Andreas Beran zu TOP 19 + 25: CDU-FDP-Plan: Gewinne für wenige, Folgekosten für alle
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 27. Mai 2011TOP 19 + 25, Novellierung des Glückspielstaatsvertrags (Drucksache 17/1453, 17/1480)Andreas Beran:CDU-FDP-Plan: Gewinne für wenige, Folgekosten für alleJedem, der sich mit der Gesetzesinitiative zum Glücksspiel auseinandersetzt, muss klar werden: Nicht der Schutz vor Sucht steht auf einmal im Vordergrund, sondern der freie Wettbewerb - koste er, was er wolle! Dies ist ein Wertewandel im Umgang mit dem Glücksspiel in unserem Lande, sowohl hier, in Schleswig-Holstein, als auch im Bund. Es geht schon lange nicht mehr um eine Liberalisierung des Glücksspiels, nein es geht um eine Radikalisierung, hier in Schleswig- Holstein. Radikalisierung, weil die Gesetzesinitiative einiger in den Regierungsfraktionen künftig alles, wirklich alles, was auf dem Glücksspielmarkt möglich ist, hier auch zulassen wird. Das ist Las Vegas pur, mit allen dazugehörigen sozialen Folgen.Der von unseren beiden parlamentarischen Glücksrittern, Herrn Kubicki und Herrn Arp, gewollte und unterstützte Alleingang Schleswig-Holsteins schafft das erste Mal in der jüngsten Geschichte Deutschlands zweierlei Recht für dessen Bürgerinnen und Bürger. Kleinstaaterei kann in Deutschland nicht erstrebenswert sein. Deren Folgen, zum Beispiel beim Länderfinanzausgleich, sind noch gar nicht absehbar.Gleiches Recht für alle muss auch weiterhin gelten. Die Europäische Union lässt in dieser Frage ausdrücklich unterschiedliche Vorgehensweisen zu, aber wenn es innerhalb von Deutschland 2keine Einigung gibt, wird ganz Deutschland seine Position gegenüber der Europäische Union nicht halten können. Die sozialen Folgen wären unabsehbar. Die Folgekosten muss die Gesellschaft tragen, währen die Glücksspiel(raub)ritter dicke Gewinne einstreichen werden. Denn dies ist der wahre Grund dieser Gesetzesinitiative. Alle anderen vorgebrachten Gründe sollen davon lediglich ablenken. Schwarz-Gelb ist wieder mal vorne weg, wenn es darum geht, Gewinne zu privatisieren und die Folgen der Allgemeinheit aufzubürden! Aber das ist nur konsequent, denn Ihre Philosophie lautet: Das Wohl weniger ist wichtiger als das Wohl aller!Dies allein reicht schon aus, um zu verstehen, warum wir diesen Antrag gestellt haben. Wir wollen ein einheitliches Vorgehen, bundesweit. Dabei stellen wir nicht die Interessen der Glücksspielanbieter in den Vordergrund, sondern die der Allgemeinheit. Dies auch, wenn uns einige Passagen in dem Entwurf des neuen Glückspielstaatsvertrages Bauchschmerzen verursachen.Wir wollen zum Beispiel keine Netzsperren im Internet. Auch ohne Netzsperren ist es technisch möglich, Onlinespiele im vernünftigen Rahmen zu kanalisieren. Andere Länder haben dies bereits vorgemacht. Wir halten es auch für nicht richtig, im neuen Glücksspielstaatsvertrag einen Paradigmenwechsel vorzunehmen. Für uns Sozialdemokraten hier in Schleswig-Holstein steht als Ziel immer noch der Schutz der Bevölkerung vor unseriösen Anbietern vor dem wirtschaftlichen Interesse einzelner.Seitens der Befürworter einer Radikalisierung des Glückspielangebots werden uns Vorteile genannt, die nach einem Blick in den Gesetzentwurf nicht haltbar sind. So wird davon gesprochen, dass man in Schleswig-Holstein Konzessionen vergeben will und nur, wer eine Konzession hat, kann dann in Schleswig-Holstein Glücksspiele anbieten. Doch Sie finden nicht einmal den Begriff „Konzession“ in dem vorliegenden Entwurf. Stattdessen ist da von Genehmigungen die Rede, für die sicher eine Gebühr entrichtet werden muss. Dies ist jedoch nicht mit einer Konzessionsabgabe zu vergleichen.Und wenn Sie keine spezielle, in Schleswig-Holstein ausgestellte Genehmigung haben, so können sie als Wettanbieter mit einer Zulassung eines anderen europäischen Staates trotzdem ihre Wetten in Schleswig-Holstein anbieten. Zwar gibt es keine einheitlichen europäischen 3Standards hinsichtlich Seriosität, Zuverlässigkeit und ethischer Mindestanforderungen für die Anbieter von Wettgeschäften, aber der Gesetzentwurf fingiert einfach die Zulässigkeit jedes Wettanbieters, der mit einer wie auch immer erworbenen „Offshore-Konzession“ eines anderen europäischen Staates herumwedelt. Warum soll der sich dann auch noch hier niederlassen, wenn auf Malta nicht nur das Wetter erheblich besser ist?Übrigens beurteilt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Mengozzi die Zulassungspraxis einiger EU-Länder wie folgt: „…die geeignet sind, das gegenseitige Vertrauen (Art. 10 EG), auf das eine eventuelle Harmonisierung des Sektors1 oder zumindest das System der gegenseitigen Anerkennung der Erlaubnisse im Bereich des Glücksspiels gestützt werden müsste, selbst zu zerstören“. In diesen Missbräuchen erkennt der Generalanwalt auch noch „ein zusätzliches Argument für die Notwendigkeit, eine gegenseitige Anerkennung auszuschließen“. Und Anbieter solcher Art und Güte wollen Sie ernsthaft auf die Menschen in unserem Lande loslassen?Mit der Gesetzesvorlage möchte man, dass sich die Glücksspielanbieter in Schleswig-Holstein niederlassen. Dabei will man sie locken, indem man „nur“ einen Abgabensatz von 20% der Bemessungsgrundlage erheben will. Die Bemessungsgrundlage ist der Rohertrag aus den angebotenen und durchgeführten Glückspielen. Eine Frage sei hier erlaubt: Kann ein Bundesgesetz durch ein Landesgesetz ausgehebelt werden? In § 17 des Renn-, Wett- und Lotteriegesetzes wird eine Abgabe von 16,66 Prozent vom Umsatz vorgeschrieben. Sie finden diese Abgabe in gleicher Höhe auch im Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags wieder, eben genau aus diesem Grund: um Bundesrecht einzuhalten. Ich habe mal gelernt, Bundesrecht geht vor Landesrecht. Gilt das heute nicht mehr?Das Glücksspielgesetz kann diese Bundessteuer nicht aushebeln. Die von Ihnen versprochen eigenen Erträge des Landes können im übrigen nur dann generiert werden, wenn sich Land und Bund darauf einigen, dass z.B. Sportwetten nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen1 Schlussantrag Rs. C-316/07 u.a. vom 4.03.2010 , Rn. 100, zitiert aus Stellungnahme Prof. Dr. Johannes Dietlein, Uni Düsseldorf, Udr. 17/2219, S. 10 f.. 4und daher eine Glücksspielabgabe des Landes erhoben werden kann. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei den Verhandlungen mit Herrn Schäuble; es wäre übrigens das erste Mal, dass sich diese Regierung mit irgendetwas in Berlin mal durchsetzen könnte.In den stattgefundenen Diskussionen haben wir etwas über zusätzliche Einnahmen für das Land gehört. Herr Arp hatte diese einmal in einer Landtagsrede mit 60 Mio. Euro beziffert. Kein Glücksspielanbieter konnte uns während der Anhörung diese oder gar eine andere Summe als zusätzliche Einnahme bestätigen - trotz mehrmaliger Nachfrage während und auch außerhalb der durchgeführten Anhörung.Gerade die Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker der Regierungsfraktionen hatten bereits wegen der versprochenen Mehreinnahmen förmlich die Eurozeichen in den Augen. Aber glauben Sie ernsthaft, dass wir mit Hilfe des Glücksspiels unsere finanzpolitischen Probleme lösen werden? Die Einnahmen, die wir vielleicht tatsächlich zusätzlich erlangen sollten, benötigen wir dann für die Beseitigung der sozialen Folgeschäden. Da bleibt dann auch nichts mehr für den Sport nach.Ein weiteres Thema, das für Unsicherheit sorgt, ist das Lottomonopol. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass dieses erhalten bleiben soll. Es stellt sich jedoch die dringende Frage, ob die EU bei einer eventuell eingereichten Klage dieses Monopol nicht aufheben würde. Gerade das Lottospiel ist aufgrund seiner Angebotsstruktur am wenigsten suchtgefährdend. Dies allein könnte für die EU Anlass sein, das Monopol zu kippen. Ich bin überzeugt, dass dies den Glücksspielanbietern auch bekannt ist. Sie werden nach einer gewissen Schamfrist dann auch in dieses Geschäft drängen wollen.Eine Sicherung vorhandener Arbeitsplätze ist das nicht! Dies haben nicht nur wir, sondern auch sämtliche Betriebsräte der Lotterieunternehmen der Länder und die über 20.000 Annahmestellenleiter in Deutschland erkannt. Ein entsprechendes Schreiben liegt allen Abgeordneten vor.Sehr geehrte Damen und Herren, ich wollte Sie nun nicht langweilen mit diesen Details aus dem Entwurf des Glückspielgesetztes. Mir liegt jedoch daran, zu verdeutlichen, dass die Versprechungen, die uns seitens der Unterstützer der Glücksspielanbieter gemacht werden, sich 5in dem Gesetzesentwurf ganz anders darstellen. Geradezu verblüfft bin ich über das Verhalten des Mittelstandsbeauftragten. Für wen ist er nun eigentlich da? Für die Großen im Glücksspiel oder für die kleinen und mittelständischen Lottoannahmestellen? Wir von der SPD-Fraktion haben die Einrichtung eines Mittelstandsbeauftragten von Anfang an für nicht akzeptabel gehalten. Wenn er jetzt sogar gegen die Interessen des Mittelstandes arbeitet, so war es zu vernehmen in der öffentlichen Anhörung, dann wird noch einmal deutlich, wie überflüssig dieser Posten oder aber zumindest, wie ungeeignet Herr Arp für diese Position ist.Die Bedeutung der Annahmestellen im ländlichen Bereich ist in der Anhörung gut rüber gekommen. Fallen diese künftig weg, was bei dem Vorhaben der Regierungsfraktion ziemlich realistisch ist, wäre die Folge ein weiteres Sterben von Läden im ländlichen Bereich.Sehr geehrte Damen und Herren, handeln Sie zum Wohle des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger! Wenn Sie die Einnahmen des Landes sichern und auf dieser Grundlage stärken wollen, dann schließen Sie sich dem Bestreben der anderen Bundesländer an. Auf dem Gebiet des Glücksspielwesens sind wir Schleswig-Holsteiner nur in der Gemeinschaft aller Bundesländer stark. Daher bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag.