Siegrid Tenor-Alschausky zu TOP 21 + 22: Einschränkung von Mitgestaltung schadet der Demokratie
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 18. November 2010TOP 21 und 22, Erhalt der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gemäß § 47f der Gemeindeordnung; Erhalt der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten (Drucksachen 17/966neu, 17/967neu)Siegrid Tenor-Alschausky:Einschränkung von Mitgestaltung schadet der DemokratieInnenminister Schlie und mit ihm das gesamte schwarz-gelbe Kabinett wollen die kommunale Selbstverwaltung stärken. Eigentlich ein löblicher Ansatz, aber was wird konkret vorgeschlagen? Will man Verwaltungsstrukturen reduzieren, Doppel- und Dreifachprüfungen kommunaler Vorhaben abschaffen? Weit gefehlt! Man nimmt sich der Verpflichtung zur Einstellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter an.Und weil man gerade dabei ist, schlägt man den Gemeinden vor, sie könnten künftig grundsätzlich auf die Bildung von Beiräten verzichten. Das beträfe Seniorenbeiräte ebenso wie Kinder- und Jugendbeiräte, also die Möglichkeit, dass sich SeniorInnen und Kinder und Jugendliche organisieren und für die Selbstverwaltung verpflichtend an kommunalpolitischen Entscheidungen beteiligen können. Mehr Gestaltungsraum für die Kommunen oder Einschränkung von Mitgestaltung? Wir Sozialdemokraten meinen: Das ist eine Einschränkung an direkter Demokratie! An Mitgestaltung an Entscheidungen, die die Belange von Frauen und Kindern und Jugendlichen vor Ort betreffen!Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Diesem Artikel des Grundgesetzes entspricht die gesellschaftliche Wirklichkeit leider in vielen Bereichen noch immer nicht! Um die Umsetzung des Anspruchs auf Gleichberechtigung zu verwirklichen, wurde die Verpflichtung für 2Kommunen, eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen, in die Kommunalverfassung aufgenommen.Eine der Riesenkröten, die die SPD in der vergangenen Legislaturperiode bei der Bildung der Großen Koalition schlucken musste, war die Forderung der CDU, die Einwohnerzahl der Gemeinden und Gebietskörperschaften, ab der eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte verpflichtend einzustellen ist, auf 15.000 heraufzusetzen. Das hat sich nicht bewährt! Stellen wurden gestrichen, nicht wieder besetzt, Stundenzahlen reduziert oder die Gleichstellungsarbeit vollständig auf „Ehrenamtliche“ delegiert. Deshalb fordern wir in unserem Antrag, die Grenze für die Verpflichtung zur Bestellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter wieder auf 10.000 Einwohner je Verwaltungseinheit abzusenken.Denn das Fehlen hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter führte unweigerlich zu großen Einschnitten in der Gleichstellungsarbeit, leider insbesondere in Kommunen, in denen insgesamt nur ein unzureichendes Angebot an entsprechender Infrastruktur besteht. Diese fatale Entwicklung will die CDU/FDP-Koalition verschärfen, indem sie die Bestellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter völlig den Kommunen überlässt.Hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte sind unverzichtbar, wenn es darum geht, geschlechtergerechte Politik vor Ort zu entwickeln und umzusetzen. Es sind die „alten“ Themen, mit denen sie sich auseinanderzusetzen haben: Vereinbarkeit von Familie und Beruf, familienfreundliche Personalpolitik, häusliche Gewalt, gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen und Männern, die Vertretung frauenpolitischer Themen gegenüber Politik und Öffentlichkeit und nicht zuletzt die Arbeit als Netzwerkerinnen und Kristallisationspunkt gleichstellungspolitischer Themen.Natürlich hat es in den letzten Jahrzehnten deutliche Fortschritte gegeben; die Politik dieser Koalition zielt aber auch hier darauf ab, den Rückschritt zu organisieren. Würden die Eckpunkte Gesetz, dann wäre Schleswig-Holstein nicht mehr Vorreiter, sondern bundesweites Schlusslicht in Sachen Gleichstellungspolitik!Gerade die kommunale Ebene macht Politik direkt erfahrbar. Kinder und Jugendliche können durch eine gute Beteiligungspolitik lernen, dass sie Einfluss nehmen können auf das politische 3Geschehen, auf ihre eigene Zukunft. Etwas, das wir im Zuge der demografischen Entwicklung, in der immer weniger Kinder und Jugendliche immer mehr Älteren gegenüber stehen, keinesfalls vernachlässigen dürfen!Und zur Gleichstellungspolitik möchte ich zum Schluss die hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten selbst zitieren. Sie schrieben bereits im Mai an den Ministerpräsidenten: „Wir sind als Expertinnen für Gleichstellungsfragen Mitglieder der kommunalen Familie. Wir verfolgen die finanzpolitischen Entwicklungen in unseren Verwaltungen ebenso sorgenvoll wie unsere Kolleginnen und Kollegen und werden uns besonders in die bevorstehenden Haushaltskonsolidierungsplanungen einbringen müssen, da wir über umfangreiches Fachwissen verfügen und nachgefragt werden, sowohl Verwaltung und Wirtschaft ebenso wie die Politik zu begleiten und zu beraten.Wenn Ihre Landesregierung jetzt die hauptamtliche kommunale Gleichstellungsarbeit aufgrund kommunaler Finanzengpässe in das Belieben der Kommunen stellen will, ist der Willkür freier Raum gelassen. Dies bedeutet, dass die Umsetzung des im Grundgesetz verankerten Gleichstellungsgrundsatzes letztlich dem Zufall und dem Engagement Einzelner überlassen bleibt.“Dem ist leider nichts hinzuzufügen!