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10.09.10
11:16 Uhr
Linke

Rede von Ranka Prante zu TOP 1: "AKW-Betrieb ist wie ein Flug ohne Landebahn."

Jannine Menger-Hamilton Pressesprecherin Rede von Ranka Prante zu TOP 1: Aktuelle Stunde zu DIE LINKE Fraktion im Schleswig-Holsteinischen AKW-Laufzeitverlängerungen Landtag Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel 264/10 Telefon: 0431 / 9 88 16 02 Es gilt das gesprochene Wort. Telefax: 0431 / 9 88 16 18 Mobil: 0160 / 90 55 65 09 Kiel, 10. September 2010 presse@linke.ltsh.de
www. linksfraktion-sh.de

Rede von Ranka Prante zu TOP 1: „AKW-Betrieb ist wie ein Flug ohne Landebahn.“
„Herr Präsident, Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
Schleswig-Holstein ist erneuerbar – die Atomkraft kann in Schleswig-Holstein sofort abgeschafft werden! Die Beschlüsse der Bundesregierung zu den Laufzeitverlängerungen sind für uns als Atom- kraftgegner völlig inakzetabel und die Auswirkungen für das Land Schleswig- Holstein und unsere Energiepolitik verheerend.
Wir werden nicht müde die unverzügliche und unumkehrbare Stilllegung aller Atomkraftwerke und den Einstieg in eine hundertprozentig erneuerbare und gemeinwohlorientierte Energieversorgung zu fordern. Schon der unter Rot Grün geschlossene Atomkonsens stellte keinen Atomausstieg dar, sondern ga- rantierte den reibungslosen Betriebsablauf der AKWs. Bereits in diesem Konsens brauchten die Atomkraftbetreiber sicherheitsrelevante Nachrüstungen für die alten AKWs nicht zu leisten.
Wie sich in den letzten Tagen zeigte, ist dieses Vorgehen zu einer unglaublich gefährlichen und verantwortungslosen Tradition geworden. Der Baubeginn der sich noch im Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke lag zwischen 1970 und 1982. Nach heutiger Sicherheitsstandart würde keines der 17 AKWs in Deutschland eine Genehmigung erhalten.
Die Verlängerung der Laufzeiten dieser AKWs in Deutschland und damit auch der drei AKWs in Schleswig- Holstein stellt eine konkrete Gefährdung der Bevölkerung dar. Brunsbüttel soll nun 8 Jahre länger am Netz bleiben und Brokdorf und Krümmel weiter 14 Jahre. AKWs nutzen radioaktive Stoffe wie Uran und Plutonium zur Energiegewinnung. Diese Stoffe sind extrem gefährlich. Ebenso gefährlich sind die Stoffe, die während des Betriebes entstehen. Sie schädigen das Leben. Sie schä- digen die Umwelt.

Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de Die Atomkraftwerke wurden nachweislich für eine Betriebszeit zwischen 30 und 40 Jahren gebaut. Die drei Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein sind wie bereits erwähnt, bereits alle um die 30 Jah- re alt. Und jetzt sollen sie trotzdem weiterlaufen?
Schleswig-Holstein ist Standort von den AKWs Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf. Brokdorf ist ein Druckwasserreaktor. Krümmel und Brunsbüttel sind Sidewasserreaktoren des Typ 69. Speziell die- ser Reaktortyp 69 gilt als besonders schlecht, da er immens störanfällig und unsicher ist. Die Reak- torwände sind dünn und der Sicherheitsbehälter ist anfällig für ein rasches Durchschmelzen. Die Freisetzung radioaktiver Strahlungen im Störfall ist besonders schnell und hoch, so dass nur wenig Zeit für die Evakuierung der Bevölkerung zur Verfügung steht. Experten gehen von circa drei Stun- den aus.
Zudem sind die AKWs – wie schon betont – alt. So alt, dass Komponenten zum Teil nicht mehr ausgetauscht oder auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden können. Aber schon diese Über- prüfung wirft Probleme auf, da manche Schwachstellen mikroskopisch klein sind wie z.B. bei den Rohleitungen und damit nicht zu sehen. Manche Eigenschaften von verwendeten Werkstoffen sind nicht ohne Zerstörung überprüfbar. Und tatsächlich sind manche Mechanismen von Alterungspro- zessen bekannt, aber noch nicht vollständig verstanden. Ganz zu schweigen von fehlender Siche- rung vor Terroranschlägen. Der Passus, der die Absicherung der AKWs gegen Flugzeugabstürze durch die Betreiber vorsah, ist nach dem nun geschlossenen Vertrag gegenstandslos. Er wurde ein- fach aus dem Abkommen herausgenommen.
Zu all diesen Gefahren kommt hinzu, dass die AKWs unterversichert sind. Schäden werden von Ex- perten bei einem Gau auf 5 Billionen Euro geschätzt. Doch in unserem atom-freundlichen Deutsch- land brauchen die Betreiber ihre Kraftwerke nur auf 2,5 Milliarden Euro zu versichern, was sich nachhaltig auf die Versicherungsbeiträge auswirkt.
All diese Probleme sind spätestens seit 2001 bekannt, Expertenmeinungen, die ältesten AKWs still- zulegen, wurde aber nie ernsthaft geprüft. Eine sich jetzt in der Diskussion befindlicher Ruf nach umfangreichen baulichen Nachrüstungen nahezu unmöglich umzusetzen.
Abgesehen von den generellen Gefahren der AKWs spricht gegen eine Laufzeitverlängerung das ungelöste Müllproblem. Bisher sind ca. 12.500 Tonnen radioaktive abgebrannte Brennelemente in den deutschen Atomkraftwerken angefallen. Hinzu kommen mehrere tausend Kubikmeter



Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de schwach- und mittelaktiven Mülls. Dazu kommen alle Emissionen, die so an das Wasser und die Luft abgegeben werden.
Die Politik und das Vorgehen bezüglich der Atomkraftwerke gleichen also in etwa einem Flug ohne Landebahn. Eine Entsorgung ist nicht möglich, denn es gibt kein sicheres Endlager.
Die weiteren Beschlüsse, die mit der Laufzeitverlängerung einhergingen, entbehren ebenfalls jeder nachvollziehbaren Grundlage. Der Haushalt muss über eine stärkere Besteuerung hoher Einkom- men saniert werden und nicht, wie jetzt geplant, mit einer Atomkraftsteuer, die zudem auf sechs Jahre befristet ist. Zudem sorgt die Brennelemetesteuer für wesentlich weniger Einnahmen des Bundes als geplant.
Statt 2,3 Milliarden Euro pro Jahr soll nur mit 1,5 Milliarden zu rechnen sein, denn die Stromkon- zerne können die Steuer beim Finanzamt als Betriebskosten absetzen, wodurch die Nettoeinnah- men geringer ausfallen.
Allgemein ist zu sagen, dass dieser Sonderbeitrag nur zur Folge hat, dass die Monopolstellung der vier großen Atomkonzerne gestärkt wird. Das Wachstum eines zukunftsträchtigen und nachhalti- gen Wirtschaftszweiges wird verhindert, denn wenn die Atomlobby mehr als 500.000 Millionen Eu- ro in die Sicherheit der Atommeiler steckt muss sie weniger Abgaben für die Erneuerbaren Energie an den Staat zahlen.
Zudem reduzieren diese Alibi-Millionen der Atom-Industrie für die Erneuerbaren Energien lediglich das finanzielle Engagement der Bundregierung. Aber speziell Schleswig-Holstein ist auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien angewiesen! Denn das Thema Energie in seiner ganzen Komplexität be- trifft Schleswig-Holstein als windhöfiges Land, mögliches CO 2 Lager, Standort des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und dreier Atomkraftwerke besonders stark.
Die Aussagen einiger Regierungsmitglieder, in denen sich für die Zustimmungspflichtigkeit von Laufzeitverlängerungen ausgesprochen wird, und versichert wird, dass bei bestehender Zustim- mungspflicht, jene von Schleswig-Holstein versagt werde1, möchte man zunächst positiv vermer- ken. Ein Blick in das Energiekonzept der derzeitigen Landesregierung verwirrt hingegen. Denn dort findet sich die immense Ablehnung der Atomkraft nicht wieder. Vielmehr werden deutliche Wi- dersprüche sichtbar, u.a. indem sie nur scheinbar auf erneuerbaren Energien setzt, aber jede Gele-

1 Vgl. Presseerklärung von Justizminister Schmalfuß vom 08. Juni 2010; Presseinformation des FDP- Fraktionsvorsitzenden Kubicki, Nr. 148/2010 der FDP-Landtagsfraktion vom 21.April 2010.
Diese und alle weiteren Presseinformationen der Fraktion DIE LINKE finden Sie auf http://www.linksfraktion-sh.de genheit nutzt, die Notwendigkeit der sogenannten „Brückentechnologien“ Atom und Kohle hervor- zuheben.
Dabei gibt unübersehbar die Natur die Richtung vor: Wasser, Sonne, Wind, Biomasse und Erdwär- me können unumstritten unendlich viel Energie liefern. Im Gegensatz zu Kernenergie und fossilen Energien ist das Vorkommen der Erneuerbaren Energien unbegrenzt und sie hinterlassen keinen Müll.
Doch trotzdem blockieren Atom und Kohlemeiler diesen zukunftsträchtigen und daher so wichti- gen Ausbau und der Anteil der erneuerbaren Energien beträgt laut Klimaschutzbericht in Schles- wig-Holstein nur 10 Prozent. Dabei hat sich schon durch die jetzige, nur eingeschränkte Nutzung der erneuerbaren Energien, der CO2- Ausstoß gegenüber den letzten Jahren um 20 Prozent verrin- gert. Dies zeigt: Wir brauchen daher eine ganz andere Energiepolitik als die bisherige! Die techni- schen Voraussetzungen dafür sind längst gegeben.
Durch die Kombination aus Energie sparen und Versorgung mit regenerativer Energie können Atomstrom und Strom aus fossilen Energieträgern ersetzt werden. Die Entscheidung für eine Ener- giewende ist also keine Frage der technischen Realsierung, es ist eine Frage des politischen Willens.
Also ihres Willens!
Abgesehen von dem Umweltverträglichkeitsfaktor, mindern die „Erneuerbaren“ durch Dezentrali- sierung die Abhängigkeit von importierten Brennstoffen, lange Transportwege sowie die Dominanz großer Energiekonzerne. Sie eröffnen zudem völlig neue Perspektiven in nahezu allen Bereichen des Arbeitsmarktsektors. Als Folge entstehen nicht nur stabile, zukunftsfähige Arbeitsplätze, son- dern wirtschaftliches Wachstum – auch in Krisenzeiten. Damit ist auch völlig klar, dass die Energie- versorgung ein wesentlicher Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge werden muss, und eine Orientierung am Allgemeinwohl erfolgen sollte.
Ein erster Ansatz in diese Richtung wäre der grundsätzliche Vorrang von erneuerbaren Energien und die Überführung der Energienetze in die öffentliche Hand.
Deshalb fordern wir: die unverzügliche und endgültige Stilllegung der Atomreaktoren, den voll- ständigen Ausstieg aus der globalen Atomwirtschaft, ein neues Konzept für eine kontrollierbare und reversible Atommülllagerung, eine Umgestaltung der Energiesysteme auf die Erfordernisse er- neuerbarer Energien, eine Vergesellschaftung der Energiekonzerne und Netze, sowie die Gründung sozialer, ökologischer und demokratischer Stadtwerke.“
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