Rede von Uli Schippels zu TOP 7,8,15,32: Änderung des Schulgesetzes
Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin Rede von Uli Schippels zu TOP 7,8,15,32: DIE LINKE Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Änderung des Schulgesetzes Landtag Düsternbrooker Weg 70 304/10 24105 Kiel Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Es gilt das gesprochene Wort Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 Kiel, 6. Oktober 2010 presse@linke.ltsh.de www. linksfraktion-sh.de„Herr Präsident, meine Damen und Herren,Minister Klug. In einem Jahr schwarz-gelber Regierungsverantwortung haben Sie heute mit der Vorlage dieses Gesetzesentwurfs Ihren persönlichen Tiefpunkt erreicht. Schlimmer geht es nicht mehr. Wir sind ja bereits einiges von Ihnen gewöhnt. Die Verhandlungen um das Gastschulabkommen mit Hamburg stecken fest. Sie suchen stets nach neuen Ausreden, eine Lösung können Sie uns und vor allen den be- troffenen Schülerinnen und neuerdings unterstellen Sie Schülerinnen und Schülern sogar, sich das Abi- tur in Hamburg erschleichen zu wollen, weil es dort leichter sei.Herr Klug, sie wollten einmal Schulen mehr Luft zum atmen geben. Wie das geschehen soll, wurde letz- te Woche im Bildungsausschuss erläutert: Durch die bereits erfolgte Erhöhung der Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte. Mehr Luft zum Atmen durch mehr Arbeit, diese Logik müssen sie bitte noch einmal den Lehrerinnen und Lehrern vermitteln, die sich zu Recht über unzumutbare Arbeitsbedingungen bekla- gen. Umgedreht ist es richtig. Sie rauben den Lehrerinnen und Lehrern die Kraft, die diese für ihren verantwortungsvollen Beruf brauchen.Sie, Herr Minister, feiern das Schulgesetz als einen Fortschritt, der den Schulen eine größere Freiheit und Flexibilisierung einräumt. Das sehe ich etwas anders. Sie lassen die Schulen im Stich. Sie eröffnen das Experimentierlabor Schule um zuzuschauen, welches System sich am besten bewährt. Das ist eine Farce, Sie gefährden die Zukunft unserer Kinder und Sie gefährden damit die gesamte Zukunft unseres Landes Schleswig-Holstein. Schulen sind keine Versuchslabore, experimentieren Sie nicht mit unseren Kindern.Das Ministerium betreibt bildungspolitische Piraterie. Man raubt den Schulen nicht nur einen der wich- tigsten Schätze, die Schleswig-Holstein haben könnte, nämlich den Schatz gute pädagogische Arbeit anbieten zu können. Man entzieht den Schulen außerdem jegliche Planungssicherheit und damit auch die Arbeitsgrundlage. Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Der Entwurf, den Sie hier vorlegen, präsentiert ein Schulmodell aus der Mottenkiste. Die wenigen posi- tiven Errungenschaften der letzten Reform werden wieder gekippt. Die Binnendifferenzierung wird un- tergraben, in eine Kann-Bestimmung umgewandelt. Durch die äußere Differenzierung und abschlussbe- zogene Klassen werden Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen zu einem Sammelbecken, zu einem Sammelsurium der verschiedenen Schulformen degradiert.Was wir aber brauchen, das ist eine grundlegende Stärkung der Gemeinschaftsschulen, eine klare Aus- richtung, meine Damen und Herren. Eine Schule für alle und längeres gemeinsames Lernen bis Klasse 10, das sind die verpflichtenden Grundprinzipien, die wir benötigen, um endlich ein gerechtes Bildungs- system, auch ein sozial gerechtes Bildungssystem, zu etablieren.Der Titel Gemeinschaftsschule ist ein Etikettenschwindel, wenn er drei Schulformen lediglich unter ei- nem Dach vereint sind. Wie sollen – Herr Klug – wie sollen Eltern ihr Recht auf Schulwahlfreiheit wahr- nehmen, wenn jede Bildungsinstitution den Titel Gemeinschaftsschule mit anderen Inhalten füllt? Es muss doch für Schüler und Eltern transparent sein, was sich hinter einem Namen verbirgt. Wenn nun jede Schule aufgefordert wird, in Eigenverantwortung das bevorzugte pädagogische Konzept zu wäh- len, dann kann das nur in einem Schulchaos enden.Und viele Eltern haben gar keine Wahlmöglichkeit. Auf dem Land, jenseits der größeren Städte gibt es viel mehr Pommes-Buden als Schulen. In der schulpoltischen Wundertüte der Landesregierung befindet sich ja einiges. Anything goes! Das ist offensichtlich das bildungspolitische Credo der Übergangsregie- rung. Eine Idee aus dieser Wundertüte ist das Y-Modell. Für die LINKE ist dieses Modell ein weiterer Höhepunkt des Schulchaos. Die Gymnasien sollen fortan selbst entscheiden können, ob sie G8, G9 oder beides anbieten. Man setzt sie damit einer Beliebigkeit aus, die zwangsläufig Konflikte hervorruft. Das Ministerium schürt Konflikte und Konkurrenzkämpfe zwischen den Schulformen und zieht sich selbst aus der Verantwortung. So hätten Sie es gern. Als passiver Bobachter ohne Verantwortung kann man dann später entscheiden, was für die Schulen das Beste ist. Mit Verlaub, das ist nicht die Arbeit, die sich unsere Fraktion von einem Bildungsministerium erhofft. Die breite Ablehnung des Gesetzesentwurfes innerhalb der Bevölkerung und bei den Betroffenen selbst wird wohl kaum jemand leugnen. Irgendwo- her müssen ja Ihre Umfragewerte kommen.Ich finde es unverantwortlich, die vorgesehenen Änderungen noch in dieser zum Glück verkürzten Wahlperiode durchzupeitschen. Neuwahlen stehen vor der Tür. Für die Schulen bedeutet das – wenn Sie das hier jetzt durchdrücken – mit einer großen Wahrscheinlichkeit in kürzester Zeit zwei Schulge- setzänderungen umsetzen zu müssen. Das ist unerträglich. Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Deshalb können wir die Sehnsucht der Grünen nach einem Schulfrieden verstehen. Mit uns, mit der LINKEN wird es diesen Schulfrieden aber erst geben, wenn kein Kind mehr benachteiligt wird. Wenn die soziale Herkunft in Schleswig-Holstein nicht mehr über die Bildungschancen entscheidet. Erst dann wird es mit uns einen Schulfrieden geben können.Nun zu den freien Schulen. Die unübersehbaren bildungspolitischen Konflikte im Land führen dazu, dass vor allem Eltern eigeninitiativ tätig werden und nach Wegen suchen, ihre Kinder nicht zum Spiel- ball der politischen Interessenpolitik werden zu lassen.Die Schulen in freier Trägerschaft stellen für viele Eltern eine attraktive Alternative dar. Das sieht man an den steigenden SchülerInnenzahlen. Nun stellt man sich die Frage, woher kommt dieser Trend? Wieso flüchten Eltern zunehmend in die freien Schulen? Darauf eine Antwort zu finden ist nicht schwer. Das Bildungsreformchaos, das Schwarz-Gelb derzeit mit ihrer fraglichen Ein-Stimmen-Mehrheit veranstaltet, ist in der Tat zum Weglaufen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es sich DIE LINKE nicht einfach mit privaten Schulen macht. Und zwar deshalb, weil viele private Schulen ein Schulgeld fordern und deshalb schon eine Auslese unter den Schülerinnen und Schülern, eine soziale Auslese, be- treiben. Das wollen wir nicht.Auf der anderen Seite verkennen wir aber auch nicht das reformpädagogische Potential vieler Freier Schulen. Waldorfpädagik, Montessouri-Schulen, Lernwerkstätten zeigen schon jetzt – auch unsere dä- nischen Schulen – wie Pädagogik auch aussehen könnte.Jenseits der unterschiedlichen pädagogischen Ausrichtung gilt: Was Schleswig-Holstein braucht, sind Schulen als Orte des gemeinsamen Lernens ohne soziale und finanzielle Zugangsbeschränkungen. Für jedes Kind muss eine individuelle und optimale Förderung gewährleistet werden.In Schleswig-Holstein sind 47 der 76 Schulen in freier Trägerschaft Schulen der dänischen Minderhei- ten, die Ersatzschulen. Wir kritisieren aufs Schärfste, dass man hier im Rahmen der Haushaltskonsoli- dierung den Rotstift ansetzt und die Zuschüsse kürzt. Auch wenn Sie immer wieder betonen, die Kür- zungen nicht mit dem Rasenmäher durchgeführt zu haben, hier ist Ihnen die Schere ganz klar an der falschen Stelle abgerutscht.Und wo wir gerade bei den verantwortungslosen Kürzungen sind: Die Schülerbeförderung zu streichen und zukünftig Eltern zur Kasse zu bitten ist ein Skandal. Die Folgen sind klar: Viele Eltern werden ge- zwungen, sich das Busgeld vom Mund abzusparen. Die Entscheidung, ob man die Kinder das Abitur und somit den Zugang zu den Hochschulen und Universitäten erreichen, wird maßgeblich von den finanziel- len Möglichkeiten der Eltern beeinflusst. Das ist Fakt, erst Recht in Schleswig-Holstein. Das ist ein wei- teres Attentat auf die Bildungsgerechtigkeit und das hat Schwarz-Gelb zu verantworten. Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Und es hat ja bei Ihnen Prinzip: Denn die oberen Bildungsschichten haben ja nicht zu Unrecht Angst da- vor, unliebsame Konkurrenz aus anderen Schichten zu bekommen. Ihre Schulpolitik ist eine closed shop Politik, die vor allem dazu beiträgt, viele Schülerinnen und Schüler davon abzuhalten, Abitur zu machen.Schule muss den Kindern endlich wieder die Möglichkeit bieten, sich frei zu entfalten. Kinder brauchen Raum um sich zu entwickeln. Das wichtigste Ziel der Schule muss es sein, die Schülerinnen und Schüler in ihrer Entwicklung zu verantwortungsbewussten, engagierten und reflektierten Menschen zu unters- tützen. Diesem Anspruch wird weder das aktuelle Gesetz noch der vorgelegte Entwurf der Landesregie- rung gerecht.Ich möchte abschließend noch einmal zusammenfassen, was für die LINKE verantwortungsbewusste Bildungspolitik bedeutet. Wir fordern keinen Abbau der LehrerInnenstellen: das pädagogische Personal wird dringend benötigt, um eine strukturelle Verbesserung in den Schulen zu erreichen, es wird drin- gend benötigt, um die Klassengröße zu reduzieren, es wird dringend benötigt, um die Arbeitsbedingun- gen zu verbessern, es wird benötigt, um eine optimale Förderung unsere Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.DIE LINKE fordert, dass allen Kindern gleiche Chancen eingeräumt werden, den ihnen höchstmöglichen Bildungsabschluss zu erreichen. Der Bildungsgrad eines Menschen darf nicht von seinen finanziellen Ressourcen abhängen.Der Ausbau der Ganztagsbetreuung muss umfassend vorangetrieben werden. Wir brauchen eine För- derung aller Kinder entsprechend ihrer musischen, sportlichen und sozialen Interessen und Fähigkeiten. Die Entwicklung und Förderung von Talenten zum Beispiel durch Musikunterricht darf nicht durch die finanziellen Mittel der Eltern beschränkt werden.Die LINKE fordert, dass man sich endlich mit in einer vernünftigen Art und Weise mit dem Unterrichts- ausfall auseinandersetzt. Und Damit meine ich nicht, die Statistiken vorzulegen, die eine minimale Aus- fallquote belegen ohne beispielsweise anzuführen, wie viele Stunden eine Klasse durch einen Lehrer unterrichtet wird, der zwischen drei und mehr Klassen hin und her springt. Lehrerhopping! Das ist nicht die Idee, die hinter der verlässlichen Grundschule steckt.Wir brauchen eine Erhöhung des Vertretungsfonds, sodass Vertretung in Zukunft nicht bedeutet, in Stillbeschäftigung Aufgaben zu erfüllen, um eine positive Statistik vorlegen zu können.Deshalb noch einmal die Aufforderung: Kürzen Sie nicht bei der Bildung. Kürzen Sie nicht bei den Kur- zen! Sparen Sie nicht an der Zukunft, an der Zukunft unserer Kinder.“ Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de