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19.11.10
15:41 Uhr
SPD

Bernd Heinemann zu TOP 36: Psychiatrieplan muss Strukturen und Standards festlegen

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 19. November 2010


TOP 36, Fortschreibung des Psychiatrieplanes (Drucksache 17/994)



Bernd Heinemann: Psychiatrieplan muss Strukturen und Standards festlegen

Die psychischen Belastungen in unserer mobilen und komplizierter werdenden Welt und die Belastungsfähigkeit der Menschen gehen weiter auseinander. Das zeigt auch, ausgelöst durch den Tod Robert Enkes, stellvertretend die öffentliche Diskussion um das spektakuläre Thema Depression und die rasante Zunahme der Antidepressiva-Verschreibungen um bis zu 200 % in nur 10 Jahren. Die Gesundheitsberichte der TK, der AOK und der BARMER-GEK bestätigen die Zunahme von Krankschreibungen wegen psychischer Störungen gleichermaßen.
Das Wegschließen von Menschen mit auffälligen psychiatrischen Störungsbildern in zentralen, aber weit abgelegenen Massenverwahranstalten gehört seit der Psychiatrie-Enquete der 70er Jahre ebenso wie Elektroschocks, Eisbäder und andere Menschen verachtende Therapiemethoden unserer dunklen Vergangenheit an. Wir haben Schritt für Schritt die Förderung von Beratungsdiensten und Selbsthilfegruppen im Rahmen einer gemeindenahen menschenfreundlichen Versorgung entwickelt und ausgebaut. Die Unterstützung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und geistigen Behinderungen wurde als Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung differenziert und gemeindenah neu geordnet.
Somatische und psychische Erkrankungen sind gleichgestellt. Förderprogramme für Aus-, Fort- und Weiterbildung tun ihr übriges. Die Psychiatrieplanung in den Händen der Länder konzentriert sich auf diese grundsätzlichen Vorgaben, bundesweit.

Das Verdienst der rot-grünen Landesregierung unter Federführung der Minister Günther Jansen 1990 und Heide Moser 2000 war es, in der psychiatrischen Planung Konzepte einer differenzierten gemeindenahen psychiatrischen Versorgung voranzutreiben. Gut 2



ausgebaute qualifizierte regionale und überregionale Versorgungsnetzwerke sind gewachsen und viele differenzierte regionale Planungskonzepte auf Kreisebene entwickelt worden.
Auch in der schwarz-roten Koalitionsvereinbarung war die Landes-Psychiatrieplanung ein wesentliches Kernthema. Ministerin Trauernicht hat es systematisch weiterentwickelt. Das Netz von örtlichen Tageskliniken in der Erwachsenen- sowie Kinder und Jugendpsychiatrie wurde ausgebaut. Weitere Beispiele dafür sind die Initiativen zur geriatrischen Versorgung, der Ausbau dezentraler Wohnprojekte sowie die Weiterentwicklung geschlechtssensibler und migrationspezifischer Hilfeangebote. Die gerontopsychiatrische Versorgung hat sich seit 2005 weiter differenziert. Die Landesagentur für Demenz in Norderstedt beispielsweise hat Großartiges geleistet.
Leider konnte die schwarz-rote Idee, den landesweiten Psychiatrieplan nach 10 Jahren fortzuschreiben unter den gegebenen Umständen 2009 nicht mehr in Angriff genommen werden. Nun wird es allerdings langsam Zeit.
Wenn wir dem zunehmenden Behandlungsbedarf und z.B. den Belastungen von Kindern psychisch kranker Eltern gerecht werden wollen, benötigen wir Eckpunkte für ein vielfältig differenziertes Präventionskonzept. Sekundär und tertiär präventive Elemente von der Information bis hin zur Beratung und Selbsthilfe gehören hier hinein.
Nach der erfolgreichen Regionalisierung der Psychiatrie stehen jetzt die neu gefundenen Grundwerte für das Versorgungssystem und die Leitlinien für die Arbeitsfelder der psychiatrischen Hilfen und Angebote auf dem Prüfstand, um gemeinsame Strukturvorgaben und Standards landesweit zu verabreden. Dabei gilt es, von den Besten zu lernen, aber auch Mindeststandards für quantitative Festlegungen zu erarbeiten.
Es soll dabei nicht nur um Bettenmesszahlen für Erwachsene oder Jugendliche oder den Realisierungsgrad von Wohnplätzen gehen. Auch die Qualität der Versorgung unter Berücksichtigung von Bevölkerungszahl und Sozialstruktur sollten landesweit in Zielvereinbarungen ausgerichtet werden. Erste Erfahrungen mit den regionalen Budgets im Bereich der psychiatrischen Versorgung z.B. im Kreis Steinburg sowie die weitere Synchronisation von Krankenhaus- und Psychiatrieplanung sollten uns auf dem Weg zur besten Lösung unterstützen. Wir brauchen mehr dieser regionalen Budgets, wir sollten sie überregional intelligent verzahnen und den Beteiligten dabei Spielräume besserer Wirtschaftlichkeit sichern. Das spart Geld und erhöht den Wirkungsgrad nachhaltig. 3



Elf Bundesländer haben inzwischen auf Landesebene einen Psychiatriebeirat geschaffen, der die Aufgaben der Landesplanung steuert und mit den Arbeitskreisen der gemeindenahen Psychiatrie auf Kreisebene die Weiterentwicklung begleitet. Schleswig-Holstein fehlt hier noch.
Auch die Versorgungssituation mit psychotherapeutischen Fachangeboten ist lückenhaft, die langen Wartezeiten in diesem Sektor, insbesondere für Kinder und Jugendliche zeigen, die Bedarfe sind höher als das Angebot. Kinder- und Jugendpsychiater fehlen in der Fläche völlig - ein Themenkreis, den wir mit der KV diskutieren müssen. Und es gibt neue Entwicklungen, für die wir bisher kein einheitliches Konzept bieten können.
Der europäische Gerichtshof hat ebenso wie deutsche Gerichte das Thema Sicherungsverwahrung problematisiert und dabei indirekt angemessene neue psychiatrische Hilfeangebote und Perspektiven eingefordert. Vielleicht hilft die Diskussion zum Bundesentwurf des Therapieunterbringungsgesetzes. Aber ich bin schon jetzt überzeugt, dass das Problem nicht mit privat angestellten Leiharbeitern geregelt werden kann.
Ein Landespsychiatriebeirat kann in vielen Bereichen helfen und möglicherweise selbst zum Motor eines stets aktuellen landesweiten Psychiatrieplanes werden. Dieser lebende Plan kann uns auch bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention oder eines landesweit koordinierten Konzepts der Aus- und Fortbildungsangebote helfen und die Verwaltung des Gesundheitsministeriums schließlich trotzdem entlasten.
Wir freuen uns auf die konstruktive Diskussion im Ausschuss. Das Gesundheitsland Schleswig- Holstein wartet auf diesen wichtigen fraktionsübergreifenden Schritt der Hilfe für immer mehr psychisch belastete Bürger.