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24.03.11
18:01 Uhr
SPD

Dr. Kai Dolgner zu TOP 16: Keine Schnellschüsse bei einem solchen Grundrechtseingriff!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 24. März 2011



TOP 16, Keine anlasslose Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten (Drucksache 17/1354)



Dr. Kai Dolgner:

Keine Schnellschüsse bei einem solchen Grundrechtseingriff!


Eine anlass- und verdachtslose Speicherung der Telekommunikationsdaten stellt einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar. Von den Befürwortern des vor gut einem Jahr als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzes hört man häufig, dass schon die Aufklärung oder Verhinderung einer schweren Straftat die Vorratsdatenspeicherung rechtfertigen würde, leider auch von Innenpolitikern meiner Partei.
Warum speichern wir nicht zukünftig alle Telefongespräche digital, was heute durchaus machbar wäre? Möglichst noch kombiniert mit einer automatischen Schlüsselworterkennung. Wie wäre es, wenn wir alle öffentlichen Gebäude verwanzen und jedes gesprochene Wort aufzeichnen würden? Es könnte hier sicher keiner in Abrede stellen, dass das mindestens eine schwere Straftat verhindern helfen könnte. Aber wollen wir das wirklich? Nein! Wer so argumentiert, redet, ob er es will oder nicht, dem Überwachungsstaat das Wort, in dem eine freiheitlich-demokratisch Gesellschaft unmöglich wäre.
Um eine Abwägung zu gewährleisten, erscheint es sinnvoll, zunächst einmal die Qualität der gespeicherten Daten näher zu beleuchten. In den meisten Fällen, die z.B. bei Delikten im 2



Internet in der Diskussion angeführt werden, geht es darum, dass, wenn ein konkreter Verdacht auf eine Straftat vorlag, es nicht möglich war, den Verdächtigen zu identifizieren, da die dafür notwendige Zuordnung der IP-Adresse zum Anschlussinhaber nicht mehr möglich war. Hierzu führt der bekannte Netzaktivist, Mitglied der Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft" und Verantwortlicher des Arbeitskreises gegen Internetsperren und Zensur, Alvar Freude, aus: „Beim Speichern von IP-Adressen auf Vorrat sehe ich keine große Gefahr. Man kann damit keine Nutzerprofile erstellen und nicht herausfinden, wer wann welche Website besucht hat. Nutzen bringen sie nur, wenn eine konkrete Straftat vorliegt und nun ermittelt werden soll, von welchem Anschluss sie begangen wurde. Da verstehe ich auch den Bedarf der Ermittler und könnte damit leben, wenn die IP-Adressen länger als sieben Tage gespeichert würden."
Eine ganz andere Qualität hat es allerdings, wenn von jedem Bürger gespeichert wird, wer mit wem wann telefoniert, emails geschickt hat etc. Hier sind die Befürworter nach wie vor den Nachweis schuldig geblieben, dass ein solch tiefer Grundrechtseingriff, auch nach einer rechtsstaatlich gebotenen Abwägung mit den betroffenen Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger, Strafverfolgung und Gefahrenabwehr so verbessert, dass dieser gerechtfertigt erscheint.
In der Antragsbegründung wird das viel zitierte „Quick Freeze"-Verfahren als Alternative angeführt. Nun ist das eher ein Sammelbegriff bzw. eine Zielbeschreibung als ein konkretes Verfahren. Zur Bewertung von „Quick Freeze" müsste zunächst geklärt werden, was damit konkret gemeint ist. Das Bundesverfassungsgericht hat unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von dem „Quick Freeze" Verfahren verlangt, dass es geeignet sein muss, den Zweck der Regelung, nämlich die Feststellung der jeweiligen Verbindungen zur Strafverfolgung oder Gefahrabwehr zu erreichen. Dazu müsste „Quick Freeze“ vermutlich auch wieder auf Vorratsdaten zurückgreifen, die dann eventuell sogar noch häufiger abgerufen werden würden.
Sie sehen, es gibt vieles zu bedenken und angesichts der auch von meiner Partei zu verantwortenden Schlappe vor dem Bundesverfassungsgericht verbieten sich Schnellschüsse. Ich beantrage deshalb auch für meine Fraktion Ausschussüberweisung in den Innen- und Rechtsausschuss.