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23.02.11
13:30 Uhr
Linke

Heinz-Werner Jezewski zum Gesetzentwurf der Landesregierung über den Vollzug der Untersuchungshaft

Rede von Heinz-Werner Jezewski zu TOP 6: „Gesetzesent- Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin wurf über den Vollzug der Untersuchungshaft in SH.“ DIE LINKE Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag 71/2011 Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Sperrfrist Redebeginn. Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Es gilt das gesprochene Wort. Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 Kiel, 23. Februar 2011 presse@linke.ltsh.de
www. linksfraktion-sh.de

Heinz-Werner Jezewski zum Gesetzentwurf der Landesregierung über den Vollzug der Untersu- chungshaft
„Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,
Eines will ich hier keineswegs in Frage stellen, und das ist der gute Wille des Ministeriums und auch des Ministers, der bei der Erarbeitung dieses Entwurfs unzweifelhaft bestanden hat.
Ich hoffe sehr, dass der alte Spruch ‚wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg‘, auch in diesem Falle rich- tig ist, denn das Thema Untersuchungshaft ist sogar im allgemein sensiblen Bereich der Freiheits- entziehung noch einmal ein ganz besonders sensibles.
2009 haben nach Angaben des statistischen Bundesamtes bundesweit 28.309 Personen in Unter- suchungshaft gesessen. Leider ist über die vorliegende Statistik nicht zu ermitteln, wie viele davon anschließend nicht verurteilt wurden und somit unschuldig waren.
Doch davon ganz abgesehen ist jede und jeder in Untersuchungshaft bis zu seiner oder ihrer Verur- teilung unschuldig. Diese Tatsache würdigt das Gesetz ausdrücklich und das halten wir als LINKE für anerkennenswert.
Wenn der Gesetzentwurf jetzt noch eine Entschädigung vorsehen würde, die über diejenige hi- nausgeht, die nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gezahlt wird, wären wir wesentlich zufriedener mit diesem Entwurf.
Ich darf einmal daran erinnern, dass eindeutig Unschuldige – nämlich diejenigen, die nach der Un- tersuchungshaft nicht verurteilt werden – bisher 25 Euro für jeden unschuldig in Haft verbrachten Tag zukommen. Hier sollte jeder einmal für sich überlegen, ob er 750 € monatlich als angemessen erachten würde, wenn er oder sie selbst unschuldig in U-Haft sitzen müsste.
Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Ein weiterer Kritikpunkt ist für uns die Ausgestaltung der Möglichkeiten, in der Untersuchungshaft zu arbeiten. In den vom Europarat beschlossenen Europäischen Gefängnisregeln ist in Punkt 4 ein- deutig festgelegt (ich zitiere mit Erlaubnis)
„Haftbedingungen, welche die Menschenrechte der Gefangenen einschränken, dürfen nicht mit Mangel an Ressourcen gerechtfertigt werden.“
Genau mit diesem Mangel an Ressourcen versucht nun aber das Ministerium die Einschränkungen bei den Arbeitsgelegenheiten zu begründen. Ich zitiere aus den Vorbemerkungen des vorliegenden Entwurfes:
„Die Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen nur für Untersuchungsgefangene ist mit ei- nem unangemessen hohen finanziellen Aufwand verbunden.“
Damit verbunden ist dann auch noch gleich die Aufhebung der weiter vorne noch ausdrücklich anerkannten Unschuldsvermutung, denn (ich zitiere erneut aus den Vorbemerkungen zum vorlie- genden Entwurf):
„Die Untersuchungsgefangenen sollen in Schleswig-Holstein zukünftig differenziert werden nach der Art des Haftgrundes (das heißt Flucht- und Wiederholungsgefahr oder Verdunkelungsgefahr).“
Bei allem Verständnis, aber auch wenn ein Richter diese Gefahren sieht, ist der Mensch, der in Un- tersuchungshaft sitzt, so lange unschuldig, bis ein Gericht ihn rechtskräftig schuldig gesprochen hat. Und was bitte soll jemand, der unschuldig ist, denn wiederholen oder verdunkeln?
Für uns steht fest: Wer in Untersuchungshaft kommt, muss die Gelegenheit bekommen, zu arbei- ten oder eine Ausbildung zu machen, ohne dabei genauso behandelt zu werden, wie ein verurteil- ter Straftäter. Dass das Kosten verursacht ist zwar bedauerlich, aber nicht zu ändern. Ein Grund für eine andere Regelung sind diese Kosten jedoch nicht!
Loben will ich den Versuch, für die Untersuchungshaft von Jugendlichen und Heranwachsenden in Schleswig-Holstein eigene Regelungen zu finden. Das ist nicht selbstverständlich, steht aber in ei- ner mittlerweile doch mehr als zwanzig Jahre alten Tradition in unserem Land, den gesamten Be- reich des Strafrechtes möglichst liberal – und ich meine liberal dabei nicht parteipolitisch sondern im positiven Sinne – zu gestalten.
Wir werden hoffentlich im Innen- und Rechtsausschuss ausgiebig über diese Aspekte des Gesetz- entwurfes diskutieren und sachkundige Fachleute dazu anhören können.

Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Leider erlaubt die Zeit es mir nicht, auf alle meine Kritikpunkte an diesem Gesetzentwurf ausführ- lich einzugehen, aber das ist ja auch nicht die Aufgabe einer Landtagsdebatte, sondern eher die der im Fachausschuss folgenden Diskussion.
Über die Vorbemerkungen zu den Haftanstalten in Flensburg und Itzehoe will ich gar nicht viele Worte verlieren. Es ist mir egal, ob hier vergessen wurde, einen Absatz zu streichen – wobei ich mich natürlich schon frage, wie es um die Qualität einer Landesregierung bestellt ist, der so etwas passiert – oder ob andere Gründe für diesen Absatz ursächlich sind. Dieses Thema ist meiner An- sicht nach in der morgigen Debatte um die politische Führungslosigkeit dieses Landes besser auf- gehoben als hier.
Alles in allem hoffe ich, dass dieser Gesetzentwurf – frei nach dem Motto „es ist noch nichts so he- rausgekommen, wie es hineingegangen ist“ – im Ausschuss die notwendigen Änderungen bekom- men wird und freue mich auf die kommenden Debatten dazu.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“



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