Robert Habeck zur Haushaltsberatung 2011/2012
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Pressesprecherin Es gilt das gesprochene Wort! Claudia Jacob Landeshaus Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel TOP Haushaltsberatung 2011/2012 Telefon: 0431 / 988 - 1503 Fax: 0431 / 988 - 1501 Dazu sagt der Fraktionsvorsitzende Mobil: 0172 / 541 83 53 von Bündnis 90/Die Grünen, presse@gruene.ltsh.de Robert Habeck: www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 739.10 / 15.12.2010Solidität und Solidarität gehören zusammen!Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Finanzminister, sehr geehrte Damen und Herren,wenn sich die Selbstbeweihräucherungsschwaden etwas verzogen haben, bleibt nüch- tern festzustellen:Ja, es ist ein Sparhaushalt. Aber immer wieder wurde von uns angemahnt, dass Sparen kein Selbstzweck ist, dass Sparen kein Politikersatz ist und auch nicht der letzte Zweck von Politik, dass Ausgabenkürzungen ohne Aufgabenkritik nicht funktionieren kann, dass man nicht Probleme löst, indem man einfach das Niveau absenkt, auf denen man sie bearbeitet, dass Politik gestaltende Impulse setzen muss. Spar- oder Bankrott- Politik - das ist ein Balanceakt. Es ist eine Gratwanderung. Und Sie haben – vom He- rangehen bis zu den Nachschiebelisten – die Balance verloren.Ja, es ist ein Sparhaushalt, aber einer, der die Grundlagen des Gemeinwesens nicht unberührt lässt, einer, der den Sturz vom Seil provoziert - in einer Vielzahl von Einzelfäl- len und in seiner Gänze.Dieser Haushalt soll exemplarisch für die schwarz-gelbe Politik stehen. Und das genau ist das Problem. Sie haben sich auf Buchhaltung reduziert. Und deshalb müssen Sie diesen Tag so fürchten. Denn scheitert der Haushalt, bleibt nichts mehr übrig, für das Schwarz-Gelb stehen könnte. Scheitert der Haushalt, ist nicht nur Ihre Regierung am Ende, sondern Sie mit Ihrem Latein.Sie sind eine Ein-Punkt-Regierung. Mehr bieten Sie nicht.Weil Sie es versäumt haben, Ideen, die über Einsparung hinaus weisen, zu entwickeln, weil dieser Haushalt für die Ideenlosigkeit Ihrer Politik steht, lehnen wir ihn ab. Seite 1 von 9 Meine Damen und Herren, zu Anfang der Legislatur gab es eine große Bereitschaft im Parlament, Verantwortung gemeinsam zu tragen. Wir haben angeboten, gemeinsam mit der Regierung konzeptio- nell an der Konsolidierung des Landes mitzuwirken, wir haben angeboten, uns die Hän- de dreckig zu machen und die gewohnte Rollenverteilung zwischen Opposition und Re- gierung zu durchbrechen, und wir haben uns sogar vor Ihnen aus der Deckung gewagt und eigene Vorschläge zur Konsolidierung unterbreitet. Aber Ihnen war der closed shop der Haushaltsstrukturkommission lieber als ein transparentes, offenes, demokratisches Verfahren.Ich gehe so weit zu sagen, dass es auch in der Bevölkerung eine Bereitschaft zum Ver- zicht gegeben hat – doch sie wurde zerstört durch Hinterzimmerzimmerpolitik, durch Autismus und Männereitelkeit. Sie wollten alles für sich - und haben es sich mit allen verscherzt.Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einen Augenblick vor, was passiert wäre und wie Sie von den derzeit regierungstragenden Fraktionen reagiert hätten, wenn die linke Hälfte des Hauses die Grunderwerbssteuer angehoben hätte? Oder eine Küstenschutzabgabe hätte einführen wollen? Wenn Sie ehrlich sind und ich bitte Sie, sein Sie das für einen kurzen Moment, dann werden Sie zugeben, Sie hätten den Untergang des Abendlandes oder mindes- tens das Widererstarken des Sozialismus beschworen.Und stellen Sie sich vor, ein sozialdemokratischer oder Grüner Finanzminister oder Mi- nisterpräsident hätte dem Verband „Haus und Grund“ versprochen, dass es keine Grunderwerbssteuererhöhung vor 2013 geben würde und sie dann doch beschlossen. Vermutlich wäre das Grund für rote Köpfe und Rücktrittsforderungen gewesen.Nun, meine Damen und Herren, nichts davon von unserer Seite, sondern nur die Fest- stellung, dass wir viele Debatten hier weitaus besonnener hätten führen können, wenn Sie diesem unserem Vorschlag gleich offener begegnet wären und nicht Steuererhö- hung in unsinniger Verwesterwellung in Bausch und Bogen verteufelt hätten.Dieser Doppelhaushalt ist ein Steuererhöhungsdoppelhaushalt. Nicht nur wegen der Grunderwerbssteuer. Ihr gestriger Beschluss, die Küstenschutzabgabe über die Kom- munen einzutreiben, bedeutet technisch doch, dass Sie das FAG zu Lasten der Kom- munen ändern müssen. Die können dann entweder die Grundsteuern erhöhen oder werden erneut geschröpft.Meine Damen und Herren, den BürgermeisterInnen im Land wird schwarz vor den Augen, wenn sie an die schwar- ze Politik der CDU denken.„Wir wollen den Haushaltsausgleich ohne Steuererhöhung erreichen“, hieß es noch im CDU-Landtagswahlprogramm. Meine Damen Herren von CDU, solche Sprüche können Sie sich in Zukunft schenken.Es war, Herr Ministerpräsident, ein Fehler, die Legislatur mit der Feststellung zu begin- nen, dass Wohlfahrt auch erdrücken könne. Es war ein Fehler, weil es nicht die Wirk- lichkeit im Land trifft. Die Menschen im Land fühlen sich nicht erdrückt durch einen be- vormundenden Wohlfahrtsstaat, sondern hilflos und ausgeliefert angesichts von Per- spektivlosigkeit und Armut. 2 Es war ein Fehler, der im dem ersten „Fehler Haushaltsstrukturkommission“ gründete, so zu tun, als gäbe es eine Sparlogik, das so genannte „Bausteinsystem“. Denn diese Logik hätte erstens vorausgesetzt, dass es genaue Berechnungen des eigenen Tuns gegeben hätte, was es von der beabsichtigten Schließung der Uni Lübeck bis zu den gestrigen Deals in ihren Fraktionen offensichtlich nicht der Fall war, zweitens dass diese dann auch eingehalten werden.Von den Häfen an der Westküste über die Erhöhung der Straßenbaumittel bis zu den Mehrausgaben für die Kitas - die ich begrüße - immer wurde nachgebessert, ohne dass die Bausteine definiert, geschweige denn gegenfinanziert wurden. Aber warum nur ha- ben Sie da jetzt Kohle draufgelegt und nicht bei Mädchentreffs, den Fachhochschulen oder dem Freiwilligen Ökologischen Jahr?Und warum wurde die Schließung der Justizvollzugsanstalt Flensburg aufgegeben, nicht aber die von Jazz Baltica?Ihr Bausteinsystem funktioniert so, dass Sie alle Klötze haben und die Gesellschaft nur die Lücken. Es ist ein einseitiges System – und das erweckt den Eindruck von Willkür und Unfairnis und deshalb, deshalb haben Sie den gesellschaftlichen Rückhalt verloren. Weil es nämlich willkürlich und unfair ist.Die Wahrheit ist, Ihr Sparkurs folgt keinem System, sondern dem Schlingerprinzip, den- jenigen nachzugeben, deren Zustimmung Sie brauchen. Wer wen kennt, der laut schreit, kriegt Geld. Die anderen sind die Doofen. Ihr Problem ist aber, dass die Bevöl- kerung sich nicht für doof verkaufen lässt und ein feines Gespür für politische Wider- sprüche hat.Und einer der schlimmsten ist, dass Sie – wie in der Atompolitik – gesellschaftliche Kon- flikte, die längst geheilt waren, erneut aufmachen. Erneut spielen Sie Natur- gegen Küs- tenschutz aus. Sie wollten Frau Damerow einfangen und haben eine Kampfansage an die Westküste formuliert. Wider bessere Einsicht. Denn es ist ja richtig, Küstenschutz wird in Zukunft noch mehr Geld kosten – verursacht durch den Klimawandel, wiederum verursacht durch eine falsche Industriepolitik. Und jetzt tun Sie erneut so, als ob alles auch billiger zu haben ist, als ob nicht der Klimawandel das Problem ist, sondern der Naturschutz. Sie machen eine völlig falsche Frontstellung auf und treiben das Land in die Auseinandersetzungen der Vergangenheit. Als Resultat Ihrer Billigheimer-Politik.Meine Damen und Herren, Sie haben es versäumt, gemeinsam mit den Haushaltsberatungen eine Reformdebatte zu initiieren. Das betrifft die großen Baustellen wie Beamtenpensionen, ein mutiges Voran bei der verstärkten Zusammenarbeit mit Hamburg statt des Rumbremsens in der Enquetekommission, das beinhaltet Initiativen auf Bundesebene statt der Abspeiserei mit Keks und Kleckerbeträgen im Kanzleramt, das beinhaltet eine Reform der kommu- nalen Verwaltung, statt dass der CDU-Innenminister vor CDU-Bürgermeistern das CDU-Wahlprogramm abfeiern lässt und das als Gesprächsforum preist, das beinhaltet ein Hinterfragen der Monsterbauprojekte und Infrastrukturpolitik des letzten Jahrtau- sends, das beinhaltet aber auch ganz konkrete, kleine Maßnahmen der Re- Organisation gesellschaftlicher Prozesse.Die Mädchentreffs mit der Schularbeit, speziell den Ganztagsschulen zu verschränken, hätte die Existenz der einen gleichzeitig mit der Unterstützung der anderen bedeutet. Die Arbeit des Landesmusikrates durch Zielvereinbarungen mit der der Festivals Jazz 3 Baltica oder Schleswig-Holstein-Musikfestival zusammenzubringen, würde beide In- stanzen stärken. Statt das Landesblindengeld gegen die Blindenhilfe des Bundes aus- zuspielen, hätte man ein neues System aus einer Hand entwickeln müssen. Und sie tun das Gegenteil und untergliedern nun auch noch die Blinden in Einzelgruppen und spie- len sie gegeneinander aus. Das ist aber einfach kläglich, das ganze Weltbild, das ist „teile und herrsche“ – schlimmer: Filetiere die Gesellschaft in Partikularinteressen und sichere den eigenen Machterhalt.Und manchmal treibt diese Politik wirklich kuriose Blüten: Ganze Bereiche der Fortbil- dung, der Jugendfreizeiten, der Ferienarbeit, die auf Vereinsebene geleistet wurden, drohen verloren zu gehen – damit dann der Sozialminister staatlicherseits teure Pro- gramme auflegen kann, damit der Staat das leistet, was zuvor die Zivilgesellschaft ge- tragen hat. Die neue FDP-Politik ist die Verstaatlichung von bürgerschaftlichem Enga- gement. Ihre Ideologie treibt sie in die Paradoxie – und sie merken es nicht mal. Sie ha- ben offenbar zu viel Eigenlob inhaliert.Meine Damen und Herren, sehr geehrtes Kabinett, zu fataler Kommunikation und fehlendem Gestaltungswillen kommt als drittes noch die Unterlassungssünde mangelnder Zukunftsperspektiven hinzu. Von Vision will ich gar nicht reden. Am greifbarsten ist dies in der Hochschulpolitik. Erst sollte die Uni Lübeck geschlossen und die Wirtschaftswissenschaften in Flensburg abgebaut werden, dann wurden die Zuschüsse für die Fachbereiche Medizin um zehn Mio. Euro gekürzt – wie- der ohne mit den Betroffenen zu reden – und schließlich sollten 5.000 Studienplätze nach Niedersachen verhökert werden. Man kann sich inzwischen sicher sein: Immer wenn es gegen die Unis geht, ist diese Landesregierung vorne weg dabei.Den Ruf des Landes als Wissenschaftsland haben Sie bundesweit ruiniert.Das ist Ihr historisches Vermächtnis. Man muss sich das auf der Zunge zergehen las- sen – die Idee der so genannten bürgerlichen Regierung ist die Idee von Schleswig- Holstein als Arbeiter- und Bauernstaat.Meine Damen und Herren, es heißt, man muss vor seiner eigenen Haustür kehren. Es ist nur so, dass Kehren eine Sisyphusarbeit ist, wenn einem der Sturm immer neuen Dreck vor die Tür pustet. Und wenn das so ist, dann muss man einen Zaun oder Windfang bauen oder noch besser die Ursache des Drecks bekämpfen. Mit anderen Worten: Schleswig-Holstein hat so immense Probleme, dass jede Regierung ihrer Aufgabe nicht gerecht wird, wenn sie nur nach unten starrt und fegt, sondern sie muss über das Land hinaus denken, sich einmischen, Ursachenbekämpfung betreiben und einen politischen Ehrgeiz entwickeln, der über das Land hinaus reicht. Das tun Sie in genau einem Be- reich – dem Glücksspiel. Statt bei den wirklichen Zukunftsfeldern Wissenschaft, Bil- dungsfinanzierung, Erneuerbare Energien, moderne Verwaltung, Druck zu machen, put- teln sie rum. Haustürpolitik statt klugem Haushalten.Als ich zuerst hörte, dass Schleswig-Holstein die Verluste durch die Absetzbarkeit der Brennelementesteuer im Bundesrat nicht hinnehmen will, da habe ich mich gefreut. A- ber diese Freude war nur kurz, denn wieder haben Sie, Herr Finanzminister, sich ver- trösten lassen, wieder sind Sie der Merkelschen Lyrik aufgesessen, wie damals bei dem legendären Kekseessen im Kanzleramt. 100 Mio. Euro für Bildung war damals die Zu- sage - unter, wie es hieß „ehrbaren Kaufleuten“ – Herr Ministerpräsident, diese Kanze- lerinnen-Worte kann man in der Pfeife rauchen. 4 70 Millionen Euro haben wir damals verloren. Dazu kommen 60 Millionen Euro für die Kommunen. Wenn wir das in Lehrerstellen umrechnen, dann sind das bei einem Kos- tenansatz von 50.000 pro Stelle, 2.000 Stellen pro Jahr, die uns das Steuersenkungs- delirium der Bundesregierung gekostet hat. Pro Jahr. Wie bescheiden nehmen sich da- gegen unsere Änderungsanträge aus.Und wir wissen doch alle, wie windelweich Frau Merkels Zusagen sind – außer gegen- über der Atomlobby, da zieht sie knallhart durch. Wenn schon das gebrochene Ver- sprechen ehrbare Kaufmannschaft ist, dann wundere ich mich nicht mehr über die un- ehrenhaften Geschäfte dieser Bundesregierung mit der Atom-, Pharma- und Hoteliers- Lobby. Dieses rum-merkeln hat System – freundlich tun, und hintenrum knallharte Inte- ressenpolitik.Dass Frau Merkel nun uns, die Grünen als Lieblingsgegner auserkoren hat, macht mich geradezu stolz. Zeigt es doch, wie wenig prinzipientreu sie ist und wie sehr dies von strategischem Kalkül geprägt ist. Erst Greenwashing, jetzt Greenbashing. …Und wenn der Kollege von Boetticher sich über meine Partei – ausdrücklich den Lan- desverband Schleswig-Holstein meinend - so zitieren lässt – ich lese das vor, mit Ver- laub: „Es gibt Gestalten im feinen Zwirn, die durch die Republik laufen und so tun, als ob sie bürgerliche Werte verkaufen. Dabei sind […] die Grünen der Wolf im Schafspelz… [und] im Wahlkampf werden wir sie entlarven und zeigen, aus welcher Ecke sie kommen“, da sage ich, dann kommen Sie doch aus der Ecke. Der Ring ist frei. Lassen Sie es uns austragen, den tatsächlichen Konflikt. Dann lassen Sie uns darüber abstimmen, über die beiden gesellschaftlichen Konzepte, die sich gegenüberstehen, das rückwärtsge- wandte der CDU und das Grüne, das die Gegenwart verteidigen und die Zukunft er- obern will.Das ist der Konflikt! Es ist der Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Schleswig- Holstein. Zwischen Oligopolen in der Energiewirtschaft, und dezentraler, bürgernaher, mittelständischer Energiestruktur, zwischen der systematischen Auslese von Kindern nach der vierten Klasse und einem neuen, besseren, binnendifferenzierten Lernen, zwi- schen der Verkrustung in der Verwaltung und Mauscheleien und dem Zusammenbrin- gen von Aufgaben und Menschen. Ja, sage ich, tragen wir es aus.Und, da Sie sich jetzt ja so gern mit konservativen Phrasen schmücken, zu denen, wie wir seit der letzten Sitzung wissen, auch das Fingerzeigen auf MigrantInnen und das Pochen auf ihre Integrationswilligkeit gehört: Die Integrationskurse im Land sind voll. Und das schon seit geraumer Zeit. Und es gibt keine Gelder, den MigrantInnen den Wunsch nach Integration und deutscher Sprache zu erfüllen. Mit anderen Worten: In- tegrationsverweigerer sind nicht die MigratInnen und AusländerInnen, es ist ihre Regie- rung. Auch das gehört zur Haushaltswahrheit und Klarheit.Sie werfen uns vor, Dagegen-Partei zu sein, dabei igelt sich die CDU – mit Schaum vorm Mund – jedem Tag mehr im Gestern ein. Nein, wir sind für gesellschaftlichen Fort- schritt und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch bereit, dafür Zumutungen wie in der Bürgerversicherung vor der Wahl auszusprechen. Und wir sind für Steuerer- höhungen und haben das gesagt. Während Sie Ihren Wahlkampf unter der Vortäu- schung falscher Tatsachen geführt haben - geführt, nicht gewonnen.Und die FDP hat immer noch nicht kapiert, dass ein niedriges Steuersystem einfach nicht gerecht sein kann, weil jeder Euro, der fehlt, Kürzungen und Einschnitte andern- 5 orts bedeutet.Sie haben es doch hier im Land erlebt und erleben es täglich – wo bitte ist unser Staat zu fett? Wir machen eine gesellschaftliche Hungerkur, ohne dass das Gemeinwesen Speck auf den Rippen hätte - während die Ungleichheit in Deutschland täglich größer wird. Das vor Augen, sollten Sie ganz vorsichtig sein, wen sie als Dagegen-Partei be- schimpfen. Die Finger an der Hand, sie weisen nur auf Sie zurück.„Wo ist der Staat zu fett?“ Moment mal. Doch, da fällt mir doch noch etwas ein: Ja, wir sind dagegen, dass Parteien und Fraktionen sich Urteile von Verfassungsgerichten um- interpretieren wie es ihnen gut dünkt, um die Anzahl ihrer FunktionsträgerInnen hoch zu halten. Wir sind für Neuwahlen noch in 2011 und haben sie im Haushalt vorgesehen und sparen dadurch 3 Mio. Euro ein.Was unsere Änderungsanträge weiterhin angeht: Wir akzeptieren das Einsparziel und Volumen des Haushalts. Und wir waren bereit, auch unbequeme Entscheidungen mit zutragen. Aber wissen Sie was, ich habe ehrlich keinen Bock mehr. Man muss ja inzwi- schen davon ausgehen, dass man, wenn man für eine schwierige Maßnahme ist, am Ende der letzte Dumme ist, der aufrecht steht.Meinen Sie nicht, auch Grüne würden gern das Füllhorn der Geschenke über das Land ausschütten? Und dann diskutieren wir und ringen um verantwortungsvolle Positionen und dann kommt diese Regierung und verkauft den Satz mit X auch noch als Erfolg und man selbst steht im Regen. Wir hätten die Küstenschutzabgabe mitgetragen und wären auch bereit gewesen, über Strukturreformen bei den Haftanstalten im Land zu reden. Aber so, wissen Sie was, machen Sie Ihren Krempel doch allein.Im Gegensatz zu Ihnen erhöhen wir die Grunderwerbssteuer schon ab 2011. Allerdings finanzieren wir mit der Grunderwerbssteuer Mehrausgaben im Bildungsbereich. Das haben wir immer angemahnt, das ist redlich. Wir haben ein 100 Mio.-Euro- Bildungspaket für 2011 und 2012 geschnürt, ein Qualitätspaket, mit dem wir Verbesse- rungen von der Kita, über Schule bis zur Uni voran bringen wollen. Die drastischen Ein- sparungen der Landesregierung bei Lehrerstellen, Schülerbeförderungskosten und auch den dänischen Schulen sind falsch.Speziell mit der Berliner Lösung für die Minderheit machen Sie diese zu Bittstellern in Berlin und verstoßen gegen die minderheitspolitischen Grundsätze, die diesem Land Frieden und Vorbildcharakter gegeben haben. Das ist, neben der Rufruinierung des Landes als Wissenschaftsstandort das zweite wirklich böse, weil nicht so schnell hei- lende Foul. Im Land Schleswig-Holstein fühlen sich Menschen wieder als BürgerInnen zweiter Klasse. Das ist bitter. Aber bitterer noch ist es, wenn sie es nicht einsehen wol- len und unter Verweis auf Berliner Almosen die Grundlagen des gedeihlichen Zusam- menlebens im Land in Frage stellen.Wir widmen Mittel aus dem Zukunftsprogramm ländliche Räume für den Ausbau von Ki- tas und Schulen im ländlichen Raum um. Wir kompensieren die Erhöhung der Pflicht- stunden durch mehr Schulsozialarbeit. Aber ja, auch das gehört zur Wahrheit, wir sehen uns nicht mehr in der Lage, das kostenfreie Kita-Jahr aus Landesmitteln gegen zufinan- zieren. Jedenfalls in der mittelfristigen Planung ist das nicht darzustellen. Durch die Er- höhung der Grunderwerbssteuer schon ab 2011 gelingt es uns aber, die Kitas bei der Umsetzung der Bildungsleitlinien zu unterstützen, über das Maß der Landesregierung hinaus, wir stocken den kommunalen Finanzausgleiches zusätzlich zu noch einmal auf, um eine landesweite Sozialstaffel zu ermöglichen. 6 Wir stellen Gelder für zusätzliche Studienplätze bereit, unterstützen die Hochschulen, setzen gesellschaftliche Akzente bei der Migrationssozialarbeit, verteidigen die Vereins- und Verbandsstruktur im Sozialen und Kulturellen, setzen auf ökologischen Landbau und nehmen die 60 Mio. Planungskosten für die feste Fehmarnbelt-Querung sowie die Gelder für die Gutachten zur Privatisierung des Universitätsklinikums Schleswig- Holstein wieder aus dem Haushalt.Wir streichen den Mittelstands- und Integrationsbeauftragten, die Kulturbeauftragte, den neuen Abteilungsleiter im Justizministerium und den zweiten Staatssekretär in der Staatskanzlei, kürzen die Zuwendungen an die Landwirtschaftskammer, nehmen die zusätzlichen 30.000 Euro für das Schloss Glücksburg wieder raus und sparen bei der Internationalen Grünen Woche, an Messen und Ausstellungen sowie bei den Konferen- zen und Veranstaltungen der Landesregierung. Es ist nicht zu verantworten, dass der Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz im Doppelhaushalt mit 400.000 Euro veran- schlagt ist.Meine Damen und Herren, die Schuldenbremse haben wir sehenden Auges eingeführt, und wir stehen dazu, ob- wohl sie die Logik der Plenardebatten auch für die Opposition verkehrt. Früher musste sich die Regierung für ihr Sparprogramm rechtfertigen, jetzt muss es die Opposition da- für, dass sie nicht so hart spart.So muss auch die Opposition innehalten und überprüfen, wie sie sich in den letzten Monaten aufgestellt hat.Nun, die Linke verfolgt eine Politik des kontrollierten Staatsbankrotts und verkauft das als Gerechtigkeit. Ich halte das für eine logische Fehlleistung. Die Weigerung, die haus- haltspolitische Situation überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, führte, denkt man sie kon- sequent zu Ende, entweder zu Irland- oder Griechenlandszenarien oder zu einer massi- ven Geldentwertung durch Inflation. In beiden Szenarien werden die sozial Schwachen weiter geschwächt. Ich will deutlich sagen: Diese Gesellschaft braucht dringend wieder Umverteilung von unten nach oben. Aber die Krise der öffentlichen Haushalte durch ei- ne exorbitante Verschuldung wird zum Gegenteil führen, denn nur Reiche können sich einen armen Staat leisten.Viele Anträge der SPD stimmen mit unseren überein. Aber es gibt auch erhebliche Un- terschiede.Die SPD will nach wie vor, die Mehreinnahmen aus der kommunalen Verwaltungsstruk- turreform zur Haushaltssanierung einsetzen, wir halten das für falsch. Wir haben hier unsere Position korrigiert. Geld, das die Kommunen durch Reformen einsparen, ist kommunales Geld. Und ich sage voraus, es wird wieder keine Verwaltungsreform ge- ben, wenn es nicht starke Anreize für die Kommunen gibt, sich an dieser zu beteiligen.Wir sagen auch, was nicht geht. Dazu gehört, die beitragsfreie Kita ab 2011 wieder ein- zuführen. Wir kämpfen mit offenem Visier mit und verstecken uns nicht hinterm Busch, wenn es unangenehm wird.Die BürgerInnen haben doch die Schnauze voll davon, dass der Kassensturz immer erst nach der Wahl gemacht wird und das dann alle Wahlversprechen dahin schmelzen wie der Schneemann in der Sonne. 7 Liebe SPD, bei allem Respekt vor den Leistungen ihrer Regierungsbeteiligung in der Vergangenheit, so richtig gehen ihren und unseren haushaltspolitischen Vorstellungen dann doch nicht zusammen.Und bei der Beltuntertunnelung haben Sie gleich die Möglichkeit, sich zu bekennen. Auch runde Tische haben Kanten.Meine Fraktion und meine Partei werden nicht in einen Wahlkampf ziehen, in dem wir allen alles und jedes versprechen, ohne die Gesamtbilanz vorzulegen. Wenn Sie den anderen Weg gehen wollen, dann gehen Sie ihn, aber wir gehen ihn nicht mit.Noch sind wir meilenweit davon entfernt, die Koordinaten für die Schuldenbremse rich- tig gestellt zu haben. Deshalb können wir dem SSW-Antrag, heute schon einen Nach- trag einzufordern und sich schon heute darauf festzulegen, das beitragsfreie Kita-Jahr wieder einzuführen, nicht zustimmen.Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, ich möchte, nein, ich will noch einmal auf die letzte Debatte zum Haushalt, die Septem- berdebatte zu sprechen kommen. Sie wurde hart geführt und hatte ein paar Nachspiele. Diese haben insgesamt zu einer Klärung der verschiedenen Vorwürfe geführt.Ich fand es eine große Geste, dass Sie, Herr Finanzminister, obwohl ich Sie durch mei- ne Rede offenbar persönlich verletzt habe, noch am Abend zu mir ins Büro gekommen sind, um die Dinge durchzusprechen.Und ich muss zugeben, erst im Nachhinein habe ich verstanden, warum die letzte Haushaltsdebatte so sehr abging und warum Sie, Herr Finanzminister aber auch Sie, Herr Ministerpräsident, sich von ihr persönlich beleidigt fühlten. Sie mussten wohl den- ken, ich spreche Ihnen das Ethos hinter Ihren Haushaltskonsolidierungsbemühungen ab. Und das tue ich nicht. Im Gegenteil – bei aller unterschiedlicher Bewertung von ein- zelnen Punkten und einer insgesamt anderen Bewertung der Haushaltslage, ihrer Mög- lichkeiten und Notwendigkeiten – ich weiß aus den vielen persönlichen Gesprächen und auch als Beobachter und Kommentator Ihrer Politik, dass Ihnen der Schuldenabbau ein moralisches Anliegen ist und ich nehme Ihnen mehr als ab, dass Sie die Verpflichtung zur Haushaltskonsolidierung als ihre persönliche Verantwortung vor den kommenden Generationen wahrnehmen und fühlen.Vor diesem Hintergrund allerdings – und das habe ich schon bei einer hitzigen Plenar- debatte im Herbst angemahnt – ist es mehr als ein Schönheitsfehler, wenn die Regie- rung nicht mit gutem Sparbeispiel bei sich selbst voran geht. Ich stimme Herrn Stegner da ausdrücklich zu. Nur dass ich nicht seine Wut teile, sondern vielmehr enttäuscht bin über so wenig ausgeprägte politische Sensibilität.Herr Finanzminister, in meiner letzten Rede verwendete ich das Wort „Haushaltslüge“. Dafür entschuldige ich mich und nehme es zurück.Meine Damen und Herren, auch für uns – wie für jeden hier im Haus, der sich seiner Verantwortung stellt – waren die Haushaltsberatungen ein Balanceakt. Auch wir hätten gut mehr Geld ausgeben können – Bedarf genug gibt es. Und es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei – Schleswig-Holstein kann Sparen, bis wir blau anlaufen, die finanzielle Basis für ein ge- deihliches Zusammenleben, für eine gesellschaftliche Austarierung von Gleichheit 8 durch den Staat, ist zu schmal. Sprechen Sie doch mal mit ihren kommunalen Vertrete- rInnen. Wer sagt, wir hätten ein Ausgabenproblem und kein Einnahmeproblem, hat kei- ne Ahnung von der Wirklichkeit im Land.Wir wollen Solidität – aber wir haben nicht den Ehrgeiz, noch größere Sparhansel zu sein als Sie. Stattdessen haben wir den Ehrgeiz, das gesellschaftliche Kräfteverhältnis im Lot zu halten. Solidität und Solidarität gehören zusammen.Meine Damen und Herren, ich komme zum Anfang zurück. An unseren Änderungsanträgen können Sie sehen, dass die Rede von Alternativlosigkeit Quatsch ist. Es mag enge Entscheidungsspiel- räume geben, aber eine Politik, die von sich sagt, sie sei alternativlos wird nicht ge- braucht.Ihre Behauptung, es sei alternativlos, beim FÖJ, bei den Mädchenhäusern, bei den Frauenberatungsstellen oder auch bei der Kultur zu kürzen, ist doch eine Farce, wenn sie gleichzeitig über Nacht die Straßenbaumittel um jährlich 7 Mio. Euro erhöhen, 60 Mio. in die Fehmarnbelt-Querung pumpen – gegen die bestehende Rechtslage, wie wir seit Dienstag wissen - und Schlösser ohne Not extra bezuschussen. Die Fehmarnbelt- Kosten stehen im Haushalt entgegen den gesetzlichen Bestimmungen. In dieser Situa- tion werfen Sie der DB AG 60 Mio. Euro in den Rachen. Raus mit der Kohle aus dem Haushalt.Nichts ist alternativlos – aber Sie haben in den vielen Monaten der Haushaltsberatung die Alternative nicht gesucht - Sie haben nicht auf Dialog gesetzt - Sie haben die Bürge- rInnen, die Vereine und Verbände nicht für den notwendigen Sparkurs gewonnen - Sie haben sich bis zum Schluss geweigert bei sich selbst zu kürzen - Sie haben keinen Weg gesucht, neue Vereins- Verbands- und Förderstrukturen aufzubauen.Das ist es, was die Menschen im Land so erzürnt, was Vereine und Verbände zermürbt, was zu Politikverdrossenheit führt!Herr Ministerpräsident, Ihre schwarz-gelbe Regierung hat die Balance verloren, Ihr Haushalt verfestigt die ge- sellschaftliche Schieflage.Keine Visionen! Keine Gerechtigkeit! Keine Perspektive! Verantwortung wahrnehmen heißt, gegen diesen Haushalt zu stimmen. Und das wird meine Fraktion aus voller Ü- berzeugung tun. *** 9