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24.03.11
10:45 Uhr
Linke

Heinz-Werner Jezewski zu Wahlgesetz und Verfassungsänderung: "Die Chance auf wirkliche Umgestaltung wurde vertan."

Rede von Heinz-Werner Jezewski zu TOP 3: Ände- Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin rung des Wahlgesetzes und der Landesverfassung DIE LINKE Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag 116/2011 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Sperrfrist Redebeginn. Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Es gilt das gesprochene Wort. Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 Kiel, 24. März 2011 presse@linke.ltsh.de
www. linksfraktion-sh.de


Heinz-Werner Jezewski zu Wahlgesetz und Verfassungsänderung: „Die Chance auf wirkliche Umgestaltung wurde vertan.“
„Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,
Für mich gibt es drei Seiten, die das Thema Wahlrecht eingrenzen:
‚Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus‘, heißt es in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes, ‚sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen … ausgeübt.‘
‚Wenn Wahlen etwas verändern würden, sie wären längst verboten‘, so wusste schon der große Kurt Tucholsky.
Zu guter Letzt wissen wir auf der anderen Seite, dass Tausende Hamburgerinnen und Hamburger nicht zu den letzten Bürgerschaftswahlen gegangen sind, weil ihnen die Wahlzettel zu kompli- ziert waren und sie fürchteten, damit nicht klar zu kommen.
Niemand sollte vergessen, dass Wahlrecht niemals Selbstzwecks sein darf, sondern stets der Umsetzung von Verfassungsgeboten dient.
Noch vor acht Monaten glaubten viele in diesem Lande, dass Schleswig-Holstein vor einer Staatskrise stehe. Das Landesverfassungsgericht hatte dem Landtag bestätigt, dass er nach ei- nem nicht verfassungsmäßigen Wahlrecht gewählt worden war. Natürlich war und ist auch die Landesregierung von einem Landtag gewählt worden, der nach einem nicht verfassungsgemäßen Wahlrecht gewählt worden ist. Durfte nun das Landesverfassungsgericht uns einfach anweisen, bis zum 30. September 2012 einen neuen Landtag wählen zu lassen?
Diese Frage müssen nicht wir entscheiden, wenn es überhaupt notwendig sein sollte, sie zu ent- scheiden, dann wird das Bundesverfassungsgericht dies tun.



Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Unstrittig scheint zu sein, dass das Landesverfassungsgericht uns anweisen durfte, bis zum 31. Mai dieses Jahres ein neues Wahlgesetz zu verabschieden, und diese Frist wird dieses Haus jetzt unterbieten. Ob die Qualität dieses Gesetzes mit dem Tempo seiner Verabschiedung mithalten kann, daran zweifele ich.
Die grundsätzliche Kritik der LINKEN habe ich oft genug geäußert: Es ist ein sehr bedenkliches Verfahren, die Verfassung zu ändern, um so einfaches Recht verfassungsgemäß zu machen.
Niemand würde auf die Idee kommen, den Satz ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ aus dem Grundgesetz zu streichen, um so weiterhin mehrere Gefangene in einer Gefängniszelle un- terbringen zu können. Sie aber werden gleich die Zahl der Abgeordneten des Schleswig- Holsteinischen Landtages aus der Landesverfassung streichen, weil sie genau wissen, dass ihr Wahlgesetz sonst verfassungswidrig wäre.
Und es möge mir bitte niemand erzählen, es wäre unsinnig gewesen, diese Zahl jemals in die Verfassung reinzuschreiben. Es ist per Definition nicht möglich, etwas Unsinniges in eine Verfas- sung zu schreiben, und das ist in meinen Augen auch gut so. Deshalb wird auch niemand dem neuen Wahlrecht die Übereinstimmung mit der Verfassung abstreiten können, wenn diese erst einmal beschlossen ist.
Wir sollten uns nur über eines klar sein: Die Zielgröße 69 Abgeordnete, die ja als einfache Rechtsnorm weiter bestehen bleibt, wird mit diesem Wahlrecht nur zufällig und unter günstigen Umständen zu erreichen sein.
Es gibt in Deutschland seit geraumer Zeit ein Fünf-Parteien-System, in Schleswig-Holstein durch die politische Vertretung der dänischen Minderheit ein Sechs-Parteien-System. Das Wahlrecht, dass Sie heute beschließen werden, ist aber ausgelegt auf ein Zwei-Parteien-System mit ein oder zwei kleinen Gruppierungen, die es gelegentlich schaffen, die Fünf-Prozent-Hürde zu übersprin- gen.
Auch wenn die FDP sehr hart daran arbeitet, dieses System wieder etwas übersichtlicher zu ma- chen, werden wir bei kommenden Wahlen doch sehen, dass dieses Wahlrecht nicht geeignet ist, Überhang- und Ausgleichsmandate, auch in großer Zahl zu verhindern. Sollte zukünftig eine Par- tei alle – oder zumindest fast alle – Direktmandate erringen, so muss sie gleichzeitig schon auch 50 Prozent der Zweitstimmen holen, um keine Überhangmandate entstehen zu lassen.
Eine Wiederholung des Wahlergebnisses von 2009 – mit insgesamt 5 direkt gewonnenen Wahl- kreisen für die SPD – würde auch nach dem neuen Wahlrecht in diesem Haus zu 97 Abgeordne- ten führen. Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Bei den derzeitigen Prognosen würde jeder Fall, bei dem entweder CDU oder SPD mehr als 21 Direktwahlkreise gewinnen, zu Überhang- und Ausgleichsmandaten führen. Es hätte Möglichkei- ten gegeben, das alles zu verhindern, wir hätten die Möglichkeit gehabt, ein Wahlrecht zu erar- beiten, dass den Erfordernissen der heutigen Parteienlandschaft entspricht und das ebenfalls funktioniert, wenn es zukünftig wieder einmal Volksparteien geben sollte.
Diese Möglichkeit wurde vertan. Ich denke, sie wird wieder ins Gespräch kommen, wenn sich in der Praxis zeigt, dass das heute zu beschließende Wahlrecht die Anforderungen nicht erfüllt, die daran gestellt werden müssen.
Ich will aber nicht nur Schlechtes aufführen.
Sie werden ein Wahlrecht beschließen, das einfach ist. Zwei Stimmen, eine für die Person, eine für die Partei. Das versteht jeder, zumal man es von der Bundestagswahl her so kennt. Einfluss darauf, wer im Endeffekt im Landtag sitzt, haben die Wählerinnen und Wähler so zwar nur bei den direkt gewählten, aber das ist von Ihnen ja durchaus so gewollt. Wo kämen wir denn hin, wenn jetzt die Wähler über die Listen entscheiden, und nicht der Landesparteitag. Hamburger Verhältnisse werden uns so wohl nicht drohen.
Auch haben sie das Zählsystem nach D’Hondt abgeschafft und den vollständigen Ausgleich aller Überhandmandate in das Gesetz geschrieben, was mich nicht wundert, nachdem beinahe alle Experten bei den Anhörungen diese Änderungen als verfassungsrechtlich notwendig bezeichnet haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Vorgaben des Landesverfassungsgerichtes wurden ernst genommen und umgesetzt. Das Verfahren einer Verfassungsänderung, um so das Wahlgesetz verfassungskonform zu machen, hat zumindest einen Beigeschmack, der hätte vermieden wer- den können.
Wäre die Bereitschaft zu erkennen gewesen, wirklich strukturelle Änderungen am Wahlrecht vorzunehmen, wäre auch die Linke mit im Boot gewesen. SSW und Grüne wären schon einges- tiegen, wenn nur deutlich geworden wäre, dass das neue Wahlrecht besser gegen Überhang und Ausgleichsmandate wirkt als das alte. Zum Beispiel mit einer wirklich relevanten Absenkung der Direktwahlkreise. Dies alles wurde offensichtlich nicht gewünscht, die Zweidrittelmehrheit zu Verfassungsänderung steht ja schließlich auch so.
Bei mir hinterlässt das ganze Verfahren einen ähnlich faden Geschmack, wie bei vielen Men- schen draußen im Lande. Hier wurde nicht wirklich gestaltet, es wurden einfach nur eingefahren Strukturen so weit wie eben möglich erhalten.“ Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de