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27.05.11
16:21 Uhr
SPD

Rolf Fischer zu TOP 30: Euratom-Vertrag schnellstmöglich aufkündigen!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 27. Mai 2011



TOP 30 Europaweiter Ausstieg aus der Atomenergie (Drucksache 17/1497, 17/1557)



Rolf Fischer:
Euratom-Vertrag schnellstmöglich aufkündigen!

Der Euratom-Vertrag regelt alle Fragen, die mit der Kernenergie in Europa zu tun haben. Er ist das zentrale Vertragswerk, wenn es um eine europäische Antwort auf die Fukushima- Katastrophe geht. Seit seinem Inkrafttreten in den 50er Jahren wurde er kaum verändert und es ist – wie Fachleute sagen – „weder eine parlamentarische und damit transparente Beteiligung an Entscheidungsverfahren gewährleistet, noch haben die Erkenntnisse aus den Reaktorunfällen von Harrisburg über Tschernobyl bis Fukushima bislang Einzug in den Vertrag gehalten.“
Der Vertrag ist ein Anachronismus. Bei internationalen Atomverträgen und auch bei der Euratom-Kreditvergabe wird z. B. das Europa-Parlament von jeglicher Mitbestimmung ausgeschlossen. So kann das Parlament eine einseitige Schwerpunktsetzung bei der Mittelvergabe nicht verhindern.
Nach 45 Jahren ist es Zeit, über diesen Vertrag neu nachzudenken und ggf. ihn abzuschaffen. Zwei Möglichkeiten stehen deshalb an: seine Auflösung und/oder eine Reform des Vertrages. Ich will nicht verhehlen, dass der erste Punkt unser politisches Ziel ist. Denn nach den genannten Ereignissen müssen wir umgehend auf diesem Kontinent aus der Atomkraft aussteigen. Sie ist längst nicht mehr die Energieform mit Zukunft und der Vertrag mit dem Ziel der „Entwicklung einer mächtigen zivilen Kernindustrie“ entspricht nicht mehr den Anforderungen dieser Zeit.
Und wenn große Firmen wie Siemens überlegen, aus der Kernenergieforschung auszusteigen, wenn sich die Risiken als nicht mehr beherrschbar zeigen, wenn das Vertrauen der Menschen in diese Energieform rapide und zu recht sinkt, dann muss auch Europa seine Instrumente überdenken und neu ausrichten. 2



Der Euratom-Vertrag widerspricht den Bemühungen um Transparenz und auch der Vereinheitlichung der Verträge. Er ist heute ein Sondervertrag, der sich nicht in die EU-Verträge eingepasst hat. Das widerspricht der europäischen Systematik und schafft eine seltsame, nicht akzeptable Sonderstellung.
Die Atomenergie ist keine Zukunftsenergie, auch keine Brückenenergie – was immer das ist. Da reicht es nicht, jetzt Stressteste durchzuführen. Insbesondere wenn dort so seltsame Regeln heraus kommen, dass zwar Naturkatastrophen und Flugzeugabstürze berücksichtigt werden, Terroranschläge aber nicht. Da reicht es auch nicht, besondere Arbeitsgruppen für dieses Thema einzurichten. Auch ist der Hinweis, dass die Tests von den Betreibern durchgeführt werden sollen, nicht wirklich beruhigend.
Wer die Nachrichten aus Fukushima jetzt hört und feststellt, was dort alles verschwiegen wurde, dem sage ich: Das hat mit Information gar nichts tun und gleich gar nichts mit Verantwortung. Da geht es um gezielte Desinformation zur Beruhigung der Öffentlichkeit. Das Vertrauen in die Kernenergie und seine Betreiber ist nicht nur in Fukushima ebenso schnell geschmolzen wie die Kernbrennstäbe. Schon deshalb wäre es gut, wenn der Euratom-Vertrag schnellstmöglich aufgekündigt wird. Das ist unser Ziel, das machen wir hier und heute deutlich.
Aber: Die Staaten Europas zeigen sich fast in keiner Frage so gespalten wie in der Atomenergienutzung. Es ist kaum zu erwarten, dass ein europaweiter Atomausstieg, so sehr er auch notwendig ist, bevorsteht. Ganz im Gegenteil: Die europäischen Verträge sichern den nationalen Regierungen zu, über die Nutzung von Technologien unabhängig zu entscheiden. Und die Haltungen vieler konservativer Regierungen lassen hier eine Änderung nicht erwarten.
Das ist so, deshalb muss zumindest über eine Reform des Vertrages gesprochen werden. Für uns heißt dies konkret:
• Wir wollen eine Regierungskonferenz, die den Vertrag grundlegend überarbeitet, • wir wollen, dass die Entwicklung der Atomenergie nicht mehr weiter gefördert wird, • wir wollen, dass die Mittel in Ausstiegsszenarien investiert werden, • wir wollen, dass die Sicherheitsstandards verstärkt werden, • wir wollen, dass die Sonderstellung des Vertrages aufgehoben wird.

Der Euratom-Vertrag ist ein Anachronismus, er steht im Widerspruch zur Notwendigkeit einer zukunftsorientierten Energiepolitik, die auf regenerative Energien setzt. Warten wir nicht erst auf den nächsten Atomunfall in Europa! Heute noch auf die Atomkraft zu setzen, wider besseres Wissen, wider jeder Erfahrung, das ist auch ein intellektueller und ein politischer Störfall. 3



Reformieren wir den Vertrag! Besser noch: Schaffen wir ihn ab!