Detlef Buder zu TOP 26: Lebenslanger Einkommensverlust wegen 3 Stunden Streik?
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 10 September 2010TOP 26: Rücknahme der unangemessenen Konsequenzen aus dem Lehrerstreik (Drucksache 17/802neu)Detlef Buder:Lebenslanger Einkommensverlust wegen 3 Stunden Streik? Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hatte für den 03.06.2010 zu Warnstreiks und Demonstrationen aufgerufen. Sie reagierte damit auf den Vertrauensbruch des Bildungsministeriums, das den bereits veröffentlichten Pflichtstundenerlass innerhalb eines Tages wieder zurückgezogen und stattdessen den Lehrerinnen und Lehrern Mehrarbeit verordnetet hatte.Aber ebenso stand der Einsatz für die Schulen und für die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt der Protestaktion. Der eklatante Widerspruch zwischen den in Sonntagsreden der Regierungsmitglieder immer wieder bekräftigten Ziel, in absehbarer Zeit 10 % des Bruttoinlandsproduktes für Bildung, Hochschulen und Forschung auszugeben, und dem, was dann real angekündigt wurde und mittlerweile im Haushaltsentwurf der Landesregierung seinen Niederschlag gefunden hat, wurde in unmissverständlicher Deutlichkeit offen gelegt.Es ist völlig klar und gehört zum Wesen eines Streiks, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Ausfallzeit von wenigen Stunden keine Vergütung erhalten. Es hat denn auch niemand Ernst zu nehmenden Widerspruch gegen die entsprechenden Kürzungen der Bezüge für den Monat Juni erhoben.Nun ist die Landesregierung sehr viel weiter gegangen. Sie hat an mehreren Lehrkräften, die aufgrund ihrer Qualifikationen vom Schulleiterwahlausschuss für eine Leitungsfunktion gewählt wurden oder die ein solches Amt auf Probe ausübten, ein Exempel statuieren wollen und sie von dieser Funktion abberufen bzw. eine Bestätigung der Wahl verweigert. Dies bedeutet auf die Lebenszeit einschließlich des Ruhestandes gerechnet einen Einkommensverlust, der sich auf einen höheren fünfstelligen Betrag belaufen dürfte - und dies wegen 3 Stunden ausgefallener Arbeitszeit. 1 Wir sind - anders als die GEW - der Auffassung, dass Beamte kein Streikrecht haben. Wir wollen hier auch nicht fordern, dass die Landesregierung ein solches Streikrecht ohne Rechtsgrundlage anerkennt. Aber die Ereignisse vom 3. Juni sind für uns einmal mehr Anlass, zu einer grundsätzlichen Reform des öffentlichen Dienstrechtes in Deutschland aufzurufen.Alleingänge einzelner Länder sind dabei nicht aussichtsreich, das haben wir selbst in den 90er Jahren erfahren. Aber es gibt aus unserer Sicht keinen zwingenden Grund, am Beamtenstatus der Lehrerinnen und Lehrer festzuhalten; ich hoffe, dass diese Auffassung sich auch in anderen Landesparlamenten und Landesregierungen herumspricht, egal welche Parteien gerade die Mehrheit haben.Es ist aber nicht so, dass die Landesregierung und der Bildungsminister gezwungen wären, wegen der punktuellen Arbeitsniederlegung solche Mittelstreckenraketen auf gewerkschaftliche Spatzen abzuschießen, um den Jargon von Herrn Dr. Klug aufzugreifen, den er gebraucht hat, als er im Frühjahr 2009 noch Oppositionspolitiker war und glaubte, ein sachliches Hinweisschreiben der damaligen Bildungsministerin zum Thema des Streikrechts angestellter Lehrer skandalisieren zu müssen.Ich zitiere vielmehr § 13 des Landesdisziplinargesetzes, wo es heißt: „Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild der Beamtin oder des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang die Beamtin oder der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.“Das Ministerium hat von den möglichen Disziplinarmaßnahmen, die in § 5 des Disziplinargesetzes vorgesehen sind, gleich die zweitschärfste, nämlich die Zurückstufung, ergriffen. Dies halten wir für unangemessen. Angesichts der dienstlichen Leistungen der betroffenen Lehrkräfte hätte es unserer Ansicht nach vollkommen ausgereicht, zur mildesten Maßnahme, nämlich dem Verweis in Form eines schriftlichen Tadels zu greifen. Wenn das Ministerium glaubt, damit nicht auskommen zu können, wäre auch die Möglichkeit einer Geldbuße gegeben, die maximal die Höhe der monatlichen Dienstbezüge erreichen kann.Sie haben vor knapp einem Jahr als Koalition eine Mehrheit der Mandate, wenn auch nicht der Stimmen, errungen, weil Sie gerade im Bildungsbereich große Erwartungen geweckt haben, von denen Sie bisher keine einzige eingelöst haben. Sie haben stattdessen Enttäuschungen und Frustrationen erzeugt. 2 Und wenn das Landesdisziplinargesetz davon spricht, dass Beamte das Vertrauen ihres Dienstherrn beeinträchtigt haben, so muss man auch umgekehrt fragen, ob die Beamten nicht auch einen Anspruch darauf haben, dass der Dienstherr das Vertrauen rechtfertigt, das sie in ihn setzen.Wir raten deshalb der Regierung dringend, von ihrer Überreaktion Abstand zu nehmen und stimmen deshalb dem Antrag von GRÜNEN und Linken zu. 3