Bernd Schröder zu TOP 26: Städte brauchen auch Investitionen in das soziale Miteinander
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 25. März 2011TOP 26, Programm „Soziale Stadt“ erhalten (Drucksache17/1366)Bernd Schröder:Städte brauchen auch Investitionen in das soziale MiteinanderSeit 1999 ist im Rahmen des neuen Städtebauförderungsprogramms das Programm „Soziale Stadt“ aufgelegt worden, das neben investiven Maßnahmen auch nichtinvestive Maßnahmen und Projekte aus den Bereichen Integration, Qualifizierung und lokale Ökonomie bündelt und fördert.Gerade mit seinem umfassenden „bottom-up“-Bürgerbeteiligung-von-unten-nach oben- Ansatz der Bewohnerbeteiligung ist die „Soziale Stadt“ zukunftsweisend für die Städtebauförderung und Planungsprozesse insgesamt und hat viele Jahre lang eine Erfolgsstory in Deutschland und Schleswig-Holstein geschrieben.Das Programm hat mehr als 350 Kommunen erreicht, nicht nur Städte, sondern auch Dörfer mit sozialen Brennpunkten. Es profitieren inzwischen 571 Gebiete von der Förderung. Hier werden Wege beschritten, wie sozialen Konflikten innerhalb von Nachbarschaften, der sozialen Entmischung sowie der krisenhaften Entwicklung ganzer Wohnquartiere begegnet werden kann und wie Integrationserfolge erzielt und nachhaltig gesichert werden können.Der Beschluss der Bundesregierung im letzten Jahr, die Mittel für die „Soziale Stadt“ um 70 % zu kürzen, ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die in den vergangenen 10 Jahren im Rahmen von Sozialer Stadt in ihren Stadtteilen und Gemeinden Projekte initiiert haben und in Quartiersräten und Nachbarschaftsinitiativen mitgearbeitet haben. Mit der Kürzung nehmen Union und FDP in Kauf, dass diese Menschen ihr Engagement wegen mangelnder Unterstützung frustriert aufgeben – zum Schaden der Demokratie vor Ort. 2 Darüber hinaus ist die „Soziale Stadt“ ein wesentlicher Baustein im Kapitel „Integration vor Ort“ des nationalen Integrationsplans, denn gerade wenn der Arbeitsmarkt als Integrationsinstrument immer weniger funktioniert, wird das Quartier zum geeigneten Ort für niedrigschwellige Beteiligungsangebote z.B. an den Schulen. Mit dem faktischen Aus für „Soziale Stadt“ wird auch dieser Teil des nationales Integrationsplans zum bloßen Lippenbekenntnis der Kanzlerin und ihrer Integrationsbeauftragten. Interessant und entlarvend ist die Begründung, die vor allem auf Bundesebene von der FDP für die Kürzung gegeben worden ist. So sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Patrick Döring: „Wir wollen uns darauf konzentrieren, mit dem Programm 'Soziale Stadt' Investitionsmaßnahmen zu finanzieren. Die Zeit der nichtinvestiven Maßnahmen, zum Beispiel zur Errichtung von Bibliotheken für Mädchen mit Migrationshintergrund, ist vorbei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das gab es zu Zeiten einer anderen Koalition." Offenbar hat sich die FDP mit ihrer ideologisch begründeten Ablehnung einer modernen, integrierten und integrativen Stadtentwicklungspolitik in der Regierung durchgesetzt. Aber auch in der CDU fehlt wohl der Weitblick zum Thema „Soziale Stadt“. Das Programm ist laut dem Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz ein Spaßprogramm, mit dem Straßenfeste organisiert werden. Wer mit dieser Begründung die Mittel für die „Soziale Stadt“ kürzt, spart kurzfristig etwas Geld, vergisst jedoch die Folgen. Das Programm „Soziale Stadt“ ist präventiv und beugt späteren sozialen Kosten vor. Es ist somit ein wichtiger Beitrag, dass uns Zustände wie in Frankreich mit brennenden Vorstädten erspart bleiben. Gegen die nicht begründbare und sozial kalte Kürzung hat sich auf allen Ebenen Widerstand formiert: Anfang dieses Jahres hat sich das Bündnis „Für eine soziale Stadt“ gegründet. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Deutsche Städtetag, die AWO, der Deutsche Mieterbund und viele andere Organisationen mehr werben für das Programm und wollen politischen Druck erzeugen. Dieses Engagement sollten wir unterstützen und durch die Zustimmung zu unserem Antrag drei Ziele erreichen:o das Programm „Soziale Stadt“ muss im Jahre 2012 wieder auf dem Niveau des Jahres 2010 gefördert werden, o die im Jahre 2011 nicht mehr mögliche Verknüpfung von baulich-investiven mit investitionsbegleitenden sozialen Maßnahmen als Kernpunkt des Programms muss wieder in vollem Umfang möglich werden, 3o der Ausschluss des Programms „Soziale Stadt“ aus der Möglichkeit der Umverteilung von Bundesmitteln zwischen den Programmen der Städtebauförderung muss aufgehoben werden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Umdruck 17/1726 zur „Ganzheitlichen Stadtentwicklung Elmshorn Hainholz“ und auf das Pilotprojekt des Landes 1994-98 in Flensburg Engelsby. Hier wird die Gesamtproblematik deutlich. Zum Schluss möchte ich Caritas-Präsident Dr. Peter Neher zitieren, der am 2.9.2010 gesagt hat: „Wir müssen Menschen unterstützen und nachbarschaftliche Netzwerke stärken. Zukunftsfähige Städte brauchen nicht nur Investitionen in bauliche Maßnahmen, sondern auch Investitionen in das soziale Miteinander.“