Andreas Beran zu TOP 35 + 48: Strafvollzug nicht nur betriebswirtschaftlich betrachten!
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 7. Oktober 2010TOP 35 und 48: Lage der Justizvollzugsanstalten in Schleswig-Holstein / Lage der JVA in Flensburg und Itzehoe (Drucksachen 17/913, 17/495, 17/668)Andreas Beran:Strafvollzug nicht nur betriebswirtschaftlich betrachten!Herr Minister, herzlichen Dank im Namen der SPD-Fraktion an Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den abgegebenen schriftlichen und den ergänzenden mündlichen Bericht.Der schriftliche Bericht, den wir ja ursprünglich bereits vor der Sommerpause erörtern wollten, macht überwiegend deutlich: Das „Schiff“ Justizvollzugsanstalten war bei Übergabe auf gutem Kurs und ist es überwiegend auch heute noch. Dieser Kurs muss nur beibehalten werden, um die kommenden Klippen der Haushaltskonsolidierung umschiffen zu können. Selbst der Landesrechnungshof hat sich positiv geäußert. Anders sieht es mit dem gegebenen mündlichen Bericht aus. Doch auf den werde ich im zweiten Teil meiner Rede eingehen.Auf einige, wenige Punkte des schriftlichen Berichts werde ich jetzt eingehen:Die Baumaßnahmen gehen laut Bericht gut voran. Die weitere Planung ist überzeugend und führt insgesamt zu einer wesentlichen Verbesserung des Strafvollzugs. Gut wäre es, wenn Sie überwiegend an dieser Planung festhalten könnten, sollten die Mittel der ursprünglichen Planung auch künftig noch im Haushalt zur Verfügung stehen. Nur so können die im Bericht dargestellten Ziele erreicht werden. Dabei kann durchaus über die Notwendigkeit der einen oder anderen Maßnahme noch einmal nachgedacht werden.Was die Situation der Beschäftigten angeht, empfinde auch ich sie als eng, aber vertretbar. Durch vernünftige Personalwirtschaftmaßnahmen müssen freiwerdende Stellen unverzüglich wieder besetzt werden. Eine zu enge Personalausstattung kann gerade im Bereich der Vollzugsbeamten schnell zu Sicherheitslücken führen und die Resozialisierung der Gefangenen 1 erschweren. Halten Sie Kurs, Herr Minister, keine Einsparungen in sicherheitsrelevanten Bereichen!Die Schließung der Abschiebehaftanstalt Rendsburg ist mit dem Ziel, Abschiebehaft zu vermeiden, sinnvoll. Abschiebungshäftlinge dürfen jedoch nicht alternativ in Justizvollzugsanstalten untergebracht werden. Sie sind keine Straftäter und sind daher auch nicht im Strafvollzug unterzubringen. Das Thema hatten wir gestern bereits ausführlich, es sollte aber im Zusammenhang mit diesem Bericht noch einmal erwähnt werden.Herr Minister, ich gehe davon aus, dass die Verlegung der 30 Gefangenen der Teilanstalt Neumünster nach Schleswig auch tatsächlich erfolgt. Hat es doch erheblichen Engagements Ihres Vorgängers bedurft, die umliegende Bevölkerung von dem Vorhaben zu überzeugen.Eine Privatisierung des Strafvollzugs in Gänze halte ich nicht nur rechtlich für nicht machbar. Sie wäre für mich auch politisch unverantwortlich. Zu welchen Auswüchsen dies führen kann, kann man in den Ländern beobachten, wo dies bereits erfolgt ist. Aber ich glaube beobachtet zu haben, dass wir hier übereinstimmen.Es ist sicher nicht in jedem Fall sinnvoll, alles selber zu machen. Vor allem dann, wenn es andere aufgrund ihres hohen Spezialistentums wesentlich besser machen können. Ich empfehle dringend, dass für diese Leistungen Dritter auch weiterhin ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Psychologische Betreuung, Aus- und Weiterbildung, Sucht-, Schuldner- und Ausländerberatung sind wesentliche Elemente einer Resozialisierung und dürfen nicht gefährdet sein.In den Bereichen „Berufliche Qualifizierung von Gefangenen“ und „Straffälligenhilfe und Opferschutz“ sind viele Einzelmaßnahmen aufgeführt. Hier geht es um die Gefangenenbeschäftigung - die Beschäftigungsquote dürfte gerne noch höher sein -, berufsbegleitende und -bildende Lehrgangsplätze und um Therapieangebote für Sexual- und Gewaltstraftäter, ein Thema, dessen Wichtigkeit wir in diesem Parlament bereits gemeinsam festgestellt haben.Es geht jedoch auch um die vielen Angebote verschiedener freier Träger der Straffälligen-Hilfe, die Zuwendungen zur Durchführung ihrer vielschichtigen Angebote erhalten. Bereiche, die besonders wichtig für die Resozialisierung der Gefangenen sind. Da werde ich dann misstrauisch, wenn ich gerade hier in diesen beiden Abschnitten des Berichts Haushaltsvorbehalte entdecke. Genau steht dort: Die weiteren Planungen stehen unter dem Vorbehalt des Haushaltsgesetzgebers. Ich appelliere daher an Sie, Herr Minister, tun Sie alles 2 dafür, um auch weiterhin die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen zu können. Vor allem die in diesem Bereich ehrenamtlich Aktiven haben es verdient.So weit, so gut zum schriftlichen Bericht, es folgt der zweite Teil:Man kann es ja gar nicht oft genug erwähnen - auch wir, die SPD-Landtagsfraktion hat ein Konsolidierungskonzept für Schleswig-Holstein vorgelegt. Darin heißt es: „Wir halten eine Schließung der Justizvollzugsanstalten Flensburg und Itzehoe für vertretbar, wenn die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen nachgewiesen wird und das hohe Niveau des resozialisierenden Strafvollzugs erhalten bleibt.“Das nehmen wir sehr ernst und daher sind wir auch in Flensburg vor Ort gewesen, um uns am Beispiel der dortigen JVA darüber zu informieren. Wir wollten uns wissend machen, denn ein alter Haushälterspruch lautet: „Unwissenheit schützt vor Bewilligungen.“ Ein Grundsatz, der, muss ich feststellen, in heutiger Zeit wieder an Bedeutung gewonnen hat. Oder warum durften wir in letzter Zeit immer wieder erleben, dass Ausschussüberweisungen oder aber auch Anhörungen in den Ausschüssen von Ihnen niedergestimmt wurden, meine Damen und Herren von der CDU und FDP?Als erstes mussten wir bei unseren Besuch feststellen, dass kein Konzept zur Schließung der JVA Flensburg vor Ort bekannt war. Fragen über die Höhe der möglichen Einsparungen und dagegen zurechnende offensichtliche Mehrausgaben konnten uns nicht beantwortet werden. Wir wurden auch mit der Befürchtung konfrontiert, dass als Folge der Schließung der JVA auch der Landgerichtsbezirk später aufgelöst werden könnte. Daher haben wir den mündlichen Bericht angefordert, der heute von Ihnen, Herr Minister, abgegeben wurde.Worin liegt denn nun eigentlich die Einsparung? In der Einsparung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gespräche mit Gewerkschaft und Personalvertretungen haben aufgezeigt, dass bei einer flächendeckenden Personaleinsparung in gleicher Größenordnung diese kaum ins Gewicht fällt.Einsparungen von Betriebsausgaben stehen Mehrausgaben bei den Beförderungskosten der Gefangenen entgegen; vorsichtige Schätzungen gehen von 200.000 € im Jahr aus. Außerdem werden ca. 100.000 € im Jahr durch Verdienst durch Arbeitsaufträge Dritter speziell aus der Region erwirtschaftet. 3 Wird vielleicht damit gerechnet, dass man Gebäude der JVA gut veräußern kann? Dieses Gebäude steht unter Denkmalschutz, bedarf einiger Renovierungsmaßnahmen und hat außerdem nur zwei Parkplätze, was für ein Gebäude im Zentrum von Flensburg bei weitem nicht ausreichend ist. Ich glaube, die Vermarktungschancen sehen bei dieser Ausgangslage nicht gut aus und wir werden auch nach der Schließung noch einige Betriebsausgaben dort tätigen müssen.Es könnte ja vielleicht auch möglich sein, dass das bestehende Investitionsprogramm zu hoch ist. Auch hier durften wir erfahren, dass es sich eher um ein Wunschprogramm gehandelt hatte und einige Maßnahmen sich auch durchaus kostengünstiger realisieren ließen.Ich befürchte, dass bei einer Schließung der JVA auch Aufgaben des Landgerichts verlagert werden sollen, um die Folgekosten der Schließung geringer zu halten. Dies würde die Zuständigkeiten des Landgerichts Flensburg nach und nach aushöhlen und kann dann doch noch zur Schließung des Landgerichtes führen. Gehört nicht grundsätzlich eine U-Haft- Einrichtung in die Nähe eines Landgerichts? Das gilt dann auch für Itzehoe.Sehr geehrte Damen und Herren, sicher gibt es auch noch regionalbezogene Aspekte, die eine Schließung der JVA Flensburg in Frage stellen. Ich denke, darauf wird der SSW noch ausreichend eingehen.Nur eins noch: Strafvollzug kann man nicht allein betriebswirtschaftlich betrachten. In erster Linie geht es um die besondere Verantwortung der Gesellschaft gegenüber den Strafgefangenen und daher muss an erster Stelle eine gute Resozialisierung stehen. Flensburg bietet hier eine Reihe von Vorzügen, die auch bereits Grund genug sind, die JVA Flensburg nicht zu schließen.In Ihrem mündlichen Bericht sind Sie auf einige Dinge eingegangen. Ich sehe jedoch noch erheblichen Erörterungsbedarf und schlage daher vor, den schriftlichen Bericht mit den mündlichen Ergänzungen zur Beratung in den Ausschuss zu überweisen. 4