Wolfgang Baasch zu TOP 46: Schwarz-gelbe Streichliste hat soziale Schlagseite
Es gilt das gesprochene Wort! Kiel, 09 September 2010TOP 46, Fünf Jahre Hartz IV – eine Bilanz für Schleswig-Holstein (Drucksache 17/785)Wolfgang Baasch:Schwarz-gelbe Streichliste hat soziale SchlagseiteDen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit ist zu danken für diesen umfangreichen Bericht, der noch einmal sehr übersichtlich die Entwicklung von Hartz IV oder genauer des II. Sozialgesetzbuches, SGB II, darstellt. Der Bericht zeigt noch mal deutlich auf, welche gesetzlichen Grundlagen seit Januar 2005 zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitssuchende SGB II führten.Neben den gesetzlichen Grundlagen wird auch die Umsetzung des SGB II in Schleswig-Holstein sehr detailliert beschrieben, wobei unter Punkt 3.2.7 das Engagement der Landesregierung hervorgehoben wird, um die bewährte Zusammenarbeit im SGB II von Arbeitsverwaltung und kommunalen Trägern auch auf Dauer zu sichern. Ein Punkt, der auch nach wie vor unsere Anerkennung für die aktiven ehemaligen und heutigen Arbeitsminister beinhaltet.Unter Punkt 4 wird im Bericht der notwendige Änderungsbedarf aus Landessicht im SGB II angesprochen. Hier steht im Mittelpunkt die Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten oder schlicht gesagt das Vorhaben, für mehr Transparenz und Klarheit in der Antragsgewährung zu sorgen, damit in der Sozialgerichtsbarkeit nicht eine stetig steigende Zahl von Klagen gegen Hartz IV-Bescheide eingeht. Weiteren Änderungsbedarf sieht die Landesregierung in der Sicherstellung des Existenzminimums und der Sicherstellung der gesellschaftlichen Teilhabe. Leider wird hierbei nicht auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Kinderregelsätzen eingegangen. Die Forderung nach einem eigenständigen Kinderregelsatz, der transparente, sachgerechte und realitätsgerechte Berechnungen vorsieht, um kinderspezifische Bedarfe zu ermitteln, wird nicht als Ziel der Politik der Landesregierung aufgeführt. Hier wäre eine klare Zielbestimmung notwendig, die deutlich macht, dass 1. die Sicherstellung des Existenzminimums für Entwachsene entsprechend des Bundesverfassungsgerichtsurteils neben der Ermittlung eines Regelsatzes, auch die notwendigen Sonderbedarfe umfassen müsste. 2. die Sicherstellung des Existenzminimums inklusive der soziokulturellen und der Bildungsteilhabe für Kinder und Jugendliche entsprechend dem Urteil auch vom Land Schleswig-Holstein eingefordert wird und 3. zur Sicherstellung des Lohnabstandsgebotes und der Leistungsgerechtigkeit die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohnes dringend notwendig ist.Dies würde jedenfalls deutlich machen, dass man auch der stetig steigenden Anzahl von Aufstockern, die zu ihrer Arbeit zusätzliche Transferleistungen benötigen, entgegenwirken will. Ein Problem, das leider auch nicht im Bericht aufgegriffen wird.Ein weiterer Punkt, der ebenfalls weder unter Kapitel 5 – Änderungsbedarfe - noch unter Kapitel 4 - Ausblick - aufgelistet wird, sind die sozialen und ökonomischen Auswirkungen des Sparpakets der Bundesregierung. Unter dem Stichwort der Konsolidierung der Staatsfinanzen wird vor allem eine Sanierung der Staatsfinanzen über Ausgabenkürzungen betrieben. So plant die Bundesregierung im Zeitraum 2011 bis 2014 Kürzungen im Sozialbereich von über 30 Mrd. €. Weiterbildung, Qualifizierung, Umschulung oder finanzielle Eingliederungshilfen für Arbeitslose wird es immer weniger geben. Dies wird in Zukunft zu einer Verschlechterung der Vermittlungschancen von Arbeitssuchenden führen. Die geplante Abschaffung des Zuschusses an die Rentenversicherung von ALG II-Empfängern bedeutet für den Bund bis 2014 zwar Einsparungen in Höhe von 7,2 Mrd. €, belastet aber die Rentenversicherung in gleicher Höhe. Also wieder mal ein Verschiebebahnhof zu Lasten der Versichertengemeinschaft.Die Abschaffung des Elterngeldes für Hartz IV-Empfänger spricht jeder Gleichbehandlung von Kindern und Eltern Hohn. Eltern mit Kleinkindern haben insbesondere in den ersten Lebensmonaten einen deutlich höheren Mehrbedarf. Mit der Einführung des Erziehungsgeldes erhielten Langzeitarbeitslose mit Kindern monatlich 300 € für zwei Jahre. Die mit der Einführung des Elterngeldes bereits auf ein Jahr verkürzte Bezugsdauer leistete zumindest im ersten Jahr noch einen Beitrag dazu, den Mehrbedarf zu decken. Eltern, die in schwierigen Einkommensverhältnissen leben, wurde so ermöglicht, sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen, ohne auf Hinzuverdienste angewiesen zu sein. Betroffen von der Streichung des Elterngeldes sind vor allem rund 650.000 Alleinerziehende, die nur schwer eine neue Arbeit finden. Die Streichung des Elterngeldes für ALG II-Erziehende zeigt, dass der Berliner Koalition die Kinder von Langzeitarbeitslosen deutlich weniger wert sind als Kinder anderer Bevölkerungsschichten.Dies sind nur zwei Beispiele, die verdeutlichen, dass die Streichliste der schwarz-gelben Regierung in Berlin eine deutliche soziale Schlagseite hat, da vor allem im Sozialbereich gekürzt wird. Da hilft es dann auch nichts, wenn am Ende des Berichtes konstatiert wird, dass die SGB II-Umsetzung in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg ist. Die Probleme und Herausforderungen einer wirksamen, aktiven Arbeitsmarktpolitik und Armutsbekämpfung werden durch die Beschlüsse der schwarz-gelben Regierung in Berlin, aber auch hier im Hause konterkariert.Es bleibt festzuhalten, dass der Bericht eine Chance vertan hat. Er ist zwar informativ, enthält jedoch keine Zuspitzung und Zielsetzung für die aktuellen Herausforderungen. Trotzdem sollten wir diesen Bericht in den Sozialausschuss überweisen und dort die aktive Arbeitsmarktpolitik und Armutsbekämpfung auch anhand dieses Berichtes vertiefend diskutieren.