Andreas Beran zu TOP 34: Das Recht dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes anpassen
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 08.07.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 34, Sicherungsverwahrung (Drucksache 17/691)Andreas Beran:Das Recht dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes anpassenHerr Minister, herzlichen Dank im Namen der SPD Fraktion an Sie und Ihre Mitarbeiter für den Bericht. Dies, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein Thema, das sowohl Verstand als auch Bauchgefühl bedient. Gilt Resozialisierung und Abbüßen von Urtei- len für alle Arten von Verbrechen oder etwa nicht? Gehört ein Sexualstraftäter wegge- sperrt und man schmeißt am besten gleich den Schlüssel mit weg, oder hat er wie alle anderen Straftäter eine Chance verdient?1998 wurde das Strafgesetz so verändert, dass der Verurteilte nach Abbüßung seiner Gefängnisstrafe lebenslang in Sicherheitsverwahrung genommen werden kann; das muss im Rahmen der Strafmaßfestsetzung mit festgelegt werden. Vor 1998 konn- te Sicherungsverwahrung bis zu 10 Jahre verhängt werden und musste alle zwei Jahre durch das Gericht unter Beteiligung von Gutachtern überprüft werden. Erst ein Wie- derholungstäter konnte auch lebenslang sicherheitsverwahrt werden.Nun gibt es Straftäter von vor 1998, die man weiterhin für so gefährlich hält, dass man die Bevölkerung vor ihnen schützen möchte, die aber nach altem Recht im Rahmen eines Strafverfahrens nicht zu einer lebenslangen Sicherheitsverwahrung mit verurteilt wurden. Wie gehen wir mit diesem Personenkreis am sinnvollsten um?Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-Lassen Sie mich zunächst auf einige Aspekte des mündlich gegebenen Berichtes ein- gehen. 1. Wirkung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 auf die Sicherungsverwahrung in Schleswig-Holstein. 2. Konsequenzen der Landesregierung aus dem Urteil. 3. Stattgefundene oder anstehende Entlassungen von Sicherungsverwahrten aufgrund des Urteils sowie Maßnahmen der Landesregierung zur Sicherstel- lung einer koordinierten Entlassungsvorbereitung. 4. Konkrete Maßnahmen der Landesregierung im Maßregelvollzug und im Ge- fahrenabwehrrecht zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen und des Schut- zes der Bevölkerung vor Straftaten. 5. Haltung der Landesregierung zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung bzw. zu elektronischen Fußfesseln als Instrument der Führungsaufsicht bzw. der Gefahrenabwehr. 6. Haltung der Landesregierung zu einer bundesländerübergreifenden Zusam- menarbeit mit dem Ziel der Schaffung gesonderter Anstalten für die Unter- bringung von SicherheitsverwahrtenFolgendes bleibt festzuhalten: Wir, die Sozialdemokraten, begrüßen die Gesetzesiniti- ative der Bundesregierung, wonach das Recht dem Urteil des Europäischen Ge- richtshofes angepasst werden soll. Dies muss zügig geschehen, der Gesetzgeber darf die Justiz hier nicht allein lassen.Eine elektronische Fußfessel kann als Ausweg statt einer Sicherungsverwahrung nicht dienen. Auch sie – wenn man sie denn als geeignetes Instrument ansehen würde - müsste Bestandteil des richterlichen Urteilsspruches sein und kann nicht im Nachhi- nein als Maßnahme verhängt werden. -3-Um die Richter in ihrer Urteilsfindung zu unterstützen, muss jeder Sexualstraftäter von kompetenter Seite her begutachtet werden. Es muss dem Gericht in jedem Fall eine Zukunftsprognose von einem Psychiater, Dipl. Psychologen oder psychologischen Psychotherapeuten vorliegen. Dies ist heute leider nicht die Regel, sondern eher eine seltene Ausnahme.Die psychologischen therapeutischen Maßnahmen müssen im Strafvollzug weiter verbessert werden. Auch nach der Haftentlassung muss es die Möglichkeit psycholo- gischer Betreuung geben. Hier kann das Land Baden-Württemberg als Beispiel die- nen: Mit finanzieller Unterstützung des dortigen Justizministeriums, teilweise finanziert aus Bußgeldern, gibt es dort ein recht erfolgreiches Netzwerk psychologischer Ambu- lanzen für die Nachbehandlung von Sexualstraftätern.Ich denke, für die Altstraftäter, die sich nicht unter Führungsaufsicht stellen lassen und sich auch nicht psychotherapeutisch behandeln lassen wollen, gibt es nur die Möglichkeit, sie polizeilich beobachten zu lassen, zum Schutze der Bevölkerung. Bei allen denkbaren Maßnahmen muss man wissen: Eine hundertprozentige Sicherheit für die Bevölkerung kann und wird es leider nicht geben.