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18.11.10
10:30 Uhr
SPD

Olaf Schulze zu TOP 13, 17, 20+24: Schwarz-gelbe Energiepolitik spaltet das Land

Es gilt das gesprochene Wort!
Kiel, 18. November 2010


TOP 13, 17, 20 und 24, Offshore-Strategie; Sicherheit von Atomkraftwerken bei Laufzeitverlängerung; Kohlekraftwerke in Brunsbüttel Auswirkungen des 11. und 12. Änderungsgesetzes zum Atomgesetz auf Schleswig-Holstein; (Drucksachen 17/900, 17/929, 17/961, 17/969, 17/1020)



Olaf Schulze:

Schwarz-gelbe Energiepolitik spaltet das Land

Eine Renaissance der Anti-Atomkraft-Proteste nicht nur in Gorleben, die Westküste im Aufstand gegen CO2-Einlagerung mit einem in Berlin ignorierten Ministerpräsidenten Carstensen, Bürgerprotestwellen in Brunsbüttel gegen Kohlekraftwerke und langer Stillstand bei der Offshore- Windkraft: Glückwunsch an die CDU/FDP-Regierungen in Berlin und Kiel! Erfolgreicher kann man Energiepolitik gegen die Menschen in unserem Land gar nicht machen.
Wir erinnern uns an das letzte halbe Jahr: Der von der überwältigenden Mehrheit in Deutschland unterstützte Vertrag zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den vier Energiekonzernen galt zwar noch, aber CDU und FDP wollten ihn – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – aufheben. Mit der vielseitig interpretierbaren blumigen Formulierung „Brückentechnologie“ verschleiert, sollte über verlängerte Laufzeiten (korrekt: Reststrommengen) nicht nur die Wende im Atomausstieg, sondern auch die Konsolidierung des Haushaltes über Zusatzzahlungen der Energiekonzerne erreicht werden. Lange Zeit schossen die sich widersprechenden Vorschläge aus CDU und FDP über konkrete Laufzeiten und Pläne, was mit den Zusatzmilliarden gemacht werden sollte, quer über den Stammtisch und durch die Zeitungen. Auch Ministerpräsident Carstensen beteiligte sich am Wünsch-dir-was-Spiel der Laufzeitverlängerung gegen Cash für die Staatskasse. Einig war man sich allerdings weitgehend, dass eine pauschale Verlängerung auch für Pannenreaktoren nicht erfolgen durfte, sie sollten nach Auffassung der FDP hier im Land von einer Verlängerung ausgeschlossen werden. 2



Dann lag Ende August endlich das lange ersehnte Gutachten über die Auswirkungen einer Laufzeitverlängerung vor und wurde geradezu legendär der Öffentlichkeit präsentiert: Röttgen und Brüderle lasen aus dem gleichen Gutachten im Chor gemeinsam, im Ergebnis aber unterschiedlich vor. Umweltminister Röttgen erklärte, eine Laufzeitverlängerung bringe „keinen wesentlichen Unterschied“ für den Strompreis und habe „keine substanzielle Auswirkung“ auf die Emissionsreduzierung. Im Gegenteil: „Laufzeiten nehmen auch den Druck zur Modernisierung“. Ihre Verlängerung könne so den Ausbau erneuerbarer Energien verzögern. Auch habe die Laufzeitverlängerung „marginale und keinesfalls entscheidende Bedeutung“ für das Energiekonzept, das die Bundesregierung bis Ende September erarbeite. Schade, dass nicht er sich, sondern das Sprachrohr der Energiekonzerne Brüderle in der Folge durchsetzen konnte.
Ende September kam er dann, der „Energiekompromiss“ der Bundesregierung, im Kern nur eine pauschale Laufzeitverlängerung für alle AKW in Deutschland. Statt der angeblichen Revolution in der Energiepolitik fand ein Kniefall der Bundesregierung vor der Atomlobby statt. Der Versuch, dies mit verbalen Nebelkerzen zu verstecken, scheiterte grandios. Erst auf öffentlichen Druck wurde ein nächtlich erstelltes Geheimpapier zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen veröffentlicht, das den Konzernen jede Menge Rücktrittklauseln bei finanziellen Forderungen nach mehr Sicherheit einräumt. Das muss man der Bundesregierung schon lassen: Sie tun was sie sagen, aber sie können nicht, was sie machen.
Der „Energiekompromiss“ der Bundesregierung blockiert durch seine willkürlichen Laufzeitverlängerungen den Ersatz von Atomkraftwerken Schritt für Schritt durch erneuerbare Energien, so wie im noch geltenden Atomausstieg unter Rot-Grün vorgesehen. Zu diesem von der Gesellschaft gewollten Stufenplan in eine ausschließlich auf regenerative Energien basierende Zukunft stehen wir weiterhin.
Kaum war der Energiekompromiss beschlossen, fingen die Energiekonzerne auch schon an zu tricksen: RWE tauschte mal eben schnell vorzeitig Brennelemente in Biblis B aus und umgeht so rund 280 Millionen Euro sonst ab Januar anfallender Steuern. Über die Sicherheit von Atomkraftwerken und ein Endlager für die neuen Mengen Atommüll wurde von der Bundesregierung und den Energiekonzernen allerdings weitgehend geschwiegen. Erst ein Schreiben von Justiz- und Atomminister Schmalfuß brachte dieses Thema wieder in den Fokus. Unser Dringlichkeitsantrag für die letzte Tagung fand leider keine Zustimmung bei CDU und FDP. Heute liegt uns ein schriftlicher Bericht von Minister Schmalfuß vor, der die von uns in der letzten Tagung geforderten Informationen gibt. Er legt den Finger in die Wunde, die offen in der Frage des Atomausstiegs zwischen CDU und FDP klafft. 3



Hier muss ich der FDP im Lande Respekt zollen; Sie stehen zum Atomausstieg und damit gegen den Atomkompromiss. Ich weiß aus eigenem Erleben beim Thema CCS sehr wohl um die Schwierigkeit, gegen die eigene Bundespartei eine Position zu vertreten.
Die Sicherheit von Atomkraftwerken sollte aber höchste Priorität haben. Es dürfte aber schwer werden, die Konzerne tatsächlich zur Finanzierung der erforderlichen Sicherheitsaufwendungen zu bringen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat bereits auf unkalkulierbare Risiken für die jeweiligen Länderetats hingewiesen, die sich aus der im Bundestag beschlossenen Laufzeitverlängerung alter Atomkraftwerke ergeben Wegen einer wohl vergessenen Entschädigungsvorschrift im Atomgesetz können sich Atomkonzerne die finanziellen Aufwendungen für anstehende Sicherheitsnachrüstungen bei den Ländern wieder holen. Dies wäre der finanzielle GAU für den Landeshaushalt mit den beiden störanfälligsten Atomkraftwerken Deutschlands.
Angela Merkel und ihre Regierung setzten die Errungenschaften der letzten Jahre aufs Spiel. Sie richteten sich nach den Wünschen der vier großen Energiekonzerne, die Atomkraftwerke betreiben. Dies wird zur Schwächung der erneuerbaren Energien führen und die Investitionen der Stadtwerke in eine dezentrale, nachhaltige Energieversorgung und die Stellung von deutschen Unternehmen der Energiebranche auf dem Weltmarkt gefährden. Weil kein wirklicher Wettbewerb auf dem Strommarkt entstehen kann, werden auch Verbraucher unter dieser Entscheidung leiden.
Auch handwerklich machen die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen nur Murks. Ein Bundestagsverfahren, das im Plenum zu einem Eklat führte und vom Bundestagspräsidenten Lammert wegen des „Verdachts mangelnder Sorgfalt“ und wegen fehlender sachlicher Begründung der verlängerten Laufzeiten kritisiert wurde, wird der Dimension der Entscheidung nicht gerecht. Der Zick-Zack-Kurs im Bundesrat zur Frage der Beteiligungsrechte steht im Widerspruch zur überwältigenden Mehrheit der Verfassungsrechtler, die eine Bundesratsbefassung als zwingend erforderlich ansehen. Ich hoffe sehr, dass Bundespräsident Wulff noch zu den Worten steht, die er als Ministerpräsident Niedersachsens seinen Regierungssprecher im Mai sagen ließ: „Niedersachsen geht davon aus, dass das Gesetz zustimmungspflichtig wird" und das Gesetz nicht unterschreibt. Dabei sollte das aktuelle eindeutige Angebot von Charlotte Roche allerdings nicht seine Entscheidung leiten.
Wir müssen weiter alles dafür tun, dass die Pläne der Bundesregierung niemals Wirklichkeit werden. 4



Auch zur Frage der Kohlekraftwerke in Brunsbüttel sollte das Parlament klar Stellung beziehen, wie es der Antrag der Linken vorsieht. Zum nun vorliegenden Änderungsantrag von CDU und FDP kann man nur den Kopf schütteln. Nebulös formuliert, unterstützt der Antrag den Bau von Kohlekraftwerken in Brunsbüttel. Dazu sagen wir klar Nein!
Schleswig-Holstein braucht als Land der erneuerbaren Energien keine neuen Kohlekraftwerke und kann sie sich mit einer 50jährigen Betriebsdauer schon aus Klimaschutzgründen nicht leisten. Ein neues Kohlekraftwerk in Schleswig-Holstein macht auch vor dem Hintergrund CCS keinen Sinn. Es müsste „CCS-ready“ – was immer das auch sei - gebaut werden, die spätere Einlagerung von CO2 ist jedoch nicht nur in Schleswig-Holstein ausgeschlossen. Ministerpräsident Carstensen wird ja leider immer noch nicht in Berlin wahrgenommen, die von ihm geforderte Sperrklausel für CO2 unter Schleswig-Holstein wird wohl nie kommen. Daher müssen wir gemeinsam dafür kämpfen: Jedes neue Kohlekraftwerk ist eins zu viel.
Es ist eine gute Nachricht, dass immer mehr Stadtwerke in Deutschland der Energieerzeugung mit Kohle die rote Karte zeigen und ihre Investitionen zurück ziehen. Was wir brauchen, ist eine Energiepolitik, die neben den Eckpfeilern Energieeinsparung und Energieeffizienz ausschließlich auf erneuerbare Energien setzt. Hierbei ist die Windenergie auf dem Land und auf dem Meer der wichtigste Baustein für unser Land.
Ich freue mich sehr, dass zur Kabelanbindung für Offshore-Windkraft im Wattenmeer ein guter Kompromiss zwischen Antragsteller und Naturschutzverbänden gefunden worden ist. Dies zeigt, wie wichtig die haupt- und ehrenamtliche Arbeit der Naturschutzverbände ist. Durch weniger Kabel und nur noch eine Trasse wird die einzigartige Natur im Wattenmeer geschont und ein wichtiger Schritt für die Realisierung der künftigen Offshore-Windparks vor unserer Nordseeküste erreicht. Ich hoffe sehr, dass die Bedeutung der Offshore-Windkraft insgesamt wieder mehr ins Bewusstsein der Landesregierung kommt. Nach unseren Gesprächen mit Wissenschaftlern wurde uns deutlich, dass das Wirtschaftsministerium hier lange Zeit geschlafen hat und viele Forschungsaufträge durch Nichtstun jahrelang blockierte.
Nicht nur in der Gesundheits- und Energiepolitik machen die aktuellen Regierungen in Bund und Land Politik für Lobbyisten und gegen die Bevölkerung. Wer einseitig auf die finanziellen Vorteile von nur wenigen setzt, gefährdet die Grundlagen des Allgemeinwohls und ruft Bürgerproteste ins Leben. Das wollen und werden wir verhindern, möglichst bald aus Kiel heraus.