Wolfgang Baasch zu TOP 50: Direkte Teilhabe behinderter Menschen unterstützen
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 7. Oktober 2010TOP 50: Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung (Drucksache 17/784)Wolfgang Baasch: Direkte Teilhabe behinderter Menschen unterstützenDer vorliegende Bericht der Landesregierung zur Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung macht ebenso wie die Zwischenbilanz zur Umsetzung der Leitorientierung Inklusion von Juni 2010 deutlich, dass in Schleswig-Holstein vieles in Bewegung ist. Und ich unterstütze ausdrücklich den einleitenden Gedanken im vorliegenden Bericht, dass alle Aktivitäten das Gesamtkonzept der Politik für Menschen mit Behinderung in Schleswig- Holstein bestimmen. Zu beachten ist, dass einzelne Projekte, Maßnahmen oder Aktivitäten nicht losgelöst vom Gesamtzusammenhang der auf Inklusion zielenden Initiative bewertet werden können.Darum ist es auch gut, dass im vorliegenden Bericht viele ganz unterschiedliche Initiativen und Aktionen benannt werden, aber auch - und das ist mir besonders wichtig hervorzuheben - die Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung einen großen Stellenwert hat. Ich will Sie alle ermutigen, diesen Bericht aufmerksam zu lesen, denn er gibt einen hervorragenden Überblick über die Vielzahl von Aktivitäten in Schleswig-Holstein unter der Überschrift „Inklusion“. So manche Aktivität hat auch ganz in unserer jeweiligen unmittelbaren Nähe stattgefunden und ist es wert, auch in der Zukunft unterstützt und wahrgenommen zu werden.Aber es gibt auch Punkte in der aktuellen Politik in Schleswig-Holstein, wo wir mahnend den Finger heben müssen. Zum Beispiel beim Thema Schule/Schulgesetz. Schleswig-Holstein steht mit einer Quote von fast 42 % der Schülerinnen und Schüler, die mit sonderpädagogischem Förderbedarf an öffentlichen Schulen unterrichtet werden, in einer absoluten Spitzenstellung bundesweit. Doch mit dem gestern im Landtag beratenen Schulgesetz heißt es im § 5 Abs. 2 „Schülerinnen und Schüler sollten gemeinsam unterrichtet werden, soweit es die organisatorischen, personellen und sächlichen Möglichkeiten erlauben.“ Damit wäre erneut ein Haushaltsvorbehalt gesetzlich verankert. Dies widerspricht dem Grundrecht aller Mädchen und 1 Jungen, gemeinsam an allgemeinbildenden Schulen unterrichtet zu werden. Ein Grundsatz, der sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention ableiten lässt.Ein weiteres wichtiges Thema ist die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe. Es ist gut, dass man sich mit einem Moratorium darauf verständigt hat, in gemeinsamer Absprache zwischen Leistungserbringern, Kommunen und - als Mittler und Finanzierer - dem Land die Eingliederungshilfe auf ein handlungsfähiges Fundament zu stellen. Dabei ist die Sorge groß, dass die individuelle Teilhabebedarffeststellung nicht nach einheitlichen Verfahren organisiert wird und der Teilhabebedarf oft auch nach Kassenlage entschieden wird.Es ist richtig, zukünftig stärker als bisher die Eingliederungshilfe auch am Sozialraum zu orientieren, denn neue und sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen wirken sich auch auf das Leben und die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung aus. Die in diesem Zusammenhang geführte Diskussion über die Finanzierung von Leistungen des Sozialraums darf nicht zu direkten individuellen Leistungskürzungen führen. Hier sind besonders sensible Gespräche und Absprachen zwischen den Kommunen, den Verbänden und den Leistungserbringern zu führen.Ein weiterer Kritikpunkt bleibt die aktuelle Diskussion um den Landeshaushalt 2011/2012. Erblindete Menschen, die bisher einen Nachteilsausgleich durch das Blindengeld erhalten, werden stärker belastet, denn das Blindengeld wird halbiert. Und mit über 10 Mio. € erbringen die Blinden und stark sehbehinderten Menschen einen überdurchschnittlichen Kürzungsbeitrag im Haushaltsentwurf der jetzigen Landesregierung. Aber nicht genug, über diese Kürzung hinaus wird auch noch der mit 400.000 € ausgestattete Sonderfonds zur Barrierefreiheit komplett gestrichen. Dies ist auch kein Beitrag zur Inklusion. Mit diesen Haushaltsbeschlüssen gefährdet die Landesregierung die bundesweite Spitzenstellung Schleswig-Holsteins in der Inklusionspolitik!Abschließend möchte ich noch feststellen, dass am 26. März 2011 die Bundesregierung einen ersten Bericht zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vorlegen muss. Es ist gut und wichtig, dass wir darüber diskutieren und die Landesregierung auffordern, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen, ein Gesamtkonzept der Politik für Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein zu fördern und umzusetzen. Allerdings sollten wir uns als Parlament aber auch jeweils in unseren eigenen Fraktionen und Parteien verpflichten, die UN- Behindertenrechtskonvention in ihren Artikeln politisch nach außen zu tragen. Aber auch innerhalb unserer Fraktionen und Parteien sind wir zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention aufgerufen. Auch wir sind gefordert, Barrierefreiheit und Zugänglichkeit herzustellen sowie die unmittelbare und direkte politische Teilhabe behinderter 2 Menschen zu fördern und zu unterstützen. Der Krach-Mach-Tach vom 19. September war ein gutes Signal zur Öffnung des Landeshauses. Und die Aktivitäten und das Engagement des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Ulrich Hase, sind vorbildlich. Aber wir sollten nicht nur politische Teilhabe auf ihn delegieren, sondern uns alle in allen Gremien ernsthaft verpflichten, die Inklusion von Menschen mit Behinderung vollständig umzusetzen. 3