Anette Langner: Potenziale entfalten und Benachteiligte zu Fachkräften machen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 25. Mai 2011TOP 11 + 39, GA Ausbildungssituation im Hotel- und Gaststättengewerbe + Im Bündnis für Ausbildung neue Schwerpunkte setzen (Drucksachen 17/1241, 17/1516, 17/1548)Anette Langner:Potenziale entfalten und Benachteiligte zu Fachkräften machenIch möchte an dieser Stelle nur kurz auf die Beantwortung der Großen Anfrage zur Ausbildungssituation im Hotel- und Gaststättenbereich eingehen, da wir über das Thema auf der Grundlage eines Antrages unserer Fraktion im Dezember ausführlich diskutiert haben. Nach wie vor bleibt festzuhalten: Auch wenn es sich vielleicht nur um wenige „schwarze Schafe“ handelt, in deren Betrieben die Ausbildung unter schwierigen, z. T. nicht rechtmäßigen Bedingungen stattfindet, muss es im Interesse aller Betriebe in Schleswig-Holstein sein, die eine qualitativ gute Ausbildung anbieten, diese Missstände zu beseitigen.Hier sind die Ausbildungsbetriebe, die Kammern, die Aufsichtsbehörden, die beruflichen Schulen und nicht zuletzt die Landesregierung gemeinsam gefordert, in diesen - für das Touristikland Schleswig-Holstein so wichtigen - Ausbildungsbereichen attraktive Ausbildungsbedingungen zu schaffen.Insgesamt, und das gilt für den gesamten Ausbildungsstellenmarkt, muss neben der quantitativen Bewertung die Diskussion über die Qualität der Ausbildung eine größere Rolle spielen. Der Anteil der Ausbildungsabbrüche ist in den Hotel- und Gaststättenberufen besonders hoch, aber auch für alle anderen Ausbildungsberufe gilt: 20 bis 25% aller Ausbildungsverhältnisse werden während der Laufzeit des Vertrages gekündigt oder aufgelöst. Das sind verschwendete Ressourcen bei den Ausbildungsbetrieben einerseits und ein demotivierender Start ins Berufsleben für die 2Auszubildenden andererseits. Deshalb müssen wir alle ein Interesse daran haben, die Auflösungsquote in der Ausbildung deutlich zu senken!Und damit will ich zu unserem Antrag kommen. Seit der Gründung des Bündnisses für Ausbildung haben sich die Rahmenbedingungen am Ausbildungsstellenmarkt verändert. Hatten wir in den letzten Jahren noch eine deutliche Lücke zwischen angebotenen Lehrstellen und Bewerbern, ging es vor allem darum, Betriebe und Unternehmen zu motivieren, mehr Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen, neue Formen der Ausbildung wie Ausbildungsverbünde und Teilzeitausbildungen zu entwickeln oder Ausbildungsplätzen in Betrieben von Migrantinnen und Migranten zu akquirieren. In dieser Hinsicht ist und war das Bündnis für Ausbildung mit seinen Partnern eine Erfolgsgeschichte.Heute sind die Herausforderungen andere: Viele Betriebe können ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen und in verschiedenen Berufen droht ein Fachkräftemangel. Daneben steigt die Zahl der Jugendlichen in dem sogenannten Übergangsbereich – seit 2005 um mehr als 20%. Diese Maßnahmen sollen eine Integration in Ausbildung zum Ziel haben, aber in vielen Fällen wird dieses Ziel nicht erreicht.Dies muss im Bündnis für Ausbildung zu einer veränderten Schwerpunktsetzung führen, die nicht allein mit der Frage nach der Ausbildungswilligkeit und Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen zu beantworten ist, die zur Zeit - wie wir in Gesprächen erfahren haben - im Bündnis für Ausbildung sehr kontrovers diskutiert wird. Es muss in der gemeinsamen Verantwortung der Bündnispartner sein, möglichst jedem jungen Menschen, der in Schleswig-Holstein die Schule mit dem Wunsch einer beruflichen Ausbildung verlässt, ein Angebot machen zu können. Nach der integrierten Ausbildungsstatistik für 2010 des Statistischen Bundesamtes befinden sich über 18.000 Jugendliche in dem sogenannten Übergangsbereich, der nicht immer eine erfolgreiche Vermittlung in Ausbildung gewährleistet.Potenziale konsequent entfalten und Benachteiligte zu Fachkräften machen, ist deshalb die notwendige Forderung, die sich im Übrigen auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in ihren Handlungsempfehlungen zur Fachkräftesicherung zu Eigen gemacht hat. Andere Länder, wie Hamburg und Nordrhein-Westfalen, haben auf diese Situation beispielsweise so reagiert: 3Das Übergangssystem wird gestrafft und umgestaltet. Die Bündnispartner gewährleisten eine ausreichende Anzahl betrieblicher, schulischer und außerbetrieblicher Ausbildungsplätze unter Berücksichtigung der Anforderungen der regionalen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.Die strategisch-konzeptionelle Neuausrichtung des Übergangssystems konzentriert sich auf zwei klare Wege: 1. Wer eine Ausbildung schaffen kann, soll eine erhalten, auf den üblichen Wegen im dualen System oder in vollzeitschulischen Bildungsgängen. 2. Wer eine Ausbildung voraussichtlich noch nicht schafft, erhält gezielte individuelle Förderung in dualisierten Formen der Berufsvorbereitung mit klaren Übergängen und einem Anspruch auf eine betriebliche oder überbetriebliche Ausbildung. Für nicht ausbildungsreife Jugendliche mit besonders schwierigen psychischen, sozialen oder familiären Problemen gibt es besondere Angebote in Produktionsschulen oder Jugendwerkstätten. Diese systematische Bündelung aller Aktivitäten zu einer Bildungskette, in der Angebote sinnvoll aufeinander aufbauen, macht aus Warteschleifen echte Perspektiven für Jugendliche beim Übergang von der Schule in den Beruf und bindet die Kompetenzen der unterschiedlichen Partner im Ausbildungssystem dort, wo sie am wirkungsvollsten sind.Die guten Grundlagen, die wir in Schleswig-Holstein im Bündnis für Ausbildung und mit dem Programm Schule und Arbeitswelt in den vergangenen Jahren geschaffen haben, in diesem Sinne weiterzuentwickeln, muss deshalb Zielsetzung für das Bündnis für Ausbildung sein. Nicht nur um dem Fachkräftemangel zu begegnen, nicht nur um keinen Jugendlichen zurückzulassen und alle Talente und Potenziale zu nutzen, sondern auch, weil unzureichende Berufsbildung die öffentlichen Haushalte pro Altersjahrgang mit 1,5, Milliarden Euro belastet.Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.