Wolfgang Kubicki: Die Kritiker des Glücksspielgesetzes bieten keine verfassungs- und europarechtskonforme Alternative
FDP Landtagsfraktion Schleswig-Holstein 1Presseinformation Wolfgang Kubicki, MdL Vorsitzender Katharina Loedige, MdL Stellvertretende Vorsitzende Nr. 295/2011 Günther Hildebrand, MdL Parlamentarischer Geschäftsführer Kiel, Freitag, 27. Mai 2011Es gilt das gesprochene Wort www.fdp-sh.de GlücksspielgesetzWolfgang Kubicki: Die Kritiker des Glücksspielgesetzes bieten keine verfassungs- und europarechtskonforme Alternative In seiner Rede zu Top 19+25 (Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages) sagt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki:„Die Widersprüchlichkeit ist das große Manko, das mir beim Antrag der SPD als erstes aufgefallen ist. Sie unterstützen einerseits die politische Einigung der Ministerpräsidentenkonferenz vom 06. April zur Novellierung des Glücksspielstaatsvertrages, fordern aber andererseits zwei Absätze später seine Europarechtskonformität.Dabei ist der Glücksspielstaatsvertrag aus mehreren Gründen nicht mit dem EU-Recht kompatibel. Der augenfälligste Verstoß zeigt sich bei der Beschränkung der Konzessionen im Sportwettenbereich.Die Beschränkung der Zahl von sieben bundesweiten Konzessionen ist willkürlich und verfassungsrechtlich wie europarechtlich höchst problema- tisch. Betroffen sind die im Grundgesetz verbriefte Berufsfreiheit, das Recht auf Eigentum, die allgemeine Handlungsfreiheit, die Medienfreiheit und das Gleichbehandlungsgebot. Europarechtlich beschränkt der häufig zitierte ‚E 15’ die Dienstleistungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit. Spätestens bei der Klage des achten Anbieters vor dem Europäischen Gerichtshof wird der Staatsvertrag erneut scheitern. Einschränkungen bei der Vergabe der Konzession können nur anhand von qualitativen Eigen- schaften erfolgen, wie beispielsweise der Gewährleistung eines bestimm- ten Spielerschutzes sowie einer hohen Sicherheitsleistung. Solche quali- tativen Voraussetzungen zur Erteilung der Konzessionen sieht der vorge- legte Gesetzesentwurf der Regierungsfraktionen vor.Aber noch einmal zurück zum Entwurf der Ministerpräsidentenkonferenz: Wer sich mit dem Thema inhaltlich auseinander setzt, muss zu dem Frank Zabel, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: info@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 2 Schluss kommen, dass der Gesetzesentwurf nur scheinbar eine Liberali- sierung vorschreibt, in Wirklichkeit jedoch weiterhin ein Sportwettenmo- nopol realwirtschaftlich bevorzugt und Marktwirtschaft und Wettbewerb verhindert. Für diese Einsicht sprechen die folgenden Punkte:1.) Die Begrenzung der Experimentierklausel auf 7 Jahre, und das bei einer Laufzeit des Glücksspielstaatsvertrages von insgesamt 8 Jahren. Zu einer Verlängerung des Experimentierklausel wird die Zustimmung von 13 Ländern benötigt, oder umgekehrt, wenn nur vier Ministerpräsidenten dies ablehnen, wird die Experimentierklausel zum 31.12.2019 auslaufen, obwohl der Vertrag noch eine einjährige Gültigkeit hätte. Welcher Unter- nehmer ist unter diesen unsicheren Umständen denn überhaupt noch be- reit, die Investitionen zu tätigen, die nötig sind, um ein bundesweites Ver- triebssystem aufzubauen?2.) Darüber hinaus werden den Unternehmen auch noch Beschränkun- gen bei den Live-Wetten auferlegt. Aus den Stellungnahmen der Sportwettenanbieter im Ausschuss wissen wir, dass etwa 60 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Live-Wetten-Bereich stammen. Nach dem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrages soll es ihnen nur erlaubt sein, Live-Wetten auf Endergebnisse anzubieten. Wieso das der Fall sein soll, erschließt sich mir nicht. Warum soll es verboten sein, auf ein Tor seines eingewechselten Lieb- lingsspielers zu tippen? Noch schlimmer ist ein solches Verbot bei einer Endrunde. Stellen Sie sich vor, Deutschland stünde im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr in Polen und Ukraine. Und Sie würden gerne darauf tippen, dass Deutschland im Elfmeterschie- ßen weiterkommt, dann dürften Sie das nicht, weil es nur erlaubt wäre, auf das Ergebnis nach 90 Minuten zu tippen und nicht auf jenes nach 120 Minuten.3. Nun kommt der mit Abstand wichtigste Punkt, weshalb es dem Glücks- spielstaatsvertrag nicht gelingen wird, den bestehenden Graumarkt aus- zutrocknen und das dort stattfindende Spiel in legale Quellen nach Deutschland zu kanalisieren und umzuleiten. Die Konzessionsabgabe beträgt 16,66 Prozent auf den Spieleinsatz. Wem nun bekannt ist, dass die Sportwettenanbieter eine Ausschüttungsquote von 90 Prozent errei- chen, der wird feststellen, dass die Sportwettenanbieter mit jedem Euro Ertrag zeitgleich 1,66 Euro Konzessionsabgabe an den Staat abführen müssten. Zum Vergleich: Beim Lotto hat eine solch hohe Konzessionsausgabe auch nur einen entsprechenden Erfolg, weil die Ausschüttungsquote bei niedrigen 50 Prozent liegt. Durch eine Abgabe von 16,66 Prozent wären die Sportwettenanbieter gezwungen, eine solch schlechte Quote anzubie- ten, dass eine effektive Austrocknung des Graumarktes nicht mehr erfol- gen könnte. Frankreich ist vor Jahren mit einem ähnlichen Versuch gestartet. Frank- reich hat damals eine Konzessionsabgabe in Höhe von 7,5 Prozent auf den Spieleinsatz verlangt und konnte im Ergebnis nur 20 Prozent des be- stehenden Graumarktes kanalisieren.Frank Zabel, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: info@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 3 Die Aussage im Antrag der SPD, der Landtag verurteile ‚ausgeprägten Lobbyismus’, trifft bei mir ebenfalls auf Unverständnis. Interessenvertre- tung darf kein Vorwurf sein, auf keiner Seite. Anhörungen sowie die dortigen Äußerungen sind ein fester Bestandteil unseres Rechtsstaates und unseres Parlamentarismus. Eine Anhörung gibt einem Betroffenen die Möglichkeit, den eigenen Standpunkt zu einem Gesetzesentwurf vorzubringen. Sie hat den Zweck, den Sachverhalt auf- zuklären, um eine richtige Entscheidung des Gesetzgebers herbeizufüh- ren, die die Rechte des Angehörten wahrt. So haben wir denn in der An- hörung sehr aufmerksam den von Dr. Dolgner benannten sogenannten ‚Experten’ Prof. Dietlein und Dr. Hecker als Vertreter des Lottoblocks zu- gehört und ihre sogenannten ‚Gutachten’ studiert. Ganz deutlich wurde dabei, dass sie ihre juristischen Expertisen nicht unabhängig von ihrer ‚payroll’ erstellen – ‚wes Brot ich ess, des Lied ich sing’. Dass es aber möglich ist, in so einem Anhörungsverfahren dazu zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, zeigen die Grünen.Ihre Eckpunkte zu einer Neuregelung eines Glücksspielstaatsvertrages können wir fast bedingungslos unterschreiben, es sind ja quasi unsere. Sie haben sowohl das europarechtliche Problem, als auch die Schwierig- keit unangemessener Besteuerung verstanden, und Sie sprechen sich zudem dafür aus, dass Internetsperren ausgeschlossen werden müssen.Umso unverständlicher ist mir aber deshalb Ihre Forderung, liebe Frau Heinold, nach einer unbedingt notwendigen bundeseinheitlichen Lösung. In Ihrer Pressemitteilung vom 18. Mai haben Sie folgendes erklärt: ‚Noch vor der Sommerpause - und damit vor einer möglichen Einigung der Bun- desländer - soll das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz im Land- tag verabschiedet werden. Schwarz-gelb hat offensichtlich kein Interesse an einer bundeseinheitlichen Lösung.’Wir haben uns einer bundeseinheitlichen Lösung nie verschlossen. Im Gegenteil, wir haben bereits vor einem Jahr einen ersten Entwurf für ei- nen neuen Glücksspielstaatsvertrag als Diskussionsgrundlage vorgestellt. Wir haben für unsere Überzeugung und Ideen geworben, leidenschaftlich argumentiert und anscheinend sogar Sie überzeugt. Jedoch müssen wir einsehen, dass die anderen Bundesländer für eine Öffnung nach unseren Vorstellungen, nach ihren definierten Eckpunkten nicht bereit waren und sind. In einer solchen Situation bleibt uns nur die Möglichkeit, einen eige- nen Weg zu beschreiten. Sollten die Bundesländer ihre Meinung ändern, wie jetzt von einigen Seiten zu hören ist, sind wir gerne bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.Ich komme abschließend noch einmal zu den angesprochenen Themen und Problemen der letzten gemeinsamen Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses und des Finanzausschusses zurück.1. Ein liberalisierter Markt wird selbstverständlich keine geringeren Ein- nahmen für die öffentlichen Haushalte bedeuten. Selbst wenn ab sofort morgen niemand mehr Sportwetten abschließen würde, wären die Ein- nahmen aus Lotto immer noch gleich hoch. Eine Marktöffnung, wie vonFrank Zabel, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: info@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/ 4 uns vorgesehen, kann gegenüber einem Verbot im schlimmsten Fall nur gleich hohe, nicht aber geringere Einnahmen erzielen.2. Es erfolgt, anders als vom SSW behauptet, keine automatische Aner- kennung von Lizenzen anderer EU-Staaten, sondern lediglich eine privile- gierte Prüfung. Es gilt die Vermutung, dass gewisse Zulassungsvoraus- setzungen vorliegen, Versagungsgründe hingegen nicht. Entsprechende Nachweise können von der Prüfstelle jedoch jederzeit verlangt werden. Geregelt ist dies im Einzelnen für die Online-Casinospiele in den §§ 19 Abs. 4 und § 20 Abs. 4 sowie für die Wetten in §§ 22 Abs. 4 und 23 Abs. 4.3. Von Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes, also Schleswig- Holstein, Glücksspiele vertreiben, wird eine Glückspielabgabe erhoben. Die Abgabe entsteht mit dem Zustandekommen des Spielvertrages. Da- durch ist sichergestellt, dass die Einnahmen wie vorgesehen dem Land Schleswig-Holstein zu Gute kommen. Dafür wird unser Finanzminister Rainer Wiegard schon sorgen.4. Ich finde es abscheulich, wenn auf Kosten der Beschäftigten unbe- gründete Gerüchte in die Welt gesetzt werden. Dass NordwestLotto aus dem Lottoblock geworfen würde, wenn Schleswig-Holstein ein eigenes Gesetz beschließt, ist frei erfunden. Mit einem Ausschluss von Nordwest- Lotto würde der Deutsche Lotto- und Totoblock selbst gegen die von ihm viel beschworene Kohärenz im Glücksspielwesen verstoßen. Zudem wür- de er sich gleichzeitig der Gefahr aussetzen, dass NordwestLotto sich ei- nem anderen Gewinnspiel (zum Beispiel Eurojackpot) anschließt und da- mit insgesamt für Spieler attraktiver würde. Außerdem nebenbei bemerkt: Wir halten doch an dem Monopol auf Lotto fest, wer sollte also Interesse daran haben, Schleswig-Holstein ‚rauszuwerfen’?Wir sind auch weiterhin an einer gemeinsamen bundeseinheitlichen Lö- sung interessiert. Wir müssen uns jedoch eingestehen, dass die anderen Länder sich zu einer mit Europa- und Verfassungsrecht nicht vereinbaren Lösung bekennen und uns somit außer dem Beschluss unseres vorgeleg- ten Gesetzesentwurfs keine nennenswerte Alternative lassen. Ich bitte Sie, die kommenden Wochen zu nutzen und sich intensiv mit dem Geset- zesentwurf und möglichen Änderungen zu beschäftigen, um noch vor der Sommerpause das Gesetz in zweiter Lesung zu verabschieden.Frank Zabel, Pressesprecher, v.i.S.d.P., FDP Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Landeshaus, 24171 Kiel, Postfach 7121, Telefon: 0431/9881488 Telefax: 0431/9881497, E-Mail: info@fdp.ltsh.de, Internet: http://www.fdp-sh.de/