Dr. Ralf Stegner zu TOP 48: Regierung darf Kommunen nicht weiter belasten!
Presseinformation der SPD-Landtagsfraktion Kiel, 07.07.2010 Landtag Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn aktuellTOP 48, Bericht über die finanziellen Situation der schleswig-holsteinischen Kommunen (Druck- sache 17/664)Dr. Ralf Stegner:Regierung darf Kommunen nicht weiter belasten!Es gibt erhebliche Unwuchten in der Finanzausstattung der zentralen Orte einerseits und den sie umgebenden kleinen Gemeinden andererseits, führt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Ralf Stegner, in seiner Rede aus. In zentralen Orten muss oft der Mangel verwaltet werden, sind politische Gestaltungsspielräume kaum vorhan- den. Grund ist, dass der kommunale Finanzausgleich die Erfüllung der Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge teilweise nicht mehr zulässt. Und größere Gemeinden und Städte müssen über „freiwillige“ Leistungen verstärkt die Lücken füllen, die durch die Sparpolitik vergangener Jahre entstanden sind. doch statt die Finanzlage der Kommunen zu verbessern, schnüren Landes- und Bundesregierung Kürzungspakete zu Lasten der kommunalen Ebene.Die Rede im Wortlaut: Zunächst danke ich den tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministe- riums für die Erstellung dieses Berichts. Er bietet einen vollständigen und gut lesbaren Überblick über die finanzielle Situation der Kommunen in unserem Land. Die Daten eignen sich natürlich für unterschiedlichste Interpretationen. Dennoch lassen sich ob-Herausgeber: Landeshaus SPD-Landtagsfraktion Postfach 7121, 24171 Kiel Verantwortlich: Tel: 0431/ 988-1305/1307 E-Mail: pressestelle@spd.ltsh.de Petra Bräutigam Fax: 0431/ 988-1308 Internet: www.spd.ltsh.de -2-jektive Aspekte sehr deutlich herauslesen, z. B. die Unterschiede in der Finanzaus- stattung zwischen den zentralen Orten und den sie umgebenden kleinen Ge- meinden. Da gibt es zum Teil erhebliche Unwuchten: So haben z.B. von den 17 Gemeinden des Amtes Preetz-Land bis auf die Gemeinde Großbarkau alle Mitgliedsgemeinden freie Finanzspielräume, zum Teil im sechsstelli- gen Bereich, während der Haushalt der Stadt Preetz seit Jahren defizitär ist und 2009 einen Fehlbetrag in Höhe von 1,158 Mio. € ausweist. Das gleiche Bild bietet sich im benachbarten Amt Großer Plöner See mit der Stadt Plön, deren Haushalt in diesem Jahrhundert noch nicht einmal ausgeglichen war, wäh- rend 10 der 12 Umlandgemeinden über freie Finanzspielräume verfügen.Die Haushaltslage in Büsum kann man mit einer negativen freien Finanzspitze von 2,5 Mio € wohl als dramatisch bezeichnen, die umliegenden Orte schreiben sämtlich schwarze Zahlen. Solche Beispiele ließen sich für alle Kreise hier anführen.Natürlich gibt es auch regionale Unterschiede, die mit der unterschiedlichen Wirt- schaftskraft der Regionen unseres Landes zusammenhängen. So stellt sich die Si- tuation im Hamburger Umland tendenziell etwas günstiger dar als im Norden und an der Westküste.Natürlich gibt es auch Ausnahmen: Der Haushalt der Stadt Rendsburg weist trotz ei- nes relativ wohlhabenden Umlandes eine freie Finanzspitze in Höhe von 3,2 Mio € auf - da scheint es einen sehr tüchtigen Bürgermeister zu geben - während der hier im Hause ja nicht ganz unbekannte Ort Elisabeth-Sophien-Koog es tatsächlich schafft, bei gerade mal 47 Einwohnern ein Haushaltsloch in Höhe von 10.170,41 € zu produzieren. (Haben die eine Zweitwohnungssteuer?) -3-Ich weiß ja nicht, wer dort politisch verantwortlich ist, aber was ist denn bei Ihnen zu Hause los, Herr Ministerpräsident? Vielleicht sind Sie ja deshalb in meinen Wahlkreis umgezogen. (Schierensee ist ja mit 138.000 € im Plus.)Auch bei den meisten Stadt-Umland-Vergleichen ist die Situation ähnlich: Während sich z.B. die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter in Bönebüttel im Kreis Plön im Jahr 2009 über eine freie Finanzspitze in Höhe von 111.000 € freuen konnten, mussten ihre Kolleginnen und Kollegen im benachbarten Neumünster ein Haushalts- loch in Höhe von 28 Mio € verkraften. Ähnlich sieht es im Kieler Umland aus. Während der Haushalt der Stadt Lübeck vom Innenminister nicht genehmigt worden ist, weisen z.B. die angrenzenden Gemeinden Stockelsdorf und Bad Schwartau Finanzspielräume von mehr als einer Million Euro aus.Während in zentralen Orten oft der Mangel verwaltet werden muss und politische Gestaltungsspielräume kaum vorhanden sind, bestehen in den kleinen Gemeinden Ängste, für die Haushaltsführung anderer Gemeinden in die Verantwortung genommen zu werden und die Früchte der eigenen Arbeit zu verlieren. Dies ist eine eher schlech- te Ausgangsposition für Gespräche auf Augenhöhe.Die Unterschiede in der Finanzausstattung liegen aber mit Sicherheit nicht daran, dass – wie es vereinzelt im ländlichen Raum behauptet wird – die Städte nicht mit Geld um- gehen könnten. Ebenso wenig ist es richtig, dass jedes Dorf schuldenfrei ist und mit den Schlüsselzuweisungen des Landes ein mit goldenen Wasserhähnen ausgestatte- tes Feuerwehrgerätehaus finanziert.Richtig ist vielmehr, dass der kommunale Finanzausgleich die Erfüllung der Auf- gaben kommunaler Daseinsvorsorge teilweise nicht mehr zulässt. Hinzu kommt auch, dass größere Gemeinden und Städte über so genannte „freiwillige“ Leistungen -4-verstärkt die Lücken zu füllen haben, die durch die Sparpolitik vergangener Jahre ent- standen sind.Sportförderung, Jugendarbeit, Weiterbildung, Beratungsstellen und Hilfsangebote in vielfältigster Form sind ohne kommunale Zuschüsse an die freien Träger und ehren- amtliche Vereine und Verbände nicht zu finanzieren. Und was macht die Landesregie- rung? Hilft sie den Bürgern vor Ort? Antwort: Nein. Mit der 180-Grad-Wende bei Schülerbeförderungskosten, bei den Kita- Gebühren und an vielen anderen Stellen werden Familien und Kinder besonders be- lastet und die Kommunen müssen das ausgleichen.Nimmt die Landesregierung Rücksicht auf kommunale Planungen? Antwort: Nein. Mit der chaotischen Schulpolitik werden die kommunalen Schulentwick- lungspläne über den Haufen geworfen und Perspektiven gerade im ländlichen Raum ruiniert.Trägt die Landesregierung dazu bei, regionale Unwuchten auszugleichen? Antwort: Nein. Mit den verheerenden Fehlentscheidungen bei Hochschulen und UKSH wird der Lübecker Raum und die Region Flensburg nachhaltig geschädigt. Leider zeigt die heutige Presse, dass viele der Regierung auf den Leim gehen und sich gegeneinander ausspielen lassen, statt gemeinsam gegen die falsche Politik vorzuge- hen. Wenn sich Kiel und Lübeck streiten, freut sich die Landesregierung.Hilft die Landesregierung den Kommunen durch Bürokratieabbau und eine ordentliche Verwaltungsreform, dass Finanzmittel für Politik frei werden? Antwort: Nein. Man geht den Kindern und Eltern an den Kragen, statt die Kragenäm- ter abzuschaffen. -5-Wir Sozialdemokraten sind dafür, hier entschlossen Reformen anzupacken und statt bei Kindern und der Zukunft zu sparen dort zu kürzen, wo es dem Bürger am wenigs- ten weh tut.Aber die Landesregierung hilft doch bestimmt mit, dass sich die kommunalen Einnah- men verbessern – oder? Antwort: Nein. Die Einnahmen werden nicht nur nicht verbessert. Nein, es gibt ein Ein- nahmenverschlechterungsprogramm. Sie, Herr Carstensen und Herr Kubicki, sorgen dafür, dass Schleswig-Holstein im Bundesrat auch noch als Zünglein an der Waage die Hand dafür hebt, mit Steuergeschenken für wenige die schleswig-holsteinischen Kommunen jährlich um 60 Mio € ärmer zu machen.Statt für eine richtige Kommunalsteuer zu sorgen, diskutieren Sie immer wieder die Abschaffung der Gewerbesteuer. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin will stattdessen kommunale Zuschläge auf die Einkommensteuer. Damit kämen die Städte endgültig unter die Räder.Grunderwerbsteuer auf Niveau der Nachbarländer steigern? Vielleicht später, sagt Herr Wiegard.Das alles ist schlecht für unsere Kommunen, die doch das Fundament unserer Demo- kratie bilden.Das von der sog. „Haushaltsstrukturkommission“ vorgelegte Kürzungspaket wird si- cher dazu führen, dass die Schlange der Bittsteller vor den Rathaustüren noch länger wird. Diese kommunalen Leistungen sind nicht „freiwillig“ – dieser Begriff ist doch ge- radezu zynisch -, sie sind mittlerweile notwendig, um ganze Bereiche des sozialen und kulturellen Lebens in unserem Land am Leben zu erhalten. Dabei sollte doch Politik die Kunst sein, das Notwendige möglich zu machen. -6-Natürlich ist die Förderung des ländlichen Raums und die Schaffung möglichst glei- cher Lebensbedingungen in unserem Land eine wichtige politische Aufgabe. Um dieses Ziel erreichen zu können, bedarf es aber auch leistungsfähiger zentraler Orte, die mit ihrem Angebot an Daseinsvorsorge, an Arbeitsplätzen, an Einkaufs- und Ver- sorgungsmöglichkeiten überhaupt die Basis für eine geordnete ländliche Entwicklung bieten. Wer diesen Städten und Gemeinden die Rahmenbedingungen weiter er- schwert, sägt kräftig an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.Außerhalb des kreisangehörigen Bereichs ist besonders beeindruckend die Darstel- lung der 7. und 8. Kommunalgruppe „positive freie Finanzspielräume / positive Jahres- ergebnisse 2009 der kreisfreien Städte / Kreise“. Nüchterner Befund der Statistik: „Fehlanzeige“. Dies alles beweist aus unserer Sicht die dringende Notwendigkeit einer Neuordnung des kommunalen Finanzausgleiches mit einer stärkeren Gewichtung der Finanzierung tatsächlich wahrgenommener Aufgaben. Dieses hatten wir in der Großen Koalition mit der CDU vereinbart, es konnte genauso wie die wichtige Verwaltungsstruktrurreform auf Kreisebene nicht mehr umgesetzt werden. Ich gebe zu, beide Vorhaben erfordern Mut, Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft.Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP kann man hierzu folgenden Satz lesen, den ich mit Erlaubnis hier zitiere: „CDU und FDP werden das Finanzausgleichsgesetz insbe- sondere dahingehend überprüfen, ob es den strukturellen Veränderungen in der kom- munalen Ebene der letzten Jahre noch Rechnung trägt.“ (Koalitionsvertrag CDU und FDP, S. 44)Mit unserem Antrag haben wir Ihnen schon mal die Prüfung abgenommen. Jetzt heißt es: An die Arbeit, Herr Ministerpräsident! -7-Im Bericht der Landesregierung heißt es, die Finanzlage der Kommunen sei schlech- ter geworden. Das stimmt leider und das liegt auch an der Politik von Landes- und Bundesregierung, weil unsere Kommunen aus Kiel und Berlin Steine statt Brot be- kommen. Ich erinnere daran: Die Bundesregierung schnürt ein Kürzungspaket, das selbst in konservativen Wirtschaftskreisen als unsozial bezeichnet wird und Familien und Transferempfänger einseitig belastet. Wer hat darunter besonders zu leiden? Die Kommune vor Ort. Man sagt ja oft, der Teufel stecke im Detail – bei dieser Landesregierung steckt er lei- der in den Grundsätzen ihrer Politik.Aber vielleicht fehlt es mir ja nur am rechten Verständnis für die Notlage der Landes- regierung: Da kommt im September 2009 nach der planmäßigen Landtagswahl ein ganz neuer Finanzminister ins Amt. Er macht einen Kassensturz und stellt erschreckt fest, wie schlecht die Lage ist und das schildert er dann seinem genau so neuen und unerfahrenen Regierungschef. Welcher Sozialdemokrat an der Spitze des Finanzmi- nisteriums hat uns in den letzten 4 Jahren diese Suppe nur eingebrockt? Aber dank Wolfgang Kubicki ist die Lösung schnell gefunden. In einer solchen Zwangslage ver- steht es sich doch geradezu von selbst, dass man das, was man den Bürgern im Wahlkampf versprochen hat, nun wirklich nicht einhalten kann.Nein, man ist ja geradezu moralisch verpflichtet, jetzt das genaue Gegenteil zu tun. Und das ist ja auch die Quintessenz bei den Vorschlägen der Haushaltsstrukturkom- mission. Jetzt muss man den Bürgern nur noch erklären, dass das alternativlos ist und die SPD an allem Schuld. Alle Umfragen zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Spiel durchschauen.Nachdem wir nun über den Ist-Stand der Kommunalfinanzen zu Beginn der Regie- rungsverantwortung von CDU und FDP im Bund und im Land verfügen, können wir nachprüfen, wie sich die Segnungen der schwarz-gelben Regierungspolitik auf unsere -8-Kommunen tatsächlich auswirken. Wir werden daher zu gegebener Zeit erneut eine Inventur der Kassen von Gemeinden Städten und Kreisen vornehmen. Dann werden nicht nur die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in unserem Land, son- dern alle Bürger Sie nicht nur an Ihren Absichtserklärungen, sondern auch an Ihren Taten messen können.