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17.12.10
11:41 Uhr
SPD

Anette Langner zu TOP 39 + 40: Ausbildung muss gesetzeskonform sein!

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 17. Dezember 2010


TOP 39 und 40: Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Ausbildung sowie Bericht zur Ausbildungssituation im Hotel- und Gaststättengewerbe (Drucksachen 17/1090neu und 17/1091)



Anette Langner:
Ausbildung muss gesetzeskonform sein!


Zunächst möchte ich der DGB-Jugend Nord danken, dass sie den Ausbildungsreport Schleswig- Holstein 2010 auf den Weg gebracht hat. Es ist neben der alljährlichen Online Umfrage der IHK bei den Unternehmen in Schleswig-Holstein zur Ausbildungssituation das erste Mal, dass uns eine Studie vorliegt, die den Komplex der Berufsausbildung aus Sicht der Auszubildenden betrachtet.
Die Studie greift zwei Themenbereiche auf: die Ausbildungsstatistik und die Qualität der Ausbildung.
Für diesen Untersuchungsbereich wurden 2.613 Auszubildende aus allen Landesteilen und 58 Ausbildungsberufen in allen Ausbildungsjahren und aus Betrieben unterschiedlicher Größe befragt. Das Verhältnis von Männern und Frauen entspricht mit 57 zu 43 dem tatsächlichen Verhältnis bei allen Ausbildungsverträgen.
Ich möchte aber zunächst kurz auf das Thema „Ausbildungsstatistik“ eingehen. Wir haben an verschieden Stellen und im Zusammenhang mit dem Bündnis für Ausbildung über die Aussagekraft der statistischen Grundlage für den Ausbildungsstellenmarkt gesprochen. Eine Erfolgsmeldung des Bündnisses für Ausbildung war in den vergangenen Jahren stets, dass das Verhältnis von Ausbildungssuchenden und offenen Ausbildungsstellen ausgewogen ist und wir 2



jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen ein Angebot machen können. Diese Feststellung basiert auf der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die sowohl gemeldete Ausbildungsplatzsuchende als auch die der Agentur gemeldeten offenen Stellen führt.
Dass dies nicht die tatsächliche Situation widerspiegelt, weil eben nicht alle Jugendliche und nicht alle Betriebe aus unterschiedlichen Gründen bei der Agentur gemeldet sind oder nicht in dieser Statistik gezählt werden, haben wir an verschiedenen Stellen diskutiert und das wird in dem vorliegenden Report nochmals anhand umfangreicher Berechnungen nachvollziehbar begründet.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass gut 5.000 Lehrstellen in Schleswig-Holstein fehlen, um jedem Jugendlichen, der eine duale Berufsausbildung beginnen will, eine Chance auf einen Ausbildungsplatz zu geben. Das sind 5.000 Jugendliche, die mehr oder weniger sinnvolle Warteschleifen drehen und die wir im schlimmsten Falle irgendwann in der Statistik zur Jugendarbeitslosigkeit wieder finden.
Zwischenzeitlich liegen die Ergebnisse von Modellversuchen für eine integrierte Ausbildungsstatistik vor und es wird höchste Zeit, dass wir dieses Instrument in Schleswig- Holstein nutzen, um die Situation am Ausbildungsstellenmarkt zweifelsfrei darstellen zu können. Denn nur auf dieser Basis belastbarer Zahlen, die die Realität richtig abbilden, können im Bündnis für Ausbildung die notwendigen Weichenstellungen vorgenommen werden.
Neben der quantitativen Bewertung des Ausbildungsstellenmarktes muss aber auch die qualitative Bewertung in Zukunft eine größere Rolle spielen. Ungefähr jedes fünfte Ausbildungsverhältnis wird während der Laufzeit des Vertrages gekündigt oder aufgelöst. Gründe hierfür sind ausbildungsfremde Tätigkeiten, mangelnde Vermittlung der Ausbildungsinhalte, ungünstige Überstunden und Urlaubsregelungen. Hier gibt es Handlungsbedarf und dem müssen wir uns stellen!
Um es aber unmissverständlich vorweg zu sagen: Es geht nicht darum, die vielen Ausbildungsbetriebe, die gute und erfolgreiche Ausbildung machen, zu diskreditieren. Immerhin sind 68% der befragten Jugendlichen mit der fachlichen Qualität ihrer Ausbildung sehr zufrieden 3



oder zufrieden. Und das Bündnis für Ausbildung leistet seit vielen Jahren mit seinen Partnern und vielen vorbildlichen Ausbildungsbetrieben einen wichtigen Beitrag, um die Ausbildungssituation sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verbessern.
Es muss aber im Interesse der weißen Schafe sein, die schwarzen Schafe zu identifizieren. Die Untersuchung der DGB-Jugend weist auf zum Teil gravierende Mängel in der Ausbildungsplatzsituation vieler Jugendlicher hin. Zwischen 20 und 30% der Auszubildenden beklagen Mängel bei der Vermittlung von Ausbildungsinhalten, der Betreuung durch Ausbilder oder der fehlenden Freistellung für den Berufschulunterricht. Viele Jugendliche geben an, dass sie keine Ansprechpartner haben und mit ihren Problemen in den Betrieben allein dastehen. 55,3% der Jugendlichen leisten mehr als 6 Überstunden pro Woche, 17,8% davon sogar mehr als 20 Stunden pro Woche. 30,9% erhalten noch nicht einmal einen Ausgleich für geleistete Überstunden.
Besonders eklatant ist die Situation der Auszubildenden in Hotel- und Gaststättenberufen. Hier leisten mehr als 70% regelmäßig Überstunden, 17,8% mehr als 20 pro Woche. Hinzu kommt, dass 80% der Auszubildenden nur maximal 20 Tage Urlaub haben. Und dies alles bei unterdurchschnittlichen Ausbildungsvergütungen in diesen Berufen. Das sind katastrophale, zum Teil rechtswidrige Ausbildungsbedingungen, die dazu führen, dass von 100 Köchen nur 44, von 100 Restaurantfachleuten nur 50 ihre Ausbildung beenden.
Das ist nicht nur für die Auszubildenden eine Katastrophe, sondern für ein Tourismusland wie Schleswig-Holstein kein Aushängeschild. Ausbildungsberufe im Hotel- und Gaststättenbereich bekommen ein immer schlechteres Image und Betriebe in Schleswig- Holstein finden zunehmend keinen Fachkräftenachwuchs mehr. Hier ist absoluter Handlungsbedarf geboten, deshalb fordern wir in unserem Antrag die Landesregierung auf, mit den Kammern und den Gewerbeaufsichtsämtern alle Kontrollmöglichkeiten zu überprüfen, um eine rechtmäßige Durchführung der Berufsausbildung zu gewährleisten.
Außerdem erscheint es mir notwendig, mehr Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten für Jugendliche zu schaffen, denn durch die zum Teil sehr kleinteilige Unternehmens- und Betriebsstruktur in Schleswig-Holstein wird ein Großteil von Jugendlichen in Betrieben ausgebildet, die keine Arbeitnehmervertretungen haben. Z.B. gibt es nach der 4



Handwerksordnung bei den Innungen so genannte „Lehrlingswarte", die als interne Beschwerdestelle handeln und sogar verpflichtet sind, einen Ausschuss zur Förderung der Berufsbildung zu bilden.
Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung auf, die Qualität der Ausbildung in Schleswig- Holstein zu einem Schwerpunktthema im Berufsbildungsausschuss, im Landesausschuss für Berufsbildung und im Bündnis für Ausbildung zu machen! Jugendliche haben ein Recht auf Förderung und Unterstützung, aber sie haben vor allem ein Recht auf eine gute und gesetzeskonforme Ausbildung!