Monika Heinold zum Bericht über die finanzielle Situation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen
Presseinformation Landtagsfraktion Schleswig-Holstein Es gilt das gesprochene Wort Pressesprecherin Claudia Jacob TOP 48 – Bericht über die finanzielle Situation der Landeshaus Schleswig-Holsteinischen Kommunen Düsternbrooker Weg 70 24105 Kiel Telefon: 0431 / 988 - 1503 Dazu sagt die finanzpolitische Sprecherin Fax: 0431 / 988 - 1501 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mobil: 0172 / 541 83 53 Monika Heinold: presse@gruene.ltsh.de www.sh.gruene-fraktion.de Nr. 396.10 / 07.07.2010Kommunen sind Garantie für den Zusammenhalt der GesellschaftSehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,Kommunen, die seit vielen Jahren finanzschwach sind, befinden sich inzwischen in ei- ner geradezu dramatischen Lage. Selbst finanzstarke Kommunen diskutieren über ei- nen Abbau der Daseinsvorsorge, um sich nicht höher als unbedingt notwendig zu ver- schulden. Gebührenerhöhungen und Leistungseinschränkungen stehen Land auf Land ab auf der kommunalen Tagesordnung. Und es finden sich immer weniger BürgerIn- nen, die bereit sind, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Kein Wunder! Wem bringt es schon Spaß, seinem Nachbarn zu verkünden, dass die Kita- Gebühren steigen, dass das Freibad geschlossen wird, der Busverkehr ausgedünnt und die Leerung der Mülltonne ab Januar teurer wird?Meine Damen und Herren, die Kommunen sind Eckpfeiler unserer lebendigen Demo- kratie, in der vor Ort mit gestaltet und mitbestimmt werden kann. Land und Bund dürfen den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern nicht den Boden unter den Füßen weg ziehen, indem sie die Kommunen finanziell ausbluten. Ehrenamt muss auch Gestaltungsmög- lichkeiten bieten.Das heißt nicht, dass alles bleiben muss wie es ist. Aber wer sich vor Ort für seine Ge- meinde einsetzt, der muss die Chance haben, sich aktiv für die Sicherung der kommu- nalen Daseinsvorsorge einsetzen zu können, dafür, dass die Straßen nicht zu Schlag- lochpisten werden, dass die Kinderbetreuung bedarfsgerecht ausgebaut wird und, dass in den Schulen nicht der Putz von der Decke fällt. Seite 1 von 4 In diesem Sinne brauchen unsere Kommunen eine angemessene Finanzausstattung.Das Ruder muss jetzt rumgerissen werden, damit der kommunale Schuldenberg von 2,63 Milliarden Euro nicht weiter in die Höhe schnellt. Ein Teil der vor Ort benötigten Gelder kann dadurch gewonnen werden, dass innerhalb der kommunalen Verwaltung gespart wird.Die grüne Fraktion hat vorgeschlagen, aus bisher vier nur noch drei Verwaltungsebe- nen in Schleswig-Holstein zu machen, und wir fordern alle KommunalpolitikerInnen auf sich aktiv in diesen Diskussionsprozess einzumischen. Ein Prozess, der sich auch mit den vorhandenen Stadt-Umland-Problemen beschäftigen muss. Schlanke, kommunale Verwaltungsebenen auf der einen Seite, Bürgernähe, Transparenz und finanzieller Gestaltungsspielraum auf der anderen Seite – das ist unser Grünes Leitbild für die Zu- kunft der schleswig-holsteinischen Kommunen.Wollen wir die Kommunalpolitik für einen neuen Anlauf einer konsequenten Verwal- tungsreform gewinnen, muss aber eines von Anfang an klar sein: Die eingesparten Gel- der müssen in der kommunalen Kasse bleiben, sie dürfen nicht vom Land einkassiert werden. Nach dem 120 Millionen Raub ist das das Mindeste, was eine Landesregie- rung den Kommunen zusagen muss.Meine Damen und Herren, der Bericht der Landesregierung zeigt sehr deutlich die gro- ßen strukturellen Probleme der Finanzausstattung unserer Kommunen. Alle kreisfreien Städte, aber auch die meisten Kreise kommen mit ihren Einnahmen nicht aus und be- anspruchen große Teile der mit dem Finanzausgleichsgesetz bereitgestellten Fehlbe- darfszuweisung.Die kleinen Dörfer haben in der Gesamtbilanz einen positiven freien Finanzspielraum, bei Kommunen von bis zu 4.999 Einwohnern ist diese Tendenz nur noch leicht erkenn- bar, bei Kommunen von 5.000 bis 10.000 Einwohnern ist der Finanzspielraum dann schon überwiegend negativ, und kreisangehörige Städte zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern haben massive Finanzprobleme. Den kreisangehörigen Städten über 20.000 Einwohnern geht es schon wieder deutlich besser.Diese Zahlen sagen uns zumindest eines: Die jetzige Kommunalstruktur und die dazu- gehörige Finanzierung passen nicht mehr zu einander und bedürfen einer grundlegen- den Korrektur. Auch deshalb ist eine Kommunale Verwaltungsstrukturreform zwingend notwendig, sie bietet die einmalige Chance zur Neugestaltung des Kommunalen Fi- nanzausgleiches.Aber die Kommunen haben noch ein weiteres Problem: Die im Grundgesetz und in der Verfassung aufgenommene Schuldenbremse gilt für sie nicht. Und trotz der Klausel in unserer Verfassung, dass die Landesschuldenbremse nicht einseitig auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werden darf, beginnt die Landesregierung bereits jetzt damit, Rechnungen, die sie selber nicht mehr bezahlen kann, an die Kommunen weiter zu leiten. 2 Wie so oft erinnert sich Ministerpräsident Carstensen nicht an gegebene Versprechen.Herr Ministerpräsident, gab es nicht im November 2009 eine Vereinbarung, in der Sie den Kommunalen Spitzenverbänden verbindlich zugesagt haben, dass sich das Land mit 6,5 Millionen Euro an den Schülerbeförderungskosten beteiligt?Mit welchem Recht kündigen Sie diese Zusage nun wieder auf? Von den Kosten der Schülerbeförderung über die Schulpolitik bis zur Steuerpolitik – die schwarz-gelbe Lan- desregierung ist nicht Anwalt der Kommunen, sondern sie bürdet den Kommunen eine Last nach der anderen auf und schafft bei den Schulträgern Verwirrung statt Klarheit.Wie sehr CDU und FDP die Kommunen im Regen stehen lassen, zeigt sich aber vor al- lem in der Steuerpolitik. Bürgermeister reagieren entsetzt auf die schwarz-gelben Pläne zur Abschaffung der Gewerbesteuer. Sie befürchten, dass sie in diesem Spiel wieder mal die Dummen sind, dass am Ende des Tages Steuerentlastungen alla FDP heraus- kommen und die Kommunen die Zeche zahlen müssen. So wie beim Wachstumsbe- schleunigungsgesetz, welches die schleswig-holsteinischen Kommunen Jahr für Jahr mit 60 Millionen Euro belastet.Die von der Landesregierung versprochenen Kompensationen haben sich längst als schwarz-gelbe Nebelkerzen entpuppt. Die Kommunen haben bisher keinen einzigen Cent an Entschädigung erhalten. Bei Kaffe und small talk im Bundeskanzleramt haben Carstensen und Kubicki die letzen kommunalen Gulden verscherbelt. Durch mehrfache Steuersenkungen sind die kommunalen Kassen in den letzen Jahren regelrecht ausge- plündert worden.Kostete die rot-grüne Gesetzgebung die Kommunen in den Jahren 2000 – 2006 bun- desweit durchschnittlich schon circa zwei bis drei Milliarden Euro jährlich – Quelle: Bun- desfinanzministerium - so ist diese Summe auf Grund neuer Steuergeschenke inzwi- schen auf über acht Milliarden Euro hochgeschnellt. Welch ein finanzpolitischer Wahn- sinn. Von der Reform der Pendlerpauschale über das Bürgerentlastungsgesetz bis zum Mehrwertsteuergeschenk für Hoteliers: Durch schwarz-rot-gelbe Steuergeschenke der Jahre 2008 und 2009 verlieren die Kommunen in Schleswig-Holstein jährlich circa 280 Millionen Euro an Einnahmen.Dass sich Finanzminister Wiegard in einer Pressemitteilung auch noch dafür selbst auf die Schulter klopft, dass er dem Bürgerentlastungsgesetz im Bundesrat nicht zuge- stimmt sondern sich enthalten hat, ist eine Peinlichkeit am Rande. Nein sagen, wäre die richtige Antwort gewesen, Herr Finanzminister.Wer die kommunalen Kassen mit Steuerrechtsänderungen derart plündert, sollte sich bei guten Ratschlägen an die Kommunalpolitik vornehm zurückhalten. Ich empfinde es als frech, wenn die Landesregierung im vorliegenden Bericht die Kommunalpolitik nun auffordert, auch in den nächsten Jahren eine konsequente Haushaltskonsolidierung zu betreiben. 3 Ist das jetzt die Aufforderung ans Ehrenamt, sich für die Schließung ihrer Theater und Schwimmbäder einzusetzen? Herr Innenminister, an dieser Stelle hätte der Landesregierung Selbstkritik gut zu Ge- sicht gestanden, auch vor dem Hintergrund des tiefen Griffs des Landes in die kommu- nalen Kassen.Viele Menschen haben inzwischen verstanden, dass das FDP Motto „Mehr Netto vom Brutto“ übersetzt heißt: „Weniger Staat, weniger Daseinsvorsorge, weniger Kommune“.Und immer mehr Menschen stellen fest, dass sie genau dieses nicht wollen. Und das ist auch gut so, denn unsere Kommunen sind Garantie für den Zusammenhalt der Ge- sellschaft, sie haben es verdient, dass Land und Bund für sie einen Rettungsschirm aufspannen – denn systemrelevant sind sie allemal! Die grüne Fraktion setzt sich für die Beibehaltung der Gewerbesteuer ein, für eine bürgerfreundliche und effiziente Kommunale Verwaltungsreform und für Steuererhöhungen zu Gunsten der Kommunen.Wir wollen, dass die Kommunen ihre Daseinsvorsorge auch weiterhin erfüllen können. Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft darf nicht Preis gegeben werden, sondern muss in Form von gut aufgestellten Kommunen eine neue feste Grundlage erhalten! *** 4