Wolfgang Baasch zu TOP 28: Entsenderichtlinie muss Mindeststandards festlegen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 25. Februar 2011TOP 28, Die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU politisch gestalten (Drucksache 17/1284)Wolfgang Baasch:Entsenderichtlinie muss Mindeststandards festlegenAb dem 01. Mai 2011 können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Staaten Mittel- und Osteuropas die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, erstmals in Deutschland ohne Einschränkungen einen Job suchen bzw. eine Arbeit aufnehmen. Ein Datum, das das vereinte Europa einen weiteren Schritt voranbringt und ein wichtiges Datum ist, die europäische Integration für alle Menschen zu stärken.Mit dem Datum 01. Mai 2011 wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in Deutschland Realität. Dies bedeutet für uns, für die Politik: Wir müssen für faire Bedingungen für Zuwanderer wie auch für einheimische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen. Deshalb muss die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit politisch begleitet und gestaltet werden, damit wir die Chancen, die sich bieten, nutzen und gleichzeitig allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland Sicherheit und Schutz gewährleisten.Die Bundesagentur für Arbeit geht davon aus, dass ab dem 01. Mai 2011 zwischen 100.000 und 150.000 Menschen nach Deutschland kommen werden, um hier bei uns zu arbeiten. Die Erfahrungen aus anderen EU-Staaten, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits frühzeitig eingeführt haben, zeigen deutlich, dass klare Regeln zu Lohn- und Arbeitsbedingungen wichtig sind, um Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern.Nach wie vor bestehen Einkommensdifferenzen zwischen den sogenannten neuen und alten Mitgliedsstaaten in der EU. Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedsstaaten dürften dazu bereit sein, auch zu schlechteren Löhnen und Arbeitsbedingungen in Deutschland zu arbeiten. Daher müssen Maßnahmen getroffen werden, um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern. Zu allererst 2brauchen wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Dabei wird ein Mindestlohn nur für die Leiharbeit nicht ausreichen.Um eine Ausweitung von prekären Beschäftigungen und einen größer werdenden Niedriglohnsektor zu verhindern, ist es unumgänglich, auch den gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort umzusetzen. Sittenwidrige Bezahlung von Arbeitnehmern, die nach Deutschland entsandt sind, dürfen wir nicht zulassen.Und wenn der polnische Arbeitgeberpräsident von Löhnen für polnische Leiharbeiter zwischen zwei und fünf Euro die Stunde ausgeht bzw. die polnische Arbeitgeberkammer in Deutschland zu Seminaren einlädt mit der Fragestellung, wie in den polnischen Tarifverträgen ein Mindestlohn von 2,80 Euro vereinbart werden kann, und sich damit direkt an die Zeitarbeitsbranche wendet, gilt es nicht nur aufmerksam zu sein, sondern diesem Ausbeutungsvorhaben einen konsequenten Riegel vorzuschieben.Und es sind neben den Gewerkschaften auch die Betriebe bzw. Handwerkskammern, die vor dieser Entwicklung warnen. Recht haben sie!Das bedeutet, dass wir neben dem flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn auch Regelungen brauchen, wie die Einhaltung von Mindestlöhnen und Arbeitsbedingungen wirksam kontrolliert werden kann. Das heißt auch, die Kontrollen der Schwarzarbeit zu verstärken. Und wir brauchen eine Generalunternehmerhaftung, ähnlich der Regelung im Baugewerbe. Wenn ein Unternehmen nicht den vereinbarten Mindestlohn und die Sozialversicherungsbeiträge zahlt, muss auch der Auftraggeber des Unternehmens haften.Ein weiterer entscheidender Punkt wird es sein, nicht nur den gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen, sondern auch die Mitbestimmung zu stärken. Im Bereich der Mitbestimmung brauchen wir Änderungen. Bei der Entsendung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern muss der Betriebsrat beteiligt werden. Besonders Entlohnung und Arbeitsbedingungen müssen in Abstimmung mit dem Betriebsrat festgelegt werden. Das heißt auch, dass die entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch Rechte im Betrieb erhalten. Und wer Rechte hat muss auch darüber informiert werden. Und so ist es nur richtig, wenn der DGB Beratungsstellen für EU-Arbeitnehmer einfordert. Und wie notwendig diese Beratungen sind, zeigen viele Einzelfälle. Aber auch die aktuelle Zahl der entsandten Beschäftigten, die von 2005 bis 2007 schon um ca. 30 % angestiegen ist.Vertrauen in Europa ist nur möglich, wenn wir auch für soziale Sicherheit der Menschen garantieren. Es gilt, Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen zu verhindern. 3Europäische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden im Wettbewerb, wer zu den niedrigsten Löhnen und den schlechtesten Bedingungen arbeitet.Wir wollen das soziale Europa. Das heißt, dass wir eine Entsenderichtlinie brauchen, die Mindeststandards festlegt und damit für eine arbeitsrechtliche Gleichstellung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im jeweiligen Land der Europäischen Union sorgt.Und wir fordern eine soziale Fortschrittsklausel, die in den Verträgen der EU verbindlich feststellt, dass die Europäische Union nicht nur dem wirtschaftlichen, sondern auch dem sozialen Fortschritt verpflichtet ist. Soziale Grundrechte müssen im Konfliktfall Vorrang vor den wirtschaftlichen Grundfreiheiten haben. Dies wird nicht nur den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nützen, sondern auch der Wirtschaft. So schaffen wir sowohl wirtschaftlichen Erfolg, als auch einen sozialen Frieden in Europa.