Martin Habersaat zu TOP 59: Besser spät als nie.
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 19. November 2010TOP 59: Hochschulpolitisches Konzept der Landesregierung (Drucksache 17/882)Martin Habersaat: Besser spät als nie…„Stell Dir vor, die Regierung hat ein Konzept, und keiner soll es hören…“ Der Wissenschaftsminister legt ein Hochschulpolitisches Konzept vor, über 100 Seiten, gespickt mit Daten, Fakten und politischen Aussagen. Aber die Regierung besteht nicht darauf, dass es auch diskutiert wird. Der späte Freitagnachmittag der Plenartagung im Oktober sollte es erst sein, dann doch lieber der November und nun füllen wir im Programm immerhin die Lücke, die Minister Schlie heute lässt.Eine solche Zusammenstellung von Strukturdaten über unsere Hochschulen ist auf jeden Fall nützlich und dafür bedanke ich mich bei den MitarbeiterInnen des Wissenschaftsministeriums. Die Tatsache, dass heute ein Hochschulpolitisches Konzept der Landesregierung vorliegt, macht aber auch eines klar: Es fehlte vorher.Erst Konzeption, dann Aktion – das wäre in den vergangenen Monaten oft hilfreich gewesen. Im Sommer dieses Jahres hatten wir vor der Tür eine der größten Demonstrationen, die das Landeshaus je erlebt hat. Die Teilnehmer demonstrierten für eine Erkenntnis, die die Regierung heute selbst aufschreibt. In der Einleitung steht auf S.5: „Die Hochschulen sind wesentliche Akteure bei der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben.“ Hätte Herr Carstensen das für seine damalige Regierungserklärung nur schon gewusst…Im Konzept steht auch ein Satz, den man in Lübeck, Flensburg und Wedel gerne lesen wird und sicher schon im Sommer begeistert gefeiert hätte. Zur „Ausgangslage“ heißt es auf S.7: „Die 2Landesregierung unterstützt die Hochschulen des Landes in ihrer eigenverantwortlichen Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen.“ Wenn das der Haushaltsstrukturkommission klar gewesen wäre! Vielleicht fürchtet die FH Wedel zu Unrecht die Insolvenz?Weiter schreibt die Landesregierung, sie wolle „die Erfolgsaussichten für die Fortsetzungs- und Neuanträge“ im Exzellenzbereich steigern. Und auf S.26 weiß man zu berichten: „Die medizintechnisch geprägte Wirtschaft Lübecks erleichtert darüber hinaus den Lübecker Hochschulen entsprechende Kooperationen bzw. die Einwerbung entsprechender Forschungsaufträge.“ Hätte man diese Sätze Herrn Kubicki doch für seine Besuche in Lübeck mitgeben können! Vielleicht wären die Professoren Born und Hilgenfeld heute noch in Lübeck.Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen halten auch wir für richtig. Viele Aussagen sind ehrlich und wichtig. - Natürlich müssen unsere Hochschulen in ausreichendem Umfang finanziell ausgestattet werden. - Selbstverständlich müssen wir vor Entscheidungen zur Universität Flensburg die Empfehlungen der WKN (Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen) abwarten. - Gewiss führen Hochschulpakt und doppelter Abiturjahrgang 2016 zu einem Bedarf an einer möglichst hohen Zahl an zusätzlichen Studienplätzen – unter möglichst guten Bedingungen. - Sicherlich ist es ehrlich festzustellen, dass insgesamt betrachtet die Finanzierung der Hochschulen unterdurchschnittlich ist. - Bestimmt ist Erkenntnis ein erster Schritt, wenn wir nun schriftlich haben, dass der Anteil von Frauen an Professuren nur 11,1% beträgt und weit unter dem Bundesschnitt liegt.Es finden sich, wenn auch vorsichtig in der Formulierung, sogar visionäre Sätze: - S.37: „Die normative Trennung zwischen Fachhochschulen und Universitäten bildet die realen Differenzierungsprozesse im Hochschulsystem möglicherweise nur noch unvollständig ab.“ 3 - S.56: „Die Lehrerausbildung ist […] zu einem zunehmend wichtigen, gleichrangigen Studienfeld an Universitäten geworden.“Das ist fast etwas zu zaghaft. Wenn wir es ehrlich betrachten, müssen wir sagen, dass manch ein Institut ohne die angehenden Lehrerinnen und Lehrer nahezu bedeutungslos wäre. Dem müssen wir Rechnung tragen. Ich habe in der letzten Woche gelernt: „Einen Lehrer, der sagt, von Hause aus sei er Germanist, muss man fragen: Was ist denn das für ein Zuhause?“. Es wird einen Wandel geben müssen in der Lehrerbildung.Es gibt auch kritischere Punkte. Das Mantra der Stiftungsuniversität als Allheilmittel für die Universität Lübeck kann so lange nicht überzeugen, wie wir nicht wissen, welche Stifter welche Aufgaben übernehmen können. Da hilft auch nicht, dass wir mit dem 1.1.2013 jetzt ein Datum kennen. Und wir bleiben dabei: Keine Studiengebühren bei Hochschulen in öffentlicher Verantwortung! Das gilt auch für Stiftungshochschulen.Wir wollen den baulichen Masterplan für das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit privaten Investoren umsetzen, aber nicht dadurch, dass wir den größten Arbeitgeber im Land und den einzigen Träger der medizinischen Maximalversorgung demnächst als Schnäppchenangebot bei ebay wieder finden.Auf S.21 wird festgestellt: Die Bildungswege werden durchlässiger, die Angebote werden aber nur „zurückhaltend in Anspruch genommen“. Betrüblich. Und nun?Auf S.22 wird konstatiert, dass Schleswig-Holstein - trotz aller Dänemark-, Ostsee-, HanseBelt-, und Meeresinitiativen - im Bereich der Internationalisierung nicht gut abschneidet. Bedauerlich. Wo ist unsere Perspektive für ein Europäisches Hochschulwesen?Dieses Konzept wirft auch Fragen auf. Aber das ist gut. Für weitere Beratungen ist es eine gute Grundlage. Gut ist auch: Kurz vor Ablauf ihrer Amtszeit entdeckt diese Landesregierung das konzeptionelle Arbeiten. Besser spät als nie…