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26.05.11
16:09 Uhr
SPD

Martin Habersaat zu TOP 13: Optimierungspotentiale nutzen!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 26. Mai 2011


TOP 13: Große Anfrage Fremdsprachenvermittlung (Drucksache 17/1423)



Martin Habersaat: Optimierungspotentiale nutzen!

In einer Zeit, da die FDP noch sehr beliebte Außenminister stellte, kam Hans-Dietrich Genscher einmal zu der Einsicht, sein Verhältnis zur französischen Sprache ähnele dem Verhältnis zu seiner Frau. Genscher sagte: „Ich liebe sie, aber ich beherrsche sie nicht.“ Politiker späterer Jahre konnten mit ihren Fremdsprachenkenntnissen weniger locker umgehen, Europäisierung und Globalisierung fordern mehr. Von der Aufzählung peinlicher Beispiele sehe ich ab.
Die Menschen sind im Umgang mit Völkern, die andere Idiome verwenden als sie selbst, im Wesentlichen mit zwei Strategien vorgegangen: Sie haben die Sprachen der anderen gelernt oder sie haben sich einer übergreifenden Verkehrssprache, einer lingua franca, bedient, die zumindest in einem Teil der Welt nationenübergreifend verwendet wurde. Dabei ist die Beherrschung fremder Sprachen kein Privileg der sozialen und Bildungseliten gewesen, sondern war gerade bei Soldaten und Händlern unerlässlich. Auch heute sollte die Beherrschung fremder Sprachen eine Chance für alle sein.
Ein paar Optimierungsmöglichkeiten auf diesem und anderen Feldern zeigt die Antwort auf unsere Große Anfrage auf. Ich werde fünf Punkte benennen, ohne Vorwurf an irgendwen, gemeint als Auftrag an uns alle. Die Antwort auf unsere Anfrage liefert umfangreiche Fakten und Datenmaterial, für das ich mich beim Ministerium und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den vielen dafür befragten Einrichtungen bedanke.
Schleswig-Holstein hat seit längerem einen der Grundfehler des deutschen Bildungssystems überwunden, Kinder erst im Alter von zehn Jahren an eine Fremdsprache heranzuführen. Die Erfahrungen in bilingualen Familien zeigen, dass Kinder gerade in sehr jungem Alter in der Lage 2



sind, mehrere Sprachen zu lernen und zu gebrauchen. Dass dabei Englisch im Mittelpunkt stehen muss, ist wohl unstrittig, weil es nun einmal die lingua franca unserer Zeit ist.
In zahlreichen Kindertageseinrichtungen wird den Kindern eine spielerische Begegnung mit der englischen Sprache ermöglicht. 15 Einrichtungen nutzen die Immersionsmethode, bei der die Fremdsprache in Gestalt einer Fachkraft Teil des Alltages wird. Außer Englisch werden auch Französisch, Russisch, Türkisch und sogar Japanisch angeboten. Neben der Offenheit für Fremdsprachen wird auch die Offenheit für fremde Kulturen gefördert, die bei Kindern per se vorhanden ist, aber zuweilen mit den Jahren verloren geht.
Leider gibt es dann einen Bruch im System – nämlich dann, wenn nach dem Kindergarten der Übergang in eine Grundschule folgt, in der Englisch erst ab Klasse 3 wieder auftaucht. Eine zu klärende Frage ist also: Wieweit ist sichergestellt, dass Kinder, die in der KiTa ins Englische eingeführt worden sind, in Klasse 1 und 2 der Grundschule ein solches Angebot vorfinden? Optimierungspotential 1: Den Übergang von der Kita in die Grundschule verbessern.
Die Versorgung mit Fremdsprachenassistenten hält mit der Nachfrage an den Schulen bei weitem nicht Schritt. Aus Sicht der Landesregierung ist der wichtigste Grund dafür, dass die Nachfrage nach der Fremdsprache Deutsch in den englisch- und französischsprachigen Ländern deutlich zurückgegangen ist. Es ist nicht Sache des Landes, die Gründe dafür zu erforschen; dennoch wäre es interessant zu erfahren, warum das so ist. Möglicherweise hat der Bund durch Einsparungen beim Goethe-Institut und anderen Einrichtungen zumindest dazu beigetragen, dass Deutsch im Ausland weniger präsent ist. Optimierungspotential 2: Mehr Fremdsprachenassistenten werben.
Man darf nicht übersehen, dass in Osteuropa das Interesse am Deutschen ungebrochen ist. Deutsch ist keine Weltsprache und wird nie eine werden, aber das gilt für die meistgesprochene Sprache der Welt, das Chinesische, in noch stärkerem Maße. Es ist unterstützenswert und mutig, dass einige Schulen in Schleswig-Holstein Chinesisch im Angebot haben. Die Fachhochschule Lübeck konnte dem Wirtschaftsausschuss dieses Hauses in der vergangenen Woche von beeindruckenden deutsch-chinesischen Projekten berichten. Im Lande tut sich einiges, auch Hamburg hat durch die Partnerschaft zu Shanghai das Chinesische an manchen Schulen eingeführt. Das kann gemeinsam ausgebaut werden. Optimierungspotential 3: Den ganz nahen und den ganz fernen Osten mehr einbeziehen.
Der Weg zur Ganztagsschule mit unterrichtsergänzenden Angeboten bietet Chancen, auch weniger verbreitete Fremdsprachen in die Schule einzubeziehen. Es müssen nicht immer die so oft bemühten Sportvereine sein, es können auch Einzelne sein, die eine etwas abgelegenere 3



Fremdsprache gut genug beherrschen, um Schüler mit ihr so vertraut zu machen, dass sie die Anfangsfähigkeiten erwerben und darauf aufbauend weiterlernen können.
Zurück zu den Standard-Fremdsprachen an unseren Schulen: Wenn ich mir die Zahlen zu den Partnerschaften mit ausländischen Schulen und Schulfahrten dorthin ansehe, ist festzustellen, dass solche Aktivitäten weiterhin weitgehend ein Privileg der Gymnasien sind. Es überrascht mich die Aussage des Ministeriums, an den Regional- und Gemeinschaftsschulen des Landes seien keine bilingualen Angebote bekannt (S.12). Entweder werben Gemeinschaftsschulen im Internet mit unrichtigen Angaben, oder es wurde nicht gut genug hingeschaut. Optimierungspotential 4: Alle Schulen des Landes in den Blick nehmen.
Wenn zur Vertiefung des Englisch-Unterrichts nicht nur nach Großbritannien, sondern auch in die USA, nach Kanada, Neuseeland oder Tansania gefahren wird, frage ich mich allerdings, wie das finanziert wird, dass dabei finanzschwächere Schüler nicht ausgeschlossen werden. Ich gehe davon aus, dass die Schulen dieses Problem verantwortungsvoll lösen.
Im Zusammenhang mit den Auslandsaufenthalten hat es mich besonders gefreut, dass die wenigen Schulen, die Russisch-Unterricht erteilen, nicht nur nach Russland, sondern auch nach Weißrussland reisen. Ich denke, wir sollten gerade solche Kontakte ganz besonders fördern, um durch zwischenmenschliche Kontakte die Bunkermentalität des dortigen Regimes aufzubrechen.
Das ist umso wichtiger, als vor wenigen Tagen eine ganze Reihe von Oppositionspolitikern und Kandidaten bei der zurückliegenden so genannten Präsidentschaftswahl zu drakonischen Gefängnis- und Lagerstrafen verurteilt wurden, darunter auch erneut der Vorsitzende der dortigen Sozialdemokraten, Nikolai Statkewitsch, den wir in der Vergangenheit wiederholt hier im Landtag haben begrüßen können. Wir fordern die Führung in Belarus auf, die Oppositionspolitiker freizulassen, und hoffen, dass wir Statkewitsch und andere weißrussische Demokraten bald wieder bei uns begrüßen können. Optimierungspotential 5: Liegt nicht im eigenen Lande.
Die Nachwuchssicherung für die Lehrkräfte in den Fremdsprachen ist nach Auskunft der Landesregierung nicht zufrieden stellend. In Latein, Französisch und Spanisch besteht bereits jetzt akuter Mangel. Das Land muss die Universität Flensburg darin unterstützen, künftig Französisch-Lehrer auszubilden. Die Universität Flensburg plant Romanistik-Initiativen, wird aber auf die Unterstützung des Landes angewiesen sein. Das wird nicht ohne zusätzliche Ressourcen zu machen sein. Optimierungspotential 5 für Schleswig-Holstein lautet also: Ein gemeinsames Konzept mit den Universitäten zur Sicherung des Lehrernachwuchses umsetzen. 4



„Die beste Mitgift für eine gute Zukunft sind gute Sprachkenntnisse. Deshalb: ‚Sprachen lernen, ein Leben lang!’“ Dieses Zitat stammt vom Vorsitzenden des Deutschen Volkshochschulverbandes, übrigens einer meiner Amtsvorgänger als bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, unser heutiger Bundestagsabgeordneter Dr. Ernst Dieter Rossmann.
Die Zahlen des Volkshochschulverbandes über die Nachfrage nach Fremdsprachenangeboten zeigen, dass die Bereitschaft dazu vorhanden ist. Jedes Jahr belegen rund 60.000 Schleswig- Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner Sprachkurse an Volkshochschulen (Deutsch als Fremdsprache ist dabei nicht berücksichtigt).
Alles in allem ist Schleswig-Holstein auf einem guten Weg, es geht aber in Teilen besser.
Ich bitte darum, die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage in den Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen.
Abschließen möchte ich mit einem Ceterum censeo, das, wie Sie wissen, nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben darf: Im Übrigen bin ich nämlich der Meinung, dass die von der Mehrheit dieses Hauses geplante Wahlkreiseinteilung ein Skandal ist.