Olaf Schulze zu TOP 1: Energie-Revolution statt Kniefall vor der Atomlobby!
Kiel, 10 September 2010TOP 1: Aktuelle Stunde zu den Auswirkungen der geplanten Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken auf die Energiepolitik in Schleswig-HolsteinOlaf SchulzeEnergie-Revolution statt Kniefall vor der Atomlobby! In der Aktuellen Stunde äußerte sich der energiepolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Olaf Schulze, sinngemäß folgendermaßen:Seit Beginn ihrer Regierungszeit im letzten Jahr haben CDU und FDP ein umfassendes Energiekonzept angekündigt. Alle Fragen zur Zukunft der Atomkraft und der erneuerbaren Energien sollten hier beantwortet werden. Zentraler Punkt war die Frage, ob der mit der Atomlobby abgestimmte Atomkonsens und damit der vereinbarte Ausstieg aus der Atomkraft aufgekündigt werden soll. Wie auf einem Basar wurde für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und damit Mehreinnahmen in Milliardenhöhe für die vier großen Stromkonzerne von diesen ein Bündel von Geldscheinen in Form von Steuern oder „freiwilligen“ Spenden für erneuerbare Energien oder den Ausbau der Stromnetze verlangt oder selber angeboten.Die Koalition war neun Monate lang nicht in der Lage, sich untereinander darauf zu einigen, ob, wie, wann und für wie lange sie es denn machen wollen und sollen. Der Umweltminister sagte Hü, der Wirtschaftsminister Hott, auch Ministerpräsident Carstensen beteiligte sich am Wünsch- Dir-was-Spiel der Laufzeitverlängerung gegen Cash für die Staatskasse. Dann wurden für viel Steuergeld neue, angeblich unabhängige Gutachten eingeholt. Diese Gutachten wurden dann präsentiert. Umwelt- und Wirtschaftsminister standen zwar nebeneinander vor den Kameras, lasen aber vollkommen unterschiedliche Positionen heraus.Seit diesem Wochenende besteht immerhin Klarheit zum sogenannten Energiekompromiss: Statt der von der Bundesregierung angeblichen Revolution in der Energiepolitik fand ein Kniefall der Bundesregierung vor der Atomlobby statt. Der Versuch, dies mit verbalen Nebelkerzen zu verstecken, ist grandios gescheitert. 1 Fest steht nur, dass die Atomkraftwerke mit Laufzeiten von 8 bis 12 Jahren weiter Milliardengewinne für die Atomlobby ausspucken dürfen. Wie viel von den zusätzlichen Gewinnen in der Staatskasse landen wird, ist ungewiss. So werden durch die ohnehin auf 6 Jahre befristeten Brennelementesteuer statt der geplanten 2,3 Milliarden pro Jahr unterm Strich lediglich 1,5 Milliarden beim Finanzminister ankommen, da die Brennelementesteuer beim Finanzamt als Betriebskosten abgesetzt werden kann.Und wo bleibt die verbesserte Sicherheit für die Pannenreaktoren, die in unserem Land stehen? Wieder ist der Ministerpräsident nicht in Berlin erhört worden, der sich doch persönlich um das Atomkraftwerk Krümmel kümmern wollte und im Juli letzten Jahres „stinksauer“ gesagt hat, dass er Vattenfall nur noch eine Chance zur Reparatur des Werks gebe. Sonst werde er dafür sorgen, dass Krümmel für immer abgeschaltet wird. Das wird er nun wahrscheinlich bald einlösen müssen, denn es klingt aus Berlin sehr vage, welche Nachrüstung bei den Atommeilern konkret stattfinden soll.Dass es ein Sicherheitsproblem gibt, wird zwar durch die sehr unterschiedliche Laufzeitverlängerung bei älteren und neueren Kraftwerken indirekt eingestanden. Aber nichts ist mehr zu hören von der Ankündigung, alle Reaktoren müssten an das Sicherheitsniveau der drei neuesten Atomkraftwerke angepasst werden. Das bedeutet, dass der Pannenreaktor Krümmel noch bis 2033 Strom liefern darf. Wie die Sicherheit gewährleistet werden soll, hat das Land zu entscheiden. Gerade dies zeigt die Notwendigkeit der Beteiligung des Bundesrats am Energiekompromiss – der im Kern ja nur der Ausstieg aus dem bestehenden Atomausstiegsverfahren ist.Hier kann ich dem Justizminister Schmalfuß und auch dem Kollegen Kubicki nur zustimmen, die das Mitbestimmungsrecht des Bundesrats einfordern und schon signalisiert haben, dass Schleswig-Holstein dort nicht den Plänen der Bundesregierung zustimmen wird.Vielleicht kann der Bundesrat ja den energiepolitischen Amoklauf der Bundesregierung stoppen. Bisher gab es nur einen – leise applaudierenden – Gewinner: die Atomkonzerne, die ja am Verhandlungstisch gesessen und viel Geld in die Lobby-Arbeit und fragwürdige Anzeigenkampagnen - leider erfolgreich - investiert haben. Verlierer im Energie-Kompromiss sind die erneuerbaren Energien und auch die Stadtwerke, die nicht am Verhandlungstisch sitzen durften und die im Vertrauen auf den geltenden Atomausstieg bereits Milliarden in alternative, dezentrale Energieerzeugung und damit in die richtige Energiezukunft investiert haben.Besonders pikant am gesamten Deal mit der Atomwirtschaft ist das erst auf Druck der Öffentlichkeit nachträglich veröffentlichte Geheimpapier, das durch einen Versprecher von RWE- 2 Vorstand Rolf-Martin Schmitz bekannt wurde und inhaltlich den Atomdeal insgesamt unter Vorbehalt stellt. Erst nach Abschluss der parlamentarischen Beratung über das Energiekonzept wird der Atomkompromiss – vielleicht dann verändert – wirksam. Peinlicher kann sich eine Regierung gar nicht öffentlich vorführen lassen.Nun zu einem Punkt, zu dem sich der Energiekompromiss ausschweigt: die ungelöste Endlagerfrage. Es ist schon unglaublich, dass sich die Atommüllmenge bis zum Ende der Laufzeiten verdreifachen soll, aber im Energiekompromiss kein Wort zum Endlager enthalten ist.Mit dem Energiekompromiss ist der Bundesregierung kein Befreiungsschlag und schon gar keine Revolution in der Energiepolitik gelungen. Im Gegenteil, er ist ein Rückschritt in der Energiepolitik und ein Kniefall vor der Atomlobby. Der Inhalt des Energiekompromisses gefährdet den Ausbau der erneuerbaren Energien und bringt die Bevölkerung in Aufruhr. Dies wird durch die weitere Großdemonstration am 18.09.2010 deutlich werden und ich hoffe sehr, dass der Bundesrat dafür sorgen wird, dass der Energiekompromiss dort landet, wo er hingehört: in der Mottenkiste. 3