Ralf Stegner zu TOP 32: Rechtspopulisten bekämpfen, das Europa der Toleranz gestalten!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 24. August 2011Top 32 Keine weitere Verschärfung der dänischen Grenzkontrollen (Drucksache 17/1717 und 17/1731)Ralf Stegner:Rechtspopulisten bekämpfen, das Europa der Toleranz gestalten!Meine diesjährige kulturpolitische Sommerreise führte mich auch nach Flensburg. Dort kann man direkt erfahren, wie wichtig und wie lebendig die Zusammenarbeit mit Dänemark ist. Ob es um die gemeinsame Kulturhauptstadt geht, um Folk Baltica, das Orchester der Landestheater oder andere Fragen: Überall gibt es Projekte, Gespräche, Zusammenarbeit, ist der kulturelle Mehrwert größer als die Summe der Einzelteile. Dies gilt aber sicher nicht nur für die Kultur, sondern auch für den Arbeitsmarkt und viele andere Felder. Soweit, so gut; so sehen und erleben es die Menschen unserer beiden Länder.Die politische Entwicklung sieht aber im Moment leider ganz anders aus. In der heutigen Debatte geht es vordergründig um Verkehrsregelung, in Wirklichkeit aber um unser Verständnis von Europa und bedrückenderweise auch um die Frage, ob sich Politik von Rechtspopulisten abhängig machen sollte.Im Frühjahr kündigte die dänische Regierung an, wieder permanente Grenzkontrollen einrichten zu wollen. Damit entsprach man einer Forderung der Rechtspopulisten, auf die sich die amtierende dänische Minderheitsregierung bedauerlicherweise stützt. Dieser Ankündigung folgten Widerstände und Proteste aus Schleswig-Holstein, Deutschland, ja aus ganz Europa. Es gab eine einstimmige gemeinsame Erklärung dieses Schleswig-Holsteinischen Landtags, in der die Wiedereinführung solcher Grenzkontrollen klar abgelehnt wurde. Schon damals war die 2Landesregierung und insbesondere der Herr Ministerpräsident eher dabei, abzuwiegeln, zu verharmlosen nach dem Motto, so schlimm werde es schon nicht werden, tut ja gar nicht weh und wir sollten uns nicht so haben.Anfang August konnten wir das gleiche „Spiel“ dazu noch einmal verfolgen, diesmal unter aktiver Beteiligung Schleswig-Holsteins. Es wurde öffentlich, dass Dänemark ab September den Bau eines dänischen Zollkontrollsystems auf deutschem Boden vor dem Autobahn- Grenzübergang Ellund plane. So etwas lässt sich bekanntlich nur umsetzen, wenn die Landesregierung mitmacht. Nach Angaben des Direktors der dänischen Zollbehörde, Erling Andersen, hätten diese Anlagen zwar ursprünglich nichts mit den beschlossenen intensiveren Grenzkontrollen zu tun gehabt. Es sollte bei stichprobenartigen Kontrollen die Verkehrssicherheit für Autofahrer und Kontrollbeamte erhöht werden. Durch beleuchtete Schilder sollten auch bei Dunkelheit Verkehrsüberprüfungen ermöglicht werden. Nun aber, so Andersen weiter, werde man natürlich die Gunst der Stunde nutzen und diese schöne Einrichtung für die neue Form intensiverer Kontrollen à la Dänemark auch nutzen.Na prima. Ist ja auch klar. Schranken braucht man zur Verkehrslenkung bekanntlich an Bahnübergängen, Fähren oder Klappbrücken. Darüber reden wir hier aber nicht und deswegen sollte hier niemand so tun, als sei das eine ganz normale verkehrspolitische Angelegenheit (auch wenn der Verkehrsminister heute hierzu redet).Nein, der Hintergrund dieser Installation auf schleswig-holsteinischem Boden ist das, was der shz als „Spiel mit dem Feuer“ bezeichnete just zu einem Zeitpunkt, in dem sich Europa in einer Existenzkrise befinde. Europa droht auseinander zu driften, einzelne Länder schotten sich ab, überziehen sich mit Schmähungen, schüren Vorurteile. Die Bundesregierung ist leider an dieser Entwicklung unmittelbar beteiligt. Ich erinnere nur an die schmähenden und falschen Aussagen von Frau Merkel zu Arbeits- und Urlaubszeiten in Griechenland. Die gleiche FDP, die die Steuern senken will, droht schon damit, bei einer europäischen Einigung auf Eurobonds die Regierung verlassen zu wollen. Wo ist die europäische Vision? Wie provinziell muss man sein, um zu glauben, durch Kleinstaaterei der Lösung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise näherzukommen! 3Wenn wichtige Exportpartner eines Landes ihre Währungen abwerten und Zollschranken errichten können, dann brechen Gewinnerwartungen ein, dann sind in der Folge Arbeitsplätze gefährdet, dann verringern sich auch die Steuereinnahmen und das für den Konsum verfügbare Geld der Allgemeinheit auch. Das bekommen alle zu spüren, vom Kellner bis zur Bauunternehmerin.Europa ist die Idee, über gemeinsame Werte, über vertiefte und vertrauensvolle Zusammenarbeit und über Solidarität den Frieden, die Freiheit und den Wohlstand der Menschen zu mehren. Der Bau von neuen Grenzschranken widerspricht diesem Grundgedanken fundamental. Wer das gut heißt, zündelt an der europäischen Idee und damit an der Zukunft Europas. Auch deswegen fordern wir die Landesregierung auf, sich intensiv gegen diese Grenzanlagen zu wehren und die bereits erteilte Genehmigung wieder zurückzunehmen bzw. deren Missbrauch zu verhindern. Die Geschäftsgrundlage ist entfallen – es geht nicht um bessere Verkehrslenkung, Herr Ministerpräsident oder Herr Verkehrsminister.Die dänische Regierung erfüllt mit dieser Maßnahme eine Forderung der dortigen Rechtspopulisten. Und folgt in der Begründung den von jenen verbreiteten Vorurteilen, man wolle die Kriminalität eindämmen. Sie verschweigen wohlweislich, dass über 70 Prozent der Einbrüche in Ferienhäuser auf das Konto dänischer Banden gehen und die jetzige Form der Kontrollen gut funktioniert. In Wirklichkeit gleicht diese Maßnahme doch eher einer Scheinaktivität und taugt besonders gut dazu, Ressentiments und Vorurteile zu schüren. Schon deswegen darf dieser Plan nicht kommen und ich bin froh, dass sich die dänischen Sozialdemokraten dagegen gewandt haben. Bald sind in Dänemark ja auch Parlamentswahlen und ich hoffe, dass Toleranz und Vernunft gegen dumpfe Stammtischpolitik obsiegen wird.Rechtspopulisten machen überall in Europa eine Politik auf dem Rücken der Schwachen unserer Gesellschaft, sie setzen auf Ausgrenzung, Abschottung und Intoleranz. Sie schüren die Ausländerfeindlichkeit nicht nur in Dänemark und sie tragen in keiner Weise dazu bei, die Grenzen sicherer zu gestalten oder die grenzüberschreitende Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Die Mahnung an Sie von Union und FDP ist leider auch deswegen notwendig, weil wir ja wissen, dass Sie im Zweifelsfall die Machtperspektive wählen. Es ist erst wenige Jahre 4her, dass Sie gemeinsam mit dem Rechtspopulisten Schill eine Regierung in Hamburg gebildet haben, jenem Herrn Schill, den man getrost als Ganoven bezeichnen darf.Wir konnten in Hamburg sehen, zu welchen Abgründen dies führt, wenn man Rechtspopulisten Gelegenheit gibt, an einer Regierung teilzunehmen. Stellen wir uns dem offensiv entgegen. Rechtspopulisten darf man nicht hoffähig machen, man muss sie entschieden bekämpfen. Auch deswegen fordere ich Sie auf, unserem Antrag zuzustimmen.Abschottung und neue Grenzen können nicht unser Weg in Europa sein. Wir sollten uns vielmehr der klugen Empfehlung des norwegischen Ministerpräsidenten Stoltenberg anschließen, mit Toleranz und Solidarität dem Hass zu begegnen und dabei aber auch wachsam zu sein. Der Attentäter von Oslo und Utoya war – wie Sie wissen - ein Spross der norwegischen Rechtspopulisten.Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, sagte: „Es gibt nicht den geringsten Grund, bereits jetzt Teile eines neuen Grenzkontrollsystems zu bauen, über dessen Vereinbarkeit mit dem Vertrag von Schengen sowohl bei der Europäischen Kommission als auch bei der Bundesregierung erhebliche Zweifel bestehen.“ Er findet es „unverständlich, wenn bereits Fakten auf dem Boden geschaffen werden sollen". Eine Sprecherin der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström reagierte ebenfalls besorgt: Die seit Monaten vorhandenen Bedenken zu den dänischen Grenzkontrollen seien noch nicht ausgeräumt.Nur die Landesregierung hält alles wieder einmal nicht für so schlimm, schließlich sei der Bau ja schon lange vereinbart gewesen. Ich kann nur sagen: Nicht in dieser Form, nicht für diesen Zweck und nicht in dieser Zeit! Da in Schleswig-Holstein jeder weiß, dass es müßig wäre, irgendwelche politischen Erwartungen an den Herrn Ministerpräsidenten zu richten, wende ich mich an Sie, Herr de Jager: Ich wünsche mir da ein deutliches Wort von Ihnen - setzen Sie ein Zeichen für eine Neuorientierung. Nutzen Sie die Chance. Stimmen Sie mit uns für ein Europa der Toleranz und der Zukunft!