Dr. Ralf Stegner zu TOP 12, 17, 18: Zügig neues Wahlgesetz verabschieden und neuen Landtag wählen!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 16. Dezember 2010TOP 12, 17, 18: Gesetzentwürfe zur Änderung der Verfassung und zur Änderung des Wahlgesetzes für den schleswig-holsteinischen Landtag (Drucksachen 17/1047, 17/1070, 17/1081)Dr. Ralf Stegner:Zügig neues Wahlgesetz verabschieden und neuen Landtag wählen!Wir beraten heute das Landeswahlgesetz, nachdem uns unser neues Landesverfassungsgericht einiges ins Stammbuch geschrieben hat, was Kritik an der Vergangenheit angeht. Deshalb bekenne ich mich auch hier noch einmal zu Beginn dieser Rede dazu, dass wir Sozialdemokraten gemeinsam mit anderen Fehler gemacht haben, als wir das letzte Wahlgesetz hier verabschiedet haben.Zu diesen Fehlern gehörte übrigens auch, die Anzahl der Abgeordneten in die Verfassung zu schreiben – wie das nahezu nirgends in anderen Ländern oder im Bund der Fall ist. Es ist zwar wichtig, die Größe des Landtages angemessen zu halten, aber andere Verfassungsprinzipien, dass Wahlen frei, gleich, allgemein und geheim sind und dass der Wählerwille zum Ausdruck kommen muss, scheinen mir doch höherrangige Ziele zu sein als die Anzahl der Abgeordneten. Gleichwohl muss es darum gehen, für diesen Landtag eine angemessene Größe zu erreichen und diese im Wahlgesetz auch festzuschreiben. Mir scheint, dass für ein Land der Fläche und Einwohnerzahl wie Schleswig-Holstein die Zahl 69 die angemessene Richtgröße ist. Dennoch entscheiden am Ende die Wählerinnen und Wähler konkret über die Größe von Parlamenten. Ausgleichs- und Überhangmandate sind auch ein Ausdruck davon, dass die Gleichheit 2umgesetzt wird und der Wählerwille – anders als bei dieser Wahl - sich bei der Verteilung auf Regierung und Opposition auch wiederfindet.Allererste Priorität für die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Hause hat, dass wir ein Wahlgesetz verabschieden, das den Anforderungen des Landesverfassungsgerichts entspricht und die Möglichkeit ausschließt, dass wir mit einem neuen Wahlgesetz wieder in Schleswig landen. Wer alle Vorgaben, die uns das Landesverfassungsgericht macht, beachten will, der kommt um eine Verfassungsänderung nicht herum. Davon sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fest überzeugt.Dabei haben wir uns gegen die ersten Formulierungsvorschläge für eine Verfassungsänderung ausgesprochen, die von mindestens 69 Abgeordneten gesprochen hätte. Dies würde nicht nur öffentlich missverstanden werden. Aber ich sage auch ganz klar: Die Behauptung, wir würden an der Verfassung rummanipulieren wollen und das Urteil nicht ernst nehmen, ist falsch. Ohne eine Verfassungsänderung können wir den Sonderfall Schleswig-Holstein nämlich nicht beenden. Die Vorstellung kleinerer Fraktionen, dass wir deutlich mehr Listen- als Wahlkreiskandidaten im Parlament wiederfinden, wäre ein Unikat, das es nirgendwo in Deutschland gibt.Im Übrigen würde das die Mitwirkungsrechte der Bürger deutlich einschränken, die nämlich de facto nur über die direkt gewählten Abgeordneten entscheiden; über die Wahllisten entscheiden nur die Parteien. Der Ausweg, dass man ein völlig neues Modell wählt, das den Einfluss der Wähler auf andere Weise stärkt, ist keiner. Wir sollten beachten, dass wir schon jetzt leider sehr niedrige Wahlbeteiligungen in einzelnen Regionen haben. Wer das Wahlgesetz komplizierter macht, der sorgt dafür, dass sich dieses Übel noch verschlimmert.Im Übrigen stünden völlig neue Modelle einer schnellen Wahlgesetzänderung – für die wir alle in der Verantwortung stehen – auch entgegen. Das bedeutet nicht, dass man sich langfristig der Diskussion über solche Modelle verschließen sollte. 3Ein weiterer Anspruch an ein Wahlgesetz besteht darin, dass wir immer zum Kompromiss bereit gewesen sind. Jede hier im Landtag vertretene Partei und Fraktion hat eigene Interessen und wir sollten auch nicht so tun, als ob man selbst nur für das Gemeinwohl einträte, aber alle anderen nur ihre eigenen Interessen verfolgten. Entscheidend ist aber, dass man bereit ist zum Kompromiss. Wir brauchen kein schwarzes oder rotes, aber auch kein grünes oder gelbes Wahl- gesetz, sondern ein Gesetz, das von allen mitgetragen werden kann. Dazu waren wir immer bereit. Schon mit unseren ersten Eckpunkten haben wir gesagt, wir sind zur Verständigung bereit.Mir scheint ein Kompromiss, der die Anzahl der Wahlkreise reduziert, aber auch eine etwa gleiche Anzahl von Wahlkreisen und Listenkandidaten vorsieht, die richtige Lösung zu sein, die den Gegebenheiten in anderen Ländern und dem Bund entspricht. So schlecht sind die Erfahrungen damit ja wohl auch nicht.Die Sozialdemokraten sind darüber hinaus auch dafür eingetreten, dass wir das Wahlalter reduzieren, um Jugendlichen bessere Chancen zu geben, sich an der politischen Willensbildung noch mehr zu beteiligen. Deswegen beantragen wir auch das Wahlalter 16 mit unserem Gesetz- entwurf.Das Landesverfassungsgericht hat erklärt, dass die Zusammensetzung dieses Landtages nicht verfassungskonform ist. Eigentlich hätte das Landesverfassungsgericht eine Wiederholungswahl – also eine Neuwahl - innerhalb weniger Wochen angeordnet, wenn nicht die Notwendigkeit bestanden hätte, das Wahlgesetz durch eben diesen Landtag zu ändern. Nur deshalb ist es überhaupt zu den Maximalfristen gekommen, auf die sich hier die Kollegen von CDU und FDP so gern berufen. Es war mitnichten davon die Rede, dass erst im September 2012 gewählt werden soll.Es muss darum gehen, rasch ein ordentliches Wahlgesetz zu verabschieden. Dies ist nach Anhörung bis spätestens März 2011 ohne weiteres möglich. Dann tagen die Wahlkreisausschüsse, die auch nicht mehr als 2 Monate für ihre Arbeit brauchen, wie die 4Vergangenheit gezeigt hat. Und dann kann man durchaus spätestens im November 2011 wählen. Das ist unsere feste Überzeugung. Deshalb haben wir den 13. November als Termin vorgeschlagen.Im Übrigen, als im letzten Jahr aus wahltaktischen und demoskopischen Gründen schnell gewählt werden sollte, musste zwar nicht das Wahlgesetz geändert werden, aber man führte eine Wahl durch, die unmittelbar nach den Sommerferien stattgefunden hat und den Parteien kaum Möglichkeiten zur Vorbereitung gelassen hat. Deshalb scheint mir der Wunsch der Menschen in Schleswig-Holstein, rasch wieder für einen verfassungskonform zusam- mengesetzten Landtag und eine entsprechende handlungsfähige Landesregierung zu sorgen, genau so wichtig zu sein. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden daher einem Wahlgesetz und der damit verbundenen notwendigen Verfassungsänderung nur zustimmen, wenn auch eine Bestimmung enthalten ist, wie wir verfassungskonform und zügig zur Neuwahl gelangen. Auch hier halten wir die 2/3-Mehrheit und damit die Verankerung in der Verfassung für den sichersten Weg, damit diese Wahlen zeitnah stattfinden können.Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen: Ich glaube, beim Ton in dieser Debatte müssen wir auch darauf achten, dass nicht wohlfeile antiparlamentarische Reflexe bedient werden. Wir sollten uns nicht wechselseitig im Ton vergreifen – nach gut und böse teilen - und nicht noch dazu beitragen, dass die, die glauben, je weniger Geld für Parlamentarismus ausgegeben wird, umso besser, recht behalten.Ich halte einen Kompromiss bis März für möglich, mit dem wir ein Wahlgesetz für Schleswig- Holstein schaffen können, das über viele Jahre Bestand haben kann und weder verfassungsrechtlich noch verfassungspolitisch angefochten werden kann. Und ich halte es darüber hinaus für wahrscheinlich und möglich, dass die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holstein bald auf der Basis dieses neuen Wahlgesetzes einen neuen Landtag wählen können.