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28.01.11
11:42 Uhr
SPD

Wolfgang Baasch zu TOP 35: Reiche angemessen an sozialen Aufgaben beteiligen

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 28. Januar 2011


TOP 35, Jährliche Armuts- und Reichtumsberichterstattung als wissenschaftliche Grundlage strategischer Armutsbekämpfung einführen! (Drucksachen 17/1180 und 17/1215)



Wolfgang Baasch: Reiche angemessen an sozialen Aufgaben beteiligen

Armut bemisst sich nicht nur am Mangel an Geld, sondern auch an mangelnder Teilhabe an zentralen Lebensbereichen wie Bildung, Erwerbsarbeit, gesundheitliche Versorgung, Wohnen und Kultur. Als armutsgefährdet gelten nach EU-Standard Menschen, deren Einkommen weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Bevölkerung beträgt. Legt man die Zahlen des dritten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung von 2008 zu Grunde, gilt eine Armutsrisikoquote zwischen 13 und 18 % in der Bundesrepublik je nach Methodik der Datenerhebung. Neben den Daten aus dem dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung fordern aber auch andere, wie zum Beispiel das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelleistungen, auf, sich mit der Lebenssituation von in Armut lebenden Menschen auseinanderzusetzen.
So besagt das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums besteht. Und zu diesem menschenwürdigen Existenzminimum gehört nicht nur die Sicherung der physischen Existenz, sondern auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Bundesverfassungsgericht macht mit seinem Urteil deutlich, dass die aus unterschiedlichsten Gründen auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesenen Menschen keine Almosen-Empfänger sind, sondern als Bürger und Bürgerinnen ein Recht auf eine menschenwürdige Existenz haben. Das beinhaltet auch, dass die Unterstützungsleistungen nach klaren Kriterien und nicht nach Kassenlage der öffentlichen Haushalte zu gewähren sind.
Im Klartext bedeutet dies, dass das berühmte Lohnabstandsgebot nicht durch die Senkung der Leistungen für hilfebedürftige Menschen und damit durch die Gefährdung des Existenzminimums 2



verwirklicht werden darf. Vielmehr bedeutet es für mich, dass endlich Mindestlöhne dafür sorgen, dass nicht immer mehr Menschen, die Vollzeit arbeiten, auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Oder um es noch klarer und eindeutiger auszudrücken: Mindestlöhne sorgen für soziale Gerechtigkeit und helfen, Armut zu vermeiden. Die Tatsache, dass selbst eine Vollbeschäftigung nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern, muss in der Regel als Sozialmissbrauch durch Unternehmen bezeichnet werden, die zu geringe Löhne zahlen und darauf vertrauen, dass ein Ausgleich aus Steuermitteln vorgenommen wird.
Arbeitslosigkeit ist eine der wichtigsten Ursachen, warum Menschen in Armut rutschen. Arbeitslosigkeit führt zu finanzieller Not, den Verlust sozialer Sicherheit und dem Gefühl, nicht gebraucht zu werden. Durch Arbeitslosigkeit der Eltern werden auch Kinder in Mitleidenschaft gezogen. Kinderarmut zu bekämpfen, ist eine Herausforderung, der wir uns alle vordringlich stellen müssen. Kinderarmut begegnet man, indem man die Einkommensarmut der Eltern beispielsweise durch Integration in den Arbeitsmarkt abbaut. Es gilt aber auch, die Familien- und Erziehungskompetenz zu fördern, Alltagshilfen für Familien zu stärken, Kindergesundheit zu fördern und den Ausbau einer kinder- und familiengerechten Infrastruktur voranzubringen. Dazu gehören natürlich gebührenfreie Kinderbetreuungseinrichtungen und ein umfassendes Ganztagsschulwesen.
Ich will noch in kurzen Stichworten aufzeigen, dass es auch spezifische Formen der Armut in unserer Gesellschaft gibt. So tragen Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren ein besonders hohes Armutsrisiko. Eine Gruppe, die stark armutsgefährdet ist, ist die Gruppe der Migrantinnen und Migranten. Die Armutsgefährdungsquote der Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit liegt über dem Durchschnitt der gesamten Bevölkerung. Und im dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wird die Zahl der Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnungslos sind, auf etwa 250.000 geschätzt.
Die Armut- und Reichtumsberichtserstattung bedeutet aber auch, sich mit der Verteilungsgerechtigkeit in unserem Land zu beschäftigen. Werden die Unterschiede zwischen Arm und Reich vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als groß und schwer überwindbar wahrgenommen, kann das die Akzeptanz der demokratischen Gesellschaftsordnung und unserer Wirtschaftsordnung in Frage stellen. Das gilt vor allem dann, wenn große Teile der Bevölkerung an den Einkommenszuwächsen der Gesellschaft nicht mehr teilhaben. Wenn 2007 alleine die 50 reichsten Deutschen ihr Vermögen um insgesamt 50 Mrd. € steigern konnten, dann zeigt dies das krasse Missverhältnis zu Einkommens- und Vermögensentwicklung der großen Mehrheit in unserer Bevölkerung. 3



Der reiche Teil der Gesellschaft muss angemessen an den sozialen Aufgaben beteiligt werden. So an der Bekämpfung der Kinderarmut, an der Stärkung der Familien, der Vermeidung von Altersarmut und der Finanzierung unserer Sozialversicherung. Das bedeutet, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben beteiligt werden muss. Und darum ist es eindeutig: Wir brauchen eine Reform der Erbschaftsteuer sowie die Wiedereinführung der Vermögensteuer und andere faire Umverteilungsmechanismen. Denn auch Reichtum verpflichtet zu sozialer Verantwortung.
Die Armut- und Reichtumsberichterstattung kann uns viele Erkenntnisse zu sozialen Problemlagen in unserm Land liefern, die dann eine Grundlage für das politische Handeln darstellen. Daher ist es gut, uns über die Entwicklungen in unserem Bundesland berichten zu lassen.