hat im
Gegenteil Ende 2008 und insbesondere zu Beginn des Jahres 2009 zielgerichtet und
systematisch den Druck auf die Landtagsabgeordneten so weit erhöht, dass diese dem
Handlungsdruck mehrheitlich unterlagen, 1,5 Milliarden Euro in die Bank zu schießen und für 5
Milliarden Euro Garantien zu übernehmen.


In diesem Zusammenhang ist es wenig tröstlich, dass der dem CDU-Lager zugehörige
ehemalige Wirtschaftsminister Marnette ebenfalls über mangelnde Informationen klagte und
dass auch die SPD-Kabinettskollegen in der damaligen schwarz-roten Koalition nicht
ausreichend im Bilde waren. Die Handelnden der CDU haben den Bündnispartner SPD
offensichtlich ausgebootet und vor vollendete Tatsachen gestellt. Dies entlässt die SPD
allerdings nicht aus der Gesamtverantwortung für die Fehlentscheidungen bei der HSH 5
Nordbank-Krisenbewältigung, die sie als Teil der damaligen Landesregierung mit trägt.


Wir können feststellen, dass riesige Verluste mit hoch-spekulativen Geschäften gemacht
wurden. Der Aufsichtsrat hat diese Geschäftspolitik nicht verhindert und ist dadurch mittelbar
für die Misere der HSH-Nordbank mit verantwortlich. Dies mag strafrechtlich nicht relevant
sein, aber es gibt hier die gesellschaftlich-politische Verantwortung dieses Kontrollgremiums.
Diese Verantwortung lässt sich auch in Zahlen fassen: 3,6 Milliarden Euro Verluste in nur zwei
Jahren, 1,5 Milliarden Euro Überlebensspritze der Schleswig-Holsteinischen Steuerzahler für
dieses so grandiose Geschäftsmodell und die alleinige Übernahme von Risiken in Form von
Garantiegewährung, Gewährträgerhaftung und hohem verbleibendem wirtschaftlichen Risiko
für die schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger.


Am Ende haben Vertreter der damaligen Landesregierung mit Finanzminister Wiegard an der
Spitze bewusst gegen die Interessen des Landes gehandelt, in dem sie keine Bundeshilfe
annahmen und sie dabei die freie Entscheidungsfindung des Parlaments behindert und die
Abgeordneten ungebührlich unter Druck gesetzt haben. Als Parlamentarier kann ich hier nur
fordern, dass personelle Konsequenzen gezogen werden müssen. Allerdings ist mir auch klar,
dass die Mehrheit in diesem Hause genau das nicht tun wird und damit die Schleswig-
Holsteiner auf allem sitzen bleiben werden.


Was bleibt ist:
• Null Konsequenzen aus der HSH-Nordbank-Krise,
• ein misslungenes Kooperations-Vorzeigeprojekt der Länder Hamburg und Schleswig-
Holstein
• Milliardenverluste für das Unternehmen,
• ein Mehr an Schulden für den Landeshaushalt in Höhe von mindestens 1,5 Milliarden Euro,
• ein Verlust des Wertes unserer Unternehmensanteile von rund 2 Milliarden Euro
• und ein wirtschaftliches Risiko für das Land, dass das Land in den Ruin treiben kann. 6
Deutlicher kann man das Versagen der damaligen Großen Koalition mit ihrem Finanzminister
Wiegard nicht darstellen. Das Land hätte damals eine bessere Regierung verdient gehabt.