Lars Harms zu TOP 48 - Die finanzielle Situation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen
Presseinformation Kiel, den 7.7.2010Es gilt das gesprochene WortLars HarmsTOP 48 Bericht über die finanzielle Situation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen Drs. 17/664Nicht zuletzt durch die Debatte um die Verankerung einer Schuldenbremse in derLandesverfassung sollte jedem von uns klar geworden sein, wie bedrohlich die finanzielle LageSchleswig-Holsteins mittlerweile ist. Der vorliegende Bericht der Landesregierung über diefinanzielle Situation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen zeigt, dass dies leider auch fürviele Gemeinden, Städte und Kreise im Land gilt. Der bundesweite Vergleich, wonach es ihnennoch recht gut geht, spendet da wenig Trost. Der Deutsche Städtetag erwartet für 2011 und2012 bundesweit zweistellige Milliardendefizite und viele Städte und Gemeinden stehenbuchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Denn während die Einnahmen mitunter dramatischsinken, steigen die Ausgaben unaufhörlich weiter. So wird heute fast ein Viertel derkommunalen Einnahmen für steigende soziale Leistungen vor Ort aufgebracht.Wie wir alle wissen, steht den Kommunen, anders als Land und Bund, auf der Einnahmeseiteaber nur ein recht geringer Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Die Situationstrukturschwacher Kommunen gibt daher wenig Anlass zur Hoffnung, denn eine Verbesserungaus eigener Kraft scheint in vielen Fällen kaum noch möglich. Selbstverständlich gilt dies bei 2weitem nicht für die gesamte kommunale Familie und für sämtliche kommunalenGebietskörperschaften in allen Landesteilen. Die Tatsache, dass der Bericht für rund ein Drittelder Kommunen eine positive Bilanz ausweist, nehmen natürlich auch wir gerne zur Kenntnis.Festzuhalten gilt jedoch, wie es die Landesregierung in ihrem Bericht auch richtig erfasst, dasses nicht zuletzt aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise grundsätzlich zu einerVerschlechterung der Finanzsituation der Schleswig-Holsteinischen Kommunen gekommen ist.Aus der Anlage 7 des Berichts geht daher auch deutlich hervor, dass die Kommunen imvergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang der Einnahmen aus Finanzausgleich und Steuernhinnehmen mussten. Zusätzlich werden ab 2011 die Zuweisungen aus demLänderfinanzausgleich deutlich zurückgehen, was den Druck auf Seiten des Landes nocherhöht. Auch die Ergebnisse der Maisteuerschätzung verheißen für die Kommunen nichtsGutes. Selbst die äußerst zweifelhafte Lösung, auf alle freiwilligen Leistungen zu verzichten,kann die strukturelle Überschuldung mancher Kommunen nicht aufhalten.Vor diesem Hintergrund müssen wir uns der Kritik der Grünen Fraktion an derVerhandlungsführung unseres Ministerpräsidenten im Bundesrat anschließen. Die bitterbenötigten Kompensationen für das so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurdenvon ihm zwar großspurig angekündigt, doch bedauerlicherweise blieben sie bis heute aus. DieMindereinnahmen von rund 70 Millionen Euro im Jahr für Land und Kommunen fehlen fürwichtige Investitionen vor allem im Bildungs- und Sozialbereich. Dies hält der SSW für völligunverantwortlich und wir fordern die Landesregierung daher ausdrücklich auf, zügig nach zuverhandeln.Die angestrebte Kompensation für die Einnahmeausfälle des Landes und der Kommunen durchdas Wachstumsbeschleunigungsgesetz soll ja vor allem in Form von Bundesmitteln für Bildungerfolgen. Dies halten wir grundsätzlich auch für begrüßenswert, denn auf diesem Wegprofitieren sowohl das Land Schleswig-Holstein als auch die kommunalenGebietskörperschaften. Angesichts der angespannten Finanzsituation darf es aber nicht bei 3bloßen Verlautbarungen bleiben. Das erneute Scheitern des Bildungsgipfels bedeutet leiderauch, dass der Erhalt dieser Mittel in weite Ferne gerückt ist. Wir sehen die Landesregierungdeshalb in der Pflicht, im weiteren Verhandlungsverlauf einen konstruktiven Beitrag zu leisten.Hier ist die Landesregierung in der Bringschuld gegenüber den Kommunen. Sollte es derLandesregierung nicht gelingen, hier Kompensation durch den Bund zu erlangen, dann mussdas Land hier eine eigene Finanzierung auf die Beine stellen. Das aber, erscheint mir nahezuunmöglich und deshalb noch einmal unser Appell an die Landesregierung: Verhandeln sie nachund sichern Sie den Kommunen das, was Sie ihnen ohnehin versprochen haben. Nicht mehr –aber auch nicht weniger!Eine weitere Ursache für die Haushaltslage unserer Kommunen stellt der Eingriff in ihreFinanzen in Höhe von rund 120 Millionen Euro jährlich dar. Dieser Eingriff durch das Land bringtunweigerlich eine Reduzierung der kommunalen Investitionen mit sich. Dies bedeutet in seinerKonsequenz weniger öffentliche Aufträge für die heimische Wirtschaft und damit wenigerWachstum sowie eine schlechtere Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger. Und dieSteuergeschenke des Bundes führen dazu, dass Verzweiflungstaten zu Lasten desSteuerzahlers wie die Erhöhung von Eintrittspreisen bei Schwimmbädern oder dieGebührenerhöhung für die Kita begangen werden. Das so genannteWachstumsbeschleunigungsgesetz hat deshalb eine völlig gegenteilige Wirkung, alsursprünglich angestrebt. Nach Meinung des SSW muss auch hier dringend gegengesteuertwerden.Um die Finanzsituation der Kommunen nachhaltig zu verbessern, halten wir eine Stärkung derEinnahmeseite für dringend geboten. In der Debatte zur Erhöhung der Grunderwerbsteuerhaben wir uns für die zeitnahe Anhebung um einen Prozentpunkt ausgesprochen. Wir habenuns unter anderem deshalb dafür eingesetzt, weil diese Mittel auch den Kommunen zurVerbesserung ihrer Haushaltslage zur Verfügung stünden. Dies wäre schon eine riesige Hilfefür die Kommunen. Neben der Stärkung der Einnahmeseite muss natürlich auch über 4strukturelle Reformen nachgedacht werden, um die Aufgabenwahrnehmung der Kommuneneffizienter zu gestalten. Wir haben deshalb bereits in einem früheren Antrag die gemeinsameAufgabenwahrnehmung verschiedener Gebietskörperschaften gefordert. Wichtig ist undbleibt dann aber, dass die so erreichten Effizienzgewinne auch bei den Kommunen bleiben.Bemerkenswert scheint mir die Tatsache, dass auch der Bericht wieder einmal die oftmalsvöllig unterschiedliche Lage von Städten und ländlichen Gebietskörperschaften unterstreicht.Während die kreisfreien Städte wie Lübeck, Kiel oder Flensburg chronisch klamm sind, geht esder ländlichen Region vergleichsweise gut. Dies ist natürlich in vielen Fällen durch dievorgehaltene, und von den umliegenden Gemeinden mit genutzte, Infrastruktur der Städte zuerklären. Hier müssen wir einen Weg finden, um über den kommunalen Finanzausgleich undüber die Änderung des zentralörtlichen Systems fairere Bedingungen und damit letztlich aucheinheitlichere Lebensbedingungen zu schaffen. Dabei kann es dann aber auch nicht bei denbestehenden Gemeindegrößen bleiben. Vielmehr müssen wir als Landespolitik – und hierinsbesondere die Landesregierung – den Mut aufbringen, und eine Gemeindereform anstoßen,die dazu führt, dass wir größere und leistungsfähigere Gemeinden erhalten. Die bisherigeKleinstaaterei in Schleswig-Holstein ist nicht nur deutschlandweit einmalig – sie ist auch nocheinmalig teuer und ineffizient. Die finanzielle Lange der Kommunen ist gerade auch abhängigvon den kommunalen Strukturen. Und wer etwas zugunsten der finanziellen Lage derKommunen ändern will, der muss hier ansetzen und etwas verändern.Und nicht zuletzt werden die Haushalte der Kommunen im Rahmen des Sparpakets derBundesregierung zusätzlich durch die Einschnitte in den vorgelagerten und durchBundesmittel finanzierten sozialen Sicherungssystemen belastet. Denn der Bürger, der durchdiese Systeme schlechter gestellt wird, landet mit seinen berechtigten Ansprüchen bei derGemeinde. Die kommunalen Sozialausgaben werden also auch hierdurch weiter steigen. DerSSW sieht es daher als dringend erforderlich an, dass sich der Bund vor allem stärker an denKosten der Unterkunft für Bedürftige beteiligt. Hier kommt der Vermittlungsausschuss 5hoffentlich zu einer Lösung, die unserer Meinung nach nur so aussehen kann, dass sich derBundesanteil an den tatsächlichen Kosten orientiert und damit spürbar erhöht wird. Denn einsmuss ich zu diesem Punkt deutlich sagen: Sozialleistungen sind ganz einfach gesetzlicheAufgaben, die von den Kommunen nur treuhänderisch erfüllt werden. Eine dafür notwendigeauskömmliche Finanzausstattung sieht der SSW als selbstverständlich an.Fassen wir also noch einmal zusammen: Ohne eine Erhöhung der Einnahmen wird es wederLand noch einem Großteil der Kommunen gelingen, die Bedingungen der Schuldenbremsebzw. die Sanierung der Haushalte zu erreichen. Trotz der im Bundesvergleich gutenfinanziellen Situation der Kommunen müssen hier und im strukturellen Bereichschnellstmöglich Änderungen her. Einige Vorschläge dazu haben wir bereits gemacht, weitere,insbesondere zur Verbesserung der Einnahmesituation, werden folgen.