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08.03.11
15:42 Uhr
B 90/Grüne

Marlies Fritzen zu öffentlich-privaten Partnerschaften im Straßenbau

Presseinformation

Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel
Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Mobil: 0172 / 541 83 53 presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de
Nr. 151.11 / 08.03.2011

ÖPP-Projekt im Straßenbau ist gescheitert, öffentliche Kontrolle hat versagt Zur Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagt die umweltpolitische Sprecherin der Fraktion, Marlies Fritzen:
Das von der Landesregierung hochgepriesene erste Projekt in öffentlich-privater Partner- schaft (ÖPP) im Straßenbau ist gründlich nach hinten losgegangen. Eine behördliche Kon- trolle bezüglich der Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorgaben im Rahmen einer Bau- überwachung hat nicht stattgefunden. Stattdessen ist dem privaten Auftragnehmer die Bauaufsicht komplett selbst überlassen worden. Und dieser hat offensichtlich gegen die Vorgaben grob verstoßen.
Anders ist nicht zu erklären, dass im Zuge von Baumaßnahmen 300 von 370 Bäumen ent- lang der Landstraße 192 kürzlich ihr jähes Ende fanden. Laut Planungs- und Genehmi- gungsunterlagen hätten diese Bäume erhalten werden können und auch müssen. Dazu heißt es im Projektvertrag: „Falls erforderlich muss mit angepasstem kleineren Gerät bzw. im Kronenbereich von Hand gearbeitet werden“.
Um Zeit und Geld zu sparen wurden einige der „lästigen“ Vorschriften offensichtlich schlicht ignoriert. Gefragt nach den Zukunftsaussichten für weitere ÖPP-Projekte im Straßenbau sagt die Landesregierung nur lapidar, die Möglichkeiten der Schädigung von Bäumen sei nicht ausschlaggebend. Sie scheint keine Lehren aus dieser Panne ziehen zu wollen.
Anlage: Antwort auf KA


Seite 1 von 1 SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 17/1316 17. Wahlperiode 11-03-07



Kleine Anfrage der Abgeordneten Marlies Fritzen und Dr. Andreas Tietze (Bündnis 90/Die Grünen) und
Antwort der Landesregierung – Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr



Baumschäden an der L 192
Vorbemerkung der Fragesteller In Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im Verlauf der Landesstraße 192 ist es zu erheblichen ökologischen Schäden gekommen. Infolge der Bauarbeiten sind rund 300 Bäume von insgesamt 370 Bäumen abgängig. Es handelt sich bei der Baumaß- nahme um ein ÖPP-Projekt (Öffentlich-Private Partnerschaft), im Bereich Straßenbau das erste seiner Art in Schleswig-Holstein. Laut dem Bericht des Wirtschaftsministers Jost de Jager in der Sitzung des Wirt- schaftsausschusses des Landtages am 15.02.2011 geht die Landesregierung davon aus, dass die private Firma die Bauarbeiten nicht sachgerecht bzw. nicht entspre- chend der vertraglichen Vereinbarungen durchgeführt habe. Ein Landschaftspflegeri- scher Begleitplan (LBP) sowie einschlägige technische Vorschriften seien Bestandteil des ÖPP-Vertrages. Der LBP habe den Erhalt der Bäume vorgesehen. Demzufolge sei die Firma daher auch regresspflichtig. Die Schadenshöhe werde durch einen un- abhängigen Sachverständigen ermittelt.

1. Hätte für diese Maßnahme statt eines LBP auch eine Umweltverträglichkeitsprü- fung durchgeführt werden können? Falls nein, warum nicht? Falls ja, welche Be- hörde hat entschieden, dass ein LBP als umweltrechtliche Genehmigungsvor- aussetzung ausreichend ist und wie wurde das begründet?

Im vorliegenden Fall ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Vorgabe des „Landesgesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung“ (LUVPG) erforder- Drucksache 17/1316 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 17. Wahlperiode


lich gewesen, da nach der erfolgten Vorprüfung keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen durch das geplante Vorhaben zu erwarten waren. Die Planfeststellungsbehörde im Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV-SH) hat gemäß § 52 Abs. 2 StrWG nach Vorlage aller behördlichen Genehmigungen entschieden, dass eine Freistellung von der Plan- feststellung auf der Grundlage des § 40 Abs. 6 StrWG möglich ist.

2. Welche Behörde hat den LBP für diese Maßnahme genehmigt?

Die planungsrechtliche Absicherung des Projektes erfolgte mit Einholung der be- hördlichen Genehmigungen und der Freistellung von der Planfeststellung (s. Antwort zu Frage 1). Eine gesonderte Genehmigung des LBP, der ein Teil des Bauentwurfes ist, ist insoweit nicht vorgesehen. Naturschutzrechtliche Genehmigungen der Eingriffe in Natur und Landschaft ein- schließlich der Inanspruchnahme von Knicks und Alleebäumen wurden auf An- trag des LBV-SH für die Bauabschnitte I und II von den Unteren Naturschutzbe- hörden der Kreise Nordfriesland (am 19.2.07 für den 1. Bauabschnitt; am 04.12.08 für den 2. Bauabschnitt) und Schleswig-Flensburg (am 20.11.08 für den 2. Bauabschnitt) auf der Grundlage von Antragsunterlagen einschließlich zuge- hörigem LBP erteilt. Die erteilten naturschutzrechtlichen Genehmigungen beinhalten den vorbeugen- den Baumschutz und Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Land- schaft sowie für die Inanspruchnahme von Knicks und Bäumen.


3. Wurde von behördlicher Seite während der Baumaßnahme sowie nach Ab- schluss der Baumaßnahme die Einhaltung der Vorgaben des LBP überwacht? 4. Falls Frage 3 mit ja beantwortet wird, welche Behörde ist tätig geworden und in welchem Umfang hat eine Überprüfung stattgefunden? 5. Falls Frage 3 mit nein beantwortet wird, wie begründet die Landesregierung, dass keine behördliche Kontrolle stattgefunden hat?

Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 3-5 zusammen beantwor- tet: Da es sich um eine vom Auftragnehmer selbständig durchzuführende ÖPP Maß- nahme handelt, d.h. der Auftragnehmer baut die Straße und ist über 28 Jahre für die bauliche Erhaltung zuständig, wurde seitens des Auftraggebers LBV-SH kei- ne formelle Bauüberwachung vorgenommen. Die formelle Bauüberwachung ist bei „normalen“ Bauverträgen aus haushaltstechnischen Gründen erforderlich, da für die Rechnungslegung die entsprechenden Feststellungen zu bescheinigen sind. Die gemäß Landeshaushaltsordnung notwendigen Feststellungen der fach- technischen Richtigkeit sind jedoch bei dieser ÖPP Maßnahme nicht notwendig.
Eine Abnahme findet erst zum Ende der Vertragslaufzeit (nach 28-jähriger Erhal- tungsphase) statt.
2 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1316


Anstelle der formellen Bauüberwachung sieht der Projektvertrag lediglich die Möglichkeit von Baustellenbegehungen vor, von der der Auftraggeber Gebrauch gemacht hat. Die Gesamtverantwortung für die Projektdurchführung liegt jedoch beim Auftragnehmer. Der Projektvertrag sieht die Erneuerung und Verbreiterung der L 192 im o.g. Be- reich vor. Dabei war der zu erhaltende Baumbestand durch vertragsgerechtes Arbeiten wie z.B. Handschachtung im Bereich der Wurzeln zu schonen. Im Projektvertrag, Teil Leistungsprogramm Planen und Bauen Ziffer 7.2.9, Schutzbereiche und Objekte Bäume und Flurgehölze sind dazu Einzelregelun- gen enthalten, s. dazu auch Antwort zu Frage 12.
Darüber hinaus ist in dieser Ziffer 7.2.9 auch geregelt, dass der vorhandene Baumbestand nach einem Zeitraum von ca. drei Jahren durch die Untere Natur- schutzbehörde im Hinblick auf die Effizienz der Bauausführung kontrolliert wird.
6. Sind aus dem Vorfall nach Auffassung der Landesregierung auch ordnungsrecht- liche Konsequenzen zu ziehen? Falls ja, welche? Falls nein, wie begründet die Landesregierung diese Auffassung?

Eine abschließende Beantwortung dieser Frage kann derzeit nicht erfolgen, da der Eingriff in den Alleenbestand noch gutachterlich zu ermitteln und zu bewerten ist. Die Ergebnisse bleiben insofern abzuwarten. Danach wird zu entscheiden sein, ob die Tatbestände einer Ordnungswidrigkeit gegeben sind, d.h. entgegen § 30 Abs. 2 BNatSchG vorsätzlich oder fahrlässig ein gesetzlich geschütztes Bio- top - in diesem Fall eine Allee - zerstört oder erheblich beeinträchtigt worden ist.

7. Auf welcher Grundlage und durch wen erfolgt die Schadensberechnung?

Die Schadensberechnung erfolgt nach der vom Bundesgerichtshof (BGH vom 13.5.1975, VI ZR 85/74) anerkannten „Methode Koch“. Dabei handelt es sich um ein modifiziertes Sachwertverfahren zur Wertermittlung von Gehölzen. Es fließt das eingesetzte Kapital für eine Neupflanzung, die Fertigstellungs- und Entwick- lungspflege ein sowie die Verzinsung bis die Funktion des Baumes wieder erfüllt ist. Abgezogen werden dabei Vorschäden durch z.B. Pilzbefall, Alterswertminde- rung, Pflegeschäden. Die Schadenshöhe wird durch einen Sachverständigen für jeden einzelnen Baum ermittelt.

8. Ist bereits näherungsweise absehbar, auf welche Höhe sich der Schaden belau- fen wird? Der Schaden je Baum wird voraussichtlich bei annährend 1.500 Euro liegen.



3 Drucksache 17/1316 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 17. Wahlperiode


9. In welcher Form und in welchem Umfang wird, neben der finanziellen Beglei- chung des Schadens, ein naturschutzfachlicher Ausgleich gewährleistet? Wer- den ausschließlich Ersatzpflanzungen der abgängigen Straßenbäume vorge- nommen oder zusätzlich weitere Maßnahmen vorgesehen, etwa als Ausgleich dafür, dass neu gepflanzte Bäume erst in einer gewissen Zeitspanne die von den abgängigen Bäumen erfüllten ökologischen Funktionen im vollen Umfang erfüllen können? 10. In welchem Abstand zur Straße sind die Ersatzpflanzungen vorzunehmen? (Bitte mit Angabe der dafür relevanten Rechtsvorschriften) 11. Werden für den Ausgleich des entstandenen durch die Baumaßnahme entstan- denen Schadens zusätzliche Flächen benötigt und falls ja, in welchem Umfang?

Wegen des Sachzusammenhangs werden die Fragen 9-11 zusammen beantwor- tet: Zur Festlegung der naturschutzfachlichen Kompensation (Ausgleichsmaßnah- men ggf. auch auf gesonderten Flächen und Ersatz) gemäß § 15 BNatSchG muss noch eine Abstimmung mit den Unteren Naturschutzbehörden erfolgen.


12. Welche Vorgaben zum Schutz der Straßenbäume sind Bestandteil des ÖPP- Vertrages bzw. des LBP? Bitte auflisten.

Entsprechende Vorgaben sind im Projektvertrag, Leistungsprogramm Planen und Bauen Ziffer 7.2.9, Schutzbereiche und Objekte, geregelt: „- Bäume und Flurgehölze Die Arbeiten in der Nähe von Bewuchs z. B. Bäume und anderer zu erhaltender Bewuchs wird darauf hingewiesen, dass die geltenden Vorschriften gem. RAS- LP 4 sowie die DIN 18920 unbedingt einzuhalten sind. Falls erforderlich muss mit angepasstem kleinerem Gerät bzw. im Kronentraufbereich von Hand gearbeitet werden. Beschädigungen insbesondere der Wurzeln der im Ausbaubereich be- findlichen Bäume sind unbedingt zu vermeiden. Im Schadensfall ist durch den AN der Nachweis der Standsicherheit und somit die Verkehrssicherheit zu bestä- tigen. Der Nachweis ist unter Hinzuziehung eines öffentlich bestellten und verei- digten Sachverständigen für Baumpflege, -sanierung und -bewertung zu erbrin- gen. Eventuell verursachte Schäden an den vorhandenen Bäumen (Krone, Stamm) sind von dafür autorisierten Fachfirmen auf Kosten des AN zu behandeln.“

13. Kann davon ausgegangen werden, dass durch Missachtung bzw. nicht ausrei- chender Beachtung dieser Vorgaben die der privaten Firma entstandenen Kos- ten für die Baumaßnahme geringer ausgefallen sind, als es der Fall gewesen wä- re, wenn alle Vorgaben genau eingehalten worden wären? Falls ja, hat die Lan- desregierung eine ungefähre Vorstellung, um welchen Betrag sich die Baumaß- nahme dadurch verbilligt hat?


4 Schleswig-Holsteinischer Landtag - 17. Wahlperiode Drucksache 17/1316


Hierfür liegen dem LBV-SH keine belastbaren Aussagen vor.

14. Kann davon ausgegangen werden, dass durch Missachtung bzw. nicht ausrei- chender Beachtung dieser Vorgaben die Durchführung der Baumaßnahme be- schleunigt wurde? Falls ja, hat die Landesregierung eine ungefähre Vorstellung, um welchen Zeitraum sich die Fertigstellung verzögert hätte, wenn alle Vorgaben genau eingehalten worden wären? Hierfür liegen dem LBV-SH keine belastbaren Aussagen vor.

15. Wie beurteilt die Landesregierung vor dem Hintergrund dieses Vorfalls die Zu- kunftsaussichten für weitere ÖPP-Projekte im Bereich Straßenbau/Infrastruktur? Die Möglichkeit der Schädigung von Bäumen durch Baumaßnahmen ist nicht ausschlaggebend für eine Grundsatzentscheidung für oder gegen ÖPP.



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