Silke Hinrichsen zu TOP 36 - Entschädigung für Opfer von Heimerziehung
Presseinformation Kiel, den 7.10.2010Es gilt das gesprochene WortSilke HinrichsenTOP 36 Entschädigung für Opfer von Heimerziehung Drs. 17/914Das Leid und Unrecht in der Heimerziehung der 40er, 50er und 60er Jahre beschäftigt uns hierim Landtag regelmäßig und auch der SSW hält es selbstverständlich für richtig, diesen Punkterneut auf die Tagesordnung zu setzen. Auch die Frage nach einer Entschädigung für die Opfer,die die SPD mit ihrem Antrag aufgreift, muss unserer Meinung nach endlich geklärt werden.Denn auch wenn es in staatlichen und kirchlichen Heimen natürlich nicht generell der Fall war,gehörten Prügel, sexuelle Übergriffe und Zwangsarbeit doch in erschreckend vielenEinrichtungen zum Alltag. Auch der Runde Tisch „ Heimerziehung“ in Berlin hat dies kürzlichbestätigt und festgestellt, dass es zu zahlreichen Rechtsverstößen gekommen ist, die auch mitder damaligen Rechtslage nicht vereinbar waren. Die Zahl der Opfer und die Schwere derpsychischen Folgeschäden sind jedenfalls so groß, dass eine umfangreiche Aufarbeitung auchin Zukunft zwingend notwendig ist.Dies gilt nicht zuletzt für Schleswig-Holstein, wo das Beispiel des LandesfürsorgeheimsGlücksstadt nur stellvertretend für viele andere Einrichtungen zu nennen ist. Jedem hier istdoch klar, dass hier im Land Kinder und Jugendliche unter höchst zweifelhaften Begründungen 2in geschlossene Heime eingeliefert und ihrer Menschenwürde beraubt wurden. Insbesondereim Heim in Glücksstadt wurden die Zöglinge nicht nur wie Gefängnisinsassen behandelt undmitunter in Isolationszellen untergebracht, sondern in manchen Fällen auch misshandelt undmissbraucht. Dies und die Tatsache, dass die Fürsorgeheime ihre Zöglinge systematisch zurArbeit gezwungen haben, ist aus Sicht des SSW einfach nur zutiefst beschämend.Dass eine umfangreiche Aufarbeitung auch hierzulande nötig ist, dürfte also eigentlich auchder Landesregierung und dem zuständigen Ministerium bewusst sein. Umso mehr hat unsdaher verwundert, was aus den kleinen Anfragen des SSW und der Linken zu diesem Themahervorgegangen ist: Anstatt die besonders wichtige wissenschaftliche Aufarbeitung derGeschehnisse auszuweiten oder zumindest weiterhin zu fördern, scheint man es bei derPublikation des Jugendhilfeexperten Professor Schrapper belassen zu wollen. Bei den zentralenFragen nach dem zukünftigen Umgang mit dem Thema auf Landesebene und derEntschädigung der Opfer verweist die Landesregierung auf die zukünftigen Ergebnisse ausBerlin. Für den SSW muss ich deshalb sagen, dass dies den Opfern und dem Ausmaß diesesProblems nicht gerecht wird.Die Opfer der Heimerziehung müssen endlich auch als Opfer von Menschenrechtsverletzungenanerkannt werden und ihnen muss bei der Aufarbeitung der schrecklichen Erlebnisse zügig undqualifiziert geholfen werden. Die Geschichte der Heimerziehung muss weiter umfassenduntersucht werden, so dass sich auch der SSW für die Ausweitung der wissenschaftlichenAufarbeitung auch auf weitere Heime ausspricht. Im Übrigen sehen wir uns schon allein alsParlamentarier in der Pflicht, für eine lückenlose Aufklärung in dieser Sache zu sorgen.Schließlich waren unsere Vorgänger hier im Landtag durchaus über die Zustände imFürsorgeheim Glücksstadt informiert, ohne dass die Schließung der Einrichtung mit letzterEntschlossenheit verfolgt wurde. Aus unserer Sicht ist die Aufarbeitung der Geschehnisse 3durch die Politik auch nicht zuletzt deshalb wichtig, weil wir dadurch den Betroffenensignalisieren, dass man ihre Belange ernst nimmt.Auch wenn wir es in manchen Punkten für sinnvoll halten, auf die Ergebnisse des RundenTisches in Berlin zu warten, um dann daraus weitere Handlungsmöglichkeiten für das LandSchleswig-Holstein ableiten zu können, halten wir eine Sache für besonders wichtig: Die vonden „Insassen“ geleistete Zwangsarbeit muss selbstverständlich bei der Rentenversicherungals Zeit anerkannt werden. Dass für viele Opfer der Heimerziehung mit dem Aufenthalt imHeim eine Stigmatisierung und somit erhebliche Nachteile im weiteren Arbeitslebeneinhergingen, ist schlimm genug. Ihnen ist aber ein Anspruch auf Rentenanwartschaften fürdie geleistete Arbeit zu gewähren. Eine Anerkennung ist auch deshalb erforderlich, weil dieerzwungene Arbeit auch die Existenz der Heime bedeutete. Hier sehen wir das Land ganzeindeutig in der Pflicht, diesen Zustand so schnell wie möglich zu ändern.